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Beitrag vom 19.11.2007
Frauen im Jazz
Tatjana Zilg
Greta Schiller und Andrea Weiss zeichnen ein detailliertes Portrait von einer der allerersten All-Female-Gruppen in der Musikgeschichte. Die International Sweethearts Of Rhythm waren eine ...
... 16köpfige Jazz-Big-Band, deren bunte Crew aus feminin charismatischen Persönlichkeiten in den 40er Jahren bewies, wieviel Power, Talent, Elan und Esprit Frauen haben können, entgegen der damaligen öffentlichen Meinung, Musik machen sei "doch eher Männersache".
Aber nicht nur die "Sweethearts" haben die beiden Regisseurinnen unter das Visier genommen, auch den Weg zum ganz großen Erfolg einer absoluten Grande Dame des Jazz verfolgen sie in einem der drei Kurzfilme: Maxine Sullivan hatte als Kind der schwarzen Unterschicht keine Gelegenheit, ihre Stimme ausbilden zu lassen, und dennoch überzeugte sie in rasantem Tempo Publikum, Presse und Jazz-KollegInnen von der Kraft und Schönheit ihres Gesangs. Einmal zum Mikrophon gegriffen, musste sie bald nicht mehr wie zuvor als Reinigungskraft arbeiten, sondern wurde nicht mehr aus den Clubs, den Studios und den Filmsets gelassen. Ein Engagement folgte dem anderen. Bis heute steht sie auf der Bühne und begeistert mit ihren wundervollen Jazz-Interpretationen und hoher Live-Präsenz.
Sehr unterschiedlich sind die Charaktere der portraitierten Frauen: Wenn man im ersten der Kurzfilme "Tiny & Ruby – Hell Divin´ Women" die Trompeterin und die Drummerin der International Sweethearts Of Rhythm erzählen hört, klingt vor allem die pure Lust am Musikmachen durch. Tiny Davis griff als Teenie zur Trompete und ließ sie so atemberaubend über den Dächern von Kansas City erklingen, dass niemandem ihr Talent entgehen konnte, auch wenn sie weit und breit die einzige Frau war, die dieses Instrument beherrschte.
Bald darauf begegnete sie der Drummerin Ruby Lucas. Zwischen den beiden Instrumental-Virtuosinnen war es nicht nur musikalisch Liebe auf dem ersten Blick. Zum Zeitpunkt des Drehs für diesen Kurzfilm sind sie seit 42 Jahren ein Paar. Lebhaft und temperamentvoll erzählen sie viele Anekdoten aus ihrem bewegten Leben. Besonderes Gewicht bekommt natürlich der Tag, an dem sie von Anna Mae Winburn entdeckt wurden. Sie ist die Gründerin der erfolgreichen Girl-Band und, zur Überraschung vieler, hellhäutig. Die International Sweethearts Of Rhythm sind der beste Beweis dafür, dass Musik zwar im Blut liegen kann, aber nicht in den Genen. Ganz verschiedene Hintergründe haben die einzelnen Big Band Mitglieder mitgebracht: Neben afroamerikanischen fanden sich mexikanische, angloamerikanische und karibische Hochtalentierte im Line Up des viel gebuchten Live Acts. Das brachte die für diese Zeit typischen Probleme mit sich: Die weißen MusikerInnen unter ihnen mussten sich für die Auftritte dunkel schminken, damit sie nicht wegen Vergehen gegen die Rassentrennung angezeigt werden konnten.
Der Fokus der drei Kurzfilme liegt aber nicht auf dem zeitgeschichtlichen Kontext, vielmehr lassen die FilmemacherInnen die auch im Alter hochcharismatischen Damen selbst zu Wort kommen, jedoch ohne den Film mit Interviews zu überlasten. Im Gegenteil, sorgfältig recherchierte Archivaufnahmen von Auftritten, Studiosessions, Fotografien der Venues und der Metropolen, die das Glück hatten, die Damen als Gäste begrüßen zu dürfen, und viele Momentaufnahmen aus dem quicklebendigen Club-Leben der 40er und 50er lassen nicht nur die Herzen von Jazz-LiebhaberInnen höher schlagen.
Viele ganz besondere Sequenzen bereiten zusätzliche Freude. Zum Beispiel, wenn Tiny an ihrem 78. Geburtstag in Gesellschaft vieler FreundInnen spontan zur Trompete greift und aufs Neue beweist, warum Louis Armstrong sie von den International Sweethearts Of Rhythm abwerben wollte. Ihre Tochter Dorothy Houston zeigt bei ihrem Fest, wie hervorragend ihre Stimme die Tiefe des Blues einfangen kann.
AVIVA-Tipp: Die Welt des Jazz fasziniert immer wieder durch musikalische Vielfalt, Intensität der eingesetzten Instrumente und rebellischer Lebensfreude der InterpretInnen. Das alles spiegelt sich in jeder Sequenz dieser DVD und wird besonders bereichert durch die Einzigartigkeit der für die damalige Zeit seltenen weiblichen MusikerInnen. Durch ihren Mut, ihre Tatkraft und ihre Kreativität haben sie Steine ins Rollen gebracht, die später den Boden für Frauen im Musik-Business leichter begehbar machten.
Frauen im Jazz
Regie: Greta Schiller, Andrea Weiss
Salzgeber & Co. Medien GmbH, Reihe GAY CLASSICS
Laufzeit: 108 Minuten
FSK: ab 12 Jahren
VÖ: Oktober 2007
www.gayclassics.de