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Beitrag vom 23.07.2008
Nue Propriété - Kinostart am 07. August 2008
Anna Opel
Filmdrama über eine Frau mittleren Alters, die sich von der Bindung zu ihren erwachsenen Söhnen zu emanzipieren versucht. Isabelle Huppert berührt in der Rolle einer Mutter in Not
Nach Jahren allein mit ihren Zwillingssöhnen auf einem malerischen, etwas verwahrlosten Anwesen auf dem Land probiert Pascale (Isabelle Huppert) vorsichtig neue Wege aus. Ihr neuer Freund Jan (Kris Cuppens) ermuntert sie, sich von den erwachsenen Söhnen zu lösen. Doch ihr idyllisches Leben mit lauschigen Abenden an der Tischtennisplatte und wilden Motorcrossfahrten durch verschlammte Wiesen verlangt aus Sicht der Söhne kein bisschen nach Veränderung.
Argumente für eine Trennung von den Kindern übernimmt Pascale von ihrem Freund. Sie selbst wirkt wie paralysiert von der Situation: stets selbstverständlich in Anspruch genommen- als Köchin, Chauffeurin und Sitterin zweier Riesenbabys, die unentwegt schlüpfrige Andeutungen über ein mögliches Sexleben ihrer Mutter machen. An das sie aber selbstverständlich im Traum nicht glauben. Und Pascale hält es mit Bedacht lange vor ihnen geheim.
Etwas ist über die Jahre in eine Schieflage geraten in dieser Familie. Der Vater hat eine neue Familie gegründet und schneit dann und wann herein, um den Söhnen Geld zuzustecken. Zwischen den beiden vor Kraft strotzenden jungen Männern wirkt Pascale unsicher und zerbrechlich am Abendbrottisch. Als sie ihren Kindern Zukunftspläne andeutet, putzt der aggressive Thierry (Jérémie Rénier) seine Mutter als realitätsfremd herunter. Ihre Überlegungen, das Haus zu verkaufen, bringen ihn schließlich völlig aus der Fassung.
Ein Kampf um Ansprüche auf Eigentum und ein eigenes Leben beginnt. Die Mutter nimmt ihn, verzagt und ungeschickt, aber beharrlich auf. Sie macht den Söhnen klar, dass sie jetzt genug für sie getan hat und nun an sich selbst denken will. Während der wilde, rastlose Thierry seine Mutter immer maßloser beschimpft und zurechtweist, hält sich der träumerische François (Yannick Rénier) zurück. Als Zuschauerin fällt es manchmal schwer, mit anzusehen, wie Pascale weder verbal noch körperlich imstande ist, sich zu behaupten und ihre Hilflosigkeit stattdessen hinter einem trotzigem Schweigen verbirgt. Nach einem missglückten Abendessen mit Jan und den Söhnen, zieht Pascale für eine Weile zu einer Freundin.
Nue Propriété (was so viel heißt wie "Nackter Grundbesitz") skizziert eine familiäre Dreierkonstellationen, deren Exklusivität zu einer gefährlichen Wucherung von Intimität geführt hat. Dass die beiden Anfang Zwanzigjährigen sich in der Badewanne gegenseitig die Haare waschen oder stundenlang zusammen vor der Playstation sitzen wie Zwölfjährige, zählt da noch zu den harmloseren Situationen. Zur Katastrophe kommt es, als Thierrys Freundin in Pascales Abwesenheit zu Besuch ist und François sich gegen die dauernden Provokationen seines Bruders zur Wehr setzt.
Der Film war im Jahr 2006 beim Venedig Film Festival im Wettbewerb vertreten und wurde auf diversen anderen internationalen Festivals gezeigt.
AVIVA-Tipp: Regisseur Joachim Lafosse arbeitet mit langen, fixen Einstellungen, die der Betrachterin Zeit und Freiheit lassen, zu sehen, was sie will. Die Figuren treten dabei ins Bild hinein und wieder hinaus, wie auf einer Theaterbühne.
Isabelle Huppert brilliert in der Rolle einer Frau, die vergeblich einen Ausweg sucht aus der Situation zwischen den monströsen Ansprüchen ihrer Söhne. Ihr Ex-Mann und ihr Freund sind in der kritischen Situation beide nicht zur Hilfestellung bereit. Die intensive Bindung der ungleichen Brüder, die im richtigen Leben übrigens ebenfalls Brüder sind, entfaltet eine archaische Kraft.
Nue Propriètè
Belgien/Frankreich/Luxemburg 2006
Regie: Joachim Lafosse
Buch: Joachim Lafosse, François Pirot
DarstellerInnen: Isabelle Huppert, Jérémie Rénier, Yannick Rénier, u.a.
Lauflänge: 90 Minuten
Kinostart: 7. August 2008
Weitere Informationen finden Sie unter www.peripherfilm.de