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Beitrag vom 09.01.2008
Die zweigeteilte Frau, ein Film von Claude Chabrol
Anna Opel
Der Chronist des dekadenten gesellschaftlichen Milieus übersetzt die Umstände eines spektakulären Eifersuchtsdramas im New York des ausgehenden 19. Jahrhunderts ins heutige Paris.
Die schöne junge Gabrielle Deneige (Ludivine Sagnier) lernt an einem einzigen Tag zwei interessante Männer kennen. Den einen wird sie lieben, den anderen heiraten. Und am Ende wieder allein sein. Ein bisschen erwachsener vielleicht, aber frei und stark wie eh und je.
In der Höhle des hungrigen Löwen
Der berühmte Schriftsteller Charles St. Denis hat als Mann seine besten Jahre hinter sich. Normalerweise lebt und arbeitet er in seinem luxuriösen Haus vor den Toren der Stadt und pflegt Umgang mit der attraktiven Verlegerin Capucine Jamet (Mathilda May) und seiner ebenso reizenden Ehefrau Dona (Valéria Cavali). Der Vermarktung seines neuen Buches halber begibt er sich ins Getümmel der Stadt. In den Räumen eines privaten Fernsehsenders, wo er von einem tumben Redakteur interviewt wird, nimmt der ewig hungrige Löwe die Fährte seines Opfers auf: ausgerechnet in der Maske sieht er die vielversprechende Wetterfee Gabrielle zum ersten Mal. Auf die kluge junge Frau übt der reife Intellektuelle sofort beträchtlichen Reiz aus und schon ist die schönste Affäre im Gange.
Tödlicher Ausgang eines Konkurrenzkampfs
Auch der junge, ziellose Paul Gaudens (Benoît Magimel), verwöhnter Spross einer wohlhabenden Familie, ist augenblicklich von der ungezwungenen Ausstrahlung Gabrielles fasziniert, als er sie bei Charles´ Signierstunde bemerkt. Er verfolgt sie, bestürmt sie, macht ihr Heiratsanträge. Einmal verliebt, hat Gabrielle allerdings nur noch Augen für Charles. Dieser führt sie in die Kunst der Liebe ein, spielt mit ihr und denkt im Traum nicht daran, seine Frau zu verlassen. Als Charles seiner Geliebten schließlich den Zutritt zum Paradies – das steht auf dem Klingelschild seiner Pariser Arbeitswohnung – endgültig verwehrt, fällt Gabrielle in eine tiefe Depression. Der Kampf der Rivalen um die ungezähmte Beute Frau ist allerdings erst vorüber, als Paul seinen Widersacher bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung auf offener Bühne erschießt.
Ein Panorama der Scheinwelten
"Die zweigeteilte Frau" lief beim Filmfestival Venedig 2007 als offizieller Wettbewerbsbeitrag außer Konkurrenz. Der Plot dient Chabrol dazu, ein nüchternes Panorama der Mächtigen und Scheinmächtigen unserer postindustriellen Gesellschaften zu skizzieren. Da ist auf der einen Seite die traditionsreiche Familie der Gaudens, für deren unglückliche Nachkommenschaft es einfach nichts zu tun gibt. Sie sind hauptberuflich Nachkommen, kurven in James-Dean-Pose mit ihren flotten Coupés herum, parken unvorschriftsmäßig, kauen an den Fingernägeln und sitzen in der weiblichen Version mit eindrucksvollen Frisuren die heimischen Sofakissen platt.
Auf der anderen Seite lärmt die lächerliche Betriebsamkeit des Privatfernsehens, wo Aufstiegschancen und wertvolle Kontakte in Aussicht gestellt werden und man ansonsten Sendezeit zuhauf totschlägt.
Dazwischen der besonnene Künstler, dem es mit Mühe und Not gelingt, Arbeit und Erotik zu etwas zu verbinden, das man selbstbestimmtes, sinnerfülltes Leben nennen könnte. Das scheint in diesem Lebensabschnitt allerdings nur auf Kosten seiner Beute zu funktionieren. Die unschuldige, von Geld und Macht (noch) nicht korrumpierte Gabrielle ist die eigentliche Heldin dieses Films. Unberührt und unbeschadet geht sie aus allen Querelen hervor.
Sie steht für die Hoffnungen in eine neue, pragmatische Generation, die die Schlüsse aus ihren Beobachtungen all dieser mehr oder weniger verkommenen Sphären noch zu ziehen hat.
AVIVA-Tipp: Schon allein wegen der wunderbaren Ludivine Sagnier lohnt es, diesen durch und durch französischen, ausgesprochen eleganten Film anzuschauen. Die Figur des Paul bleibt blasser als das Drehbuch es erlaubt hätte und so verliert die Dreiecksbeziehung beträchtlich an Spannung.
Vielleicht hat Chabrol von Seiten eines jungen Wilden Konkurrenz für die Attraktivität des gealterten Künstlers gefürchtet. Und deshalb Benot Magimels Part nicht so interessant inszeniert, wie er hätte sein können.
Die zweigeteilte Frau (La fille coupée en deux)
Regie: Claude Chabrol
Drehbuch: Cécile Maistre, Claude Chabrol
Frankreich / Deutschland 2007
DarstellerInnen: Ludivine Sagnier, Benoît Magimel, François Berleand, Valéria Cavali, Mathilda May u.a.
Dauer: 115 Minuten
Kinostart: 10. Januar 2008
Concorde Filmverleih
Deutschland (FSK): Freigegeben ab 16 Jahren
Weitere Infos unter:
www.lafillecoupeeendeux.com