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Beitrag vom 25.03.2014
Das Mädchen Wadjda - Ein Film von Haifaa Al Mansour. Ab 20.03.2014 auf DVD und Blu-ray
Veronika Siegl
Die Geschichte der zehnjährigen Rebellin ist nicht nur das erste von einer Frau in Saudi-Arabien realisierte, sondern auch das erste vollständig im Land gedrehte Filmprojekt überhaupt. Die...
... Regisseurin entwirft eine ebenso humorvolle wie traurige Geschichte über Widerstand, Hoffnung und Veränderung.
Not macht erfinderisch
Die zehnjährige Wadjda und ihre Mutter sind Frauen, die für ihre Wünsche kämpfen. Während die Mutter (erfolglos) versucht, ihren Mann von der Heirat mit einer Zweitfrau abzubringen und gleichzeitig ihr finanzielles Überleben abzusichern, wehrt sich die Tochter gegen sämtliche gesellschaftlichen Regeln in ihrem Umfeld und erinnert dabei ein wenig an die junge Marjane aus "Persepolis". In Chuck-Taylor-Turnschuhen geht sie in die Schule, zu Hause hört sie amerikanische Musikkassetten, ihre Freizeit verbringt sie am liebsten mit dem Nachbarjungen Abdullah – auch wenn er sie oft neckt und dann schnell mit seinem Fahrrad das Weite sucht. Verärgert setzt sich Wadjda in den Kopf, ein eigenes Rad besitzen zu müssen – und zwar das grüne Rad mit dem verzierten Rahmen und den bunten Bändern an der Lenkstange, an dem sie ihr Schulweg durch die staubigen Straßen jeden Tag vorbeiführt. Große Unterstützung erfährt sie aber keine für diese Idee – "Fahrräder sind nichts für anständige Mädchen, die ihre Ehre und Seele rein halten wollen", trichtert ihr die streng-gläubige Schuldirektorin ein. Auch die Eltern wollen nicht, dass ihre Tochter auf einem Rad in der Öffentlichkeit gesehen wird.
Um sich ihren Traum dennoch zu erfüllen, zieht Wadjda alle Register. In letzter Konsequenz tritt sie sogar der Religions-AG ihrer Schule bei, kauft sich das Playstationquiz "How to learn the Qur´an the easy way" und tritt – mit Hoffnung auf das Preisgeld – beim Koran-Rezitationswettbewerb an.
Miteinander statt gegeneinander
Seit April 2013 ist Fahrradfahren in Saudi-Arabien unter bestimmten Umständen auch für Frauen erlaubt – allerdings nur zu Freizeitzwecken, nicht als Transportmittel. Bildlich steht das grüne Rad daher für eine Bewegungsfreiheit, die Frauen verwehrt wird, ist aber gleichzeitig kein provokantes oder politisch aufgeladenes Symbol. "Es passt zu meiner Handschrift. Ich suche den Dialog, nicht die Konfrontation", erzählt Haifaa Al Mansour in einem Interview mit der Plattform swissinfo.ch. Auch gegenüber der Zeitung "The Independent" betont die Regisseurin, die Wichtigkeit dieser Kooperationsbereitschaft: "I don´t want to be an outcast. Saudi Arabia is a very conservative place. I want to do films that make them (the authorities) more relaxed, more tolerant and make them respect women more."
Regie aus dem Off
Dieser Wunsch bedeutete für die Regisseurin auch die Notwendigkeit, zahlreiche Kompromisse auf sich nehmen, denn die Dreharbeiten in den Vororten von Riad, der Hauptstadt Saudi-Arabiens, gestalteten sich in mehrerlei Hinsicht kompliziert. So erzählte Al Mansour gegenüber dem Independent, ihre Anweisungen bei einigen Szenen von ihrem Versteck im Inneren eines Vans aus erteilt zu haben, da die Präsenz von Frauen auf Straße – vor allem in einer solchen Funktionen – zu viel Aufsehen erregt hätte. Weitere Schwierigkeiten resultierten aus dem Fehlen der notwendigen Infrastruktur, denn seit den 1970er Jahren sind Kinos in Saudi-Arabien verboten.
Durch Bewegung zur Veränderung
Mit der Geschichte von Wadjda greift die Filmemacherin Elemente ihres eigenen Lebens auf. Sie sei in einer traditionellen, aber liberalen Familie aufgewachsen. Auch Haifaa Al Mansour hatte ihr eigenes Rad, mit dem sie im Hof ihre Runden drehen konnte, schildert sie der Financial Times. Der Vater habe ihr nie das Gefühl gegeben, eine bestimmte Sache aufgrund ihres Geschlechts nicht machen oder erreichen zu können – "Ich stamme aus einer kleinen Stadt, in der viele Mädchen wie Wadjda leben, Mädchen die große Träume haben, einen starken Charakter und viel Potential besitzen. Diese Mädchen können – und werden – unsere Gesellschaft umbauen und neu definieren". Die Realisierung ihrer eigenen Träume, Regisseurin zu werden und in Saudi-Arabien Filme zu drehen, sieht sie als Zeichen dafür, dass langsam eine gesellschaftliche Veränderung ins Rollen kommt. "Das Land öffnet sich und wir Frauen müssen uns nun eine eigene Stimme verschaffen", so Al Mansour.
