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Beitrag vom 20.03.2008
Die Anruferin
Britta Leudolph
Mit verstellter Kinderstimme ruft Irm fremde Frauen an und spielt ein gemeines Spiel mit ihnen. Eine unfreiwillige Freundschaft zu einem ihrer Opfer eröffnet ihr die Chance auf ein anderes Leben
Irm Krischka (Valerie Koch) hatte es nie leicht. Das Leben gestaltet sich für sie trostlos: ihre kranke, bettlägerige Mutter (Franziska Ponitz), die Irms jung verstorbener Schwester mehr zugewandt ist als ihrer lebenden Tochter, pflegt sie genauso resolut wie sie ihrer Arbeit im Waschsalon nachgeht. Gefühle haben in dieser Welt keinen Platz, die junge Frau distanziert sich von ihren Mitmenschen so gut es geht.
Diesem tristen Dasein entflieht sie mit einer perfiden Beschäftigung: Mit verstellter Kinderstimme ruft sie fremde Frauen mit der immer gleichen Masche an: "Bitte, bitte, erzähl mir eine Geschichte..." Über mehrere Telefonate hinweg entwickelt sich eine Beziehung zwischen der Angerufenen und dem vermeintlichen Kind.
Kurz vor dem ersten Besuch "des Kindes" schaut Irm als Mutter bei der Ahnungslosen vorbei, um sicher zu gehen, dass ihrem Kind dort nichts passieren kann. Bald darauf lässt sie das Kind an einer schweren Krankheit sterben. Irm bittet nun als trauernde Mutter die Betroffene, zur Beerdigung zu kommen und erst hier wird das böse Spiel offenbar.
Doch als Irm ihr neues Opfer Sina Braunsdorf (Esther Schweins) kennen lernt, verändert sich alles. Es entwickelt sich eine zarte Freundschaft, die in Irm einen Wandel zu bewirken scheint. Doch das Glück ist brüchig. Als Sina Irm von einem möglichen Umzug in eine andere Stadt erzählt, wird ihre Verbindung auf eine harte Bewährungsprobe gestellt.
Das Spiel der Hauptdarstellerinnen ist beeindruckend. Valerie Koch verleiht ihrer Figur hinter der resoluten Fassade eine unerwartete Zerbrechlichkeit, die erst sehr langsam zum Vorschein kommt. Franziska Ponitz als Mutter gelingt es ohne ein einziges Wort, die Geschichte und Tragödie dieser Frau spürbar zu machen.
Für ihre Darstellung der Irm Krischka erhielt Valerie Koch bei der Premiere des Films während des Filmfestes München den Förderpreis Deutscher Film 2007 als "Beste Nachwuchsschauspielerin".
Felix Randau inszeniert den Film in ruhigen Bildern, die die ZuschauerInnen ganz in die Welt der Irm eintauchen lassen.
Die Drehbuchautorin Vera Kissel, eine Dramatikerin, hatte ihre Idee des mysteriösen Telefonkindes zunächst zu einem Theatermonolog verarbeitet, den sie zu ihrem ersten Drehbuch ausarbeitete.
"Die Anruferin" erhielt von der Filmbewertungsstelle Wiesbaden (FBW) das Prädikat "besonders wertvoll" mit der Begründung: "Eine virtuose Gratwanderung, psychologisch stimmig, präzise inszeniert, spannend, überraschend. Thriller, schwarze Beziehungskomödie, schizophrene Fallstudie? Wenig Vergleichbares findet sich im jüngeren deutschen Film."
AVIVA-Tipp: Der Film "Die Anruferin" erzählt ein rührendes Lehrstück über die Einsamkeit einer jungen Frau und die Kraft von Zuneigung und Freundschaft, lässt ein feines Portrait einer verletzlichen Außenseiterin entstehen, traurig und doch hoffnungsvoll.
Lesen Sie auch unser Interview mit Valerie Koch.
Die Anruferin
Deutschland, 2007
Regie: Felix Randau
Drehbuch: Vera Kissel
Hauptdarstellerinnen: Valerie Koch, Esther Schweins, Franziska Ponitz
In weiteren Rollen: Stefanie Mühlhan, Ivan Shvedoff, Marita Breuer
FBW: besonders wertvoll
Verleih: NFP marketing and distribution
Lauflänge: 84 Minuten
Kinostart: 20.März 2008
FSK: Freigabe ab 12 Jahren