AVIVA-Tipp: Mit ihrem Spielfilmdebut wird die Regisseurin ihrem Anspruch gerecht, "einen einzigartigen Einblick in mein Heimatland gestattet und gleichzeitig nachvollziehbar von Hoffnung und Durchhaltevermögen erzählt" zu haben. Auf erfrischende Weise umreißt Haifaa Al Mansour das komplexe Bild einer Gesellschaft, in der Frauen zwar viele Rechte verweigert werden, sie aber dennoch ihre eigenen Widerstandsstrategien entwickeln und sich Freiräume schaffen.
Zur Regisseurin: Haifaa Al Mansour, geboren 1974 in el-Zilfi, ist die erste weibliche Filmemacherin Saudi-Arabiens. Sie studierte Literaturwissenschaften an der amerikanischen Universität in Kairo und Regie und Filmwissenschaften an der University of Sydney.
Mit ihren drei Kurzfilmen sowie der international ausgewerteten, vielfach ausgezeichneten Dokumentation "Women Without Shadows" (2005) beeinflusste sie eine neue Generation saudi-arabischer Filmemacher_innen und engagierte sich für die Eröffnung von Kinos im Königreich.
Zur Schauspielerin: Reem Abdullah, geboren 1987 in Riad, ist eine der bekanntesten Schauspielerinnen Saudi-Arabiens. Sie tritt gegen die traditionellen Rollenmuster ihrer Heimat ein und ist zum berühmtesten Fernsehstar des Königreichs aufgestiegen. Abdullah begann ihre Karriere in der Hit-Show "Tash Ma Tash", einer populären Comedy-Serie, die die politischen Ideologien der Gesellschaft aufs Korn nimmt. Darüber hinaus ist Reem Abdullah in Hauptrollen populärer saudi-arabischer Fernsehserien zu sehen. "Wadjda" ist ihr Spielfilmdebüt.
Zur Schauspielerin: Waad Mohammed, geboren in Riad, ist eine der wenigen weiblichen Jugendlichen, denen ihre Familien erlauben, vor der Kamera aufzutreten. Wadjda ist ihr erster Kinofilm, zuvor wirkte sie in lokalen und regionalen Theaterproduktionen mit.
Das Mädchen Wadjda
Saudi Arabien, Deutschland 2012
Drehbuch und Regie: Haifaa Al Mansour
Verleih: Koch Media
Vertrieb: Neue Visionen
Darsteller_innen: Reem Abdullah, Waad Mohammed, Abdullrahman Al Gohani, Ahd, Sultan Al Assaf
Kamera: Lutz Reitemeier
Schnitt: Andreas Wodraschke
Musik: Max Richter
Produzenten: Roman Paul, Gerhard Meixner
Produktion: Razor Film
Koproduktion: High Look Group, Amr Alkahtani, Rotana Studios, Norddeutscher Rundfunk, Bayerischer Rundfunk
Extras Making of (ca. 13 Minuten), Original Kinotrailer
Filmlänge DVD: ca. 93 Minuten, Blu-ray: ca. 96 Minuten
Sprachen: Deutsch, Arabisch, Untertitel Deutsch
FSK Ab 0 Jahren
Verleih: Koch Media
DVD
Bestellnummer DVM001239D
EAN-Nummer 4020628924300
Empf. VK Euro 12,99
Blu-ray
Bestellnummer DBM000219D
EAN-Nummer 4020628924287
Empf. VK Euro 14,99
Ab 20.03.2014 auf DVD und Blu-ray
www.wadjda-film.de
Auszeichnungen und Nominierungen (Auswahl):
Internationale Filmfestspiele von Cannes 2013 – Le Prix France Culture Cinéma avec Liberación (Haifaa Al Mansour)
Dubai International Film Festival 2012 – Best Film, Best Actress (Waad Mohammed)
Internationale Filmfestspiele von Venedig 2012 – Cinema Avenire Award
Nominierung als "Film not in the English Language" bei den British Academy Film Awards 2014
Einreichung in der Kategorie "Bester fremdsprachiger Film" der diesjährigen Oscar®-Verleihung
Überdies steht Haifaa Al Mansour in der Vorauswahl des Deutschen Filmpreis 2014 für die "Beste Einzelleistung Regie". Bei der prestigeträchtigen Gala "Cinema for Peace" im Februar 2014 fand Das Mädchen Wadjda eine spezielle Erwähnung.
Weitere Informationen unter:
"Ten minutes with...Haifaa Al Mansour" (The World Today Vol. 68, Nr. 6/9)
"Haifaa al-Mansour, a woman´s voice from Arabia" (swissinfo.ch)
"Haifaa Al Mansour: Calling the shots in a man´s world" (The Independent)
"Undercover director: Saudi film-maker Haifaa al-Mansour" (The Financial Times)
"The Remarkable Story Behind the First Movie Shot Entirely in Saudi Arabia" (Times)
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