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Beitrag vom 11.07.2007
Calling Hedy Lamarr
Clarissa Lempp
Hedy Lamarr galt als die schönste Frau der Welt und war die Erfinderin der Frequenzsteuerung, die Grundlage für die Mobiltelefonie. Eine Dokumentation über die vielleicht klügste Frau in Hollywood…
Die legendäre Hollywood-Diva Hedy Lamarr (alias: Hedwig Maria Kiesler, geboren am 9. November 1914), war einst die schönste Frau der Welt und auch die erste Frau die vollkommen nackt in einem Film auftrat ("Ekstase", 1933). Nach ihren ersten Versuchen im europäischen Kino ging die Wienerin in die USA, wo sie neben ihrer Hollywoodkarriere das sogenannte frequency hopping (Frequenzsprungverfahren) weiter entwickelte, das heute die Grundlage aller Mobiltelefonie bildet. Mit dem Alter verlagerte Hedy Lamarr ihre sozialen Kontakte hauptsächlich auf Telefongespräche und diese Form der Kommunikation ist auch der Ansatzpunkt des Films: Calling Hedy Lamarr.
Der Film zeigt die Menschen, die telefonisch in Kontakt mit Hedy standen, ihr Sohn, kurioser Weise Verkäufer für Mobiltelefone, ihre Tochter, Freundinnen, ein Boulevardjournalist, Mitglieder einer Familie aus Florida mit denen Lamarr zuletzt Kontakt hatte. Und sie alle reden in fiktiven Telefongesprächen miteinander über Hedy, von ihr und schließlich mit ihr. Es werden Filmausschnitte gegeneinander geschnitten oder mit den Bildern der Telefonierenden kombiniert, wodurch überraschende und abenteuerliche Verknüpfungen entstehen. Ihr Sohn Anthony Loder träumt davon, das Leben der Mutter zu verfilmen und leistet in gestellten Castings gleichzeitig Vergangenheitsbewältigung. So stehen ihm dann auch prompt die Tränen in den Augen, als eine der Bewerberinnen für die gealterte Hedy sich in ihrer Rolle für ihre Ungerechtigkeit und Abwesenheit als Mutter bei ihm entschuldigt.
"Any girl can be glamorous. All you have to do is stand still and look stupid."
(Jedes Mädchen kann glamourös sein. Du musst nur still stehen und dumm dreinschauen.)
Hedy Lamarr
Als Schauspielerin waren ihre größten Rollen eher die des dekorativen weiblichen Beiwerks, zum Beispiel als Delilah in Cecil B. DeMilles "Samson und Delilah" . Dieses Bewusstsein um den Wert der eigenen Wohlgestalt steigerte sich mit dem Prozess der Alterung, Hedy Lamarr unterzog sich verschiedenen Schönheits-OPs. Einige missglückten und entstellten sie. Die späteren Aufnahmen zeigen dies sehr deutlich. Wahrscheinlich auch mit ein Grund warum sie sich später vollkommen aus der Öffentlichkeit zurückzog. Was aber blieb, war ihr Erfindungsdrang. Zahlreiche Skizzen und Patentanträge beweisen den Ideenreichtum Lamarrs, der nicht unbedingt aus einer fundierten naturwissenschaftlichen Bildung basiert, bezeichnete sie selbst doch viele der technischen Details als "Dingsbums".
Das Bild, das sich nach und nach von Hedy Lamarr zeichnet, entschlüsselt aber nicht ihr mythenumwobenes Wesen. Eine Hollywoodschönheit, die sich als Gegnerin des Nationalsozialismus, sie selbst war jüdischer Abstammung, im 2. Weltkrieg auf die Seite der Alliierten stellte und ihnen ihre 1942 patentierte Funkfernsteuerung für Torpedos anbot. Die sechs Ehemänner und zahlreiche Liebhaber hinter sich ließ und ihren Lebensabend allein und zurück gezogen in Florida verbrachte. War sie am Ende vielleicht wirklich eine Art Mata Hari, wie der Boulevardjournalist vermutet, eine Spionin wie ihre Rolle der unwiderstehlichen Lily Dalbray in "My favourite Spy"?
Die Schlussszenen zeigen Anthony Loder, Hedy Lamarrs Sohn aus dritter Ehe, auf seinem Weg, die Asche seiner 2000 verstorbenen Mutter testamentgemäß nach Wien zu überführen. Er frägt den Wiener Taxifahrer ob denn Lamarr noch bekannt sei? "Ah schuhr", antwortet der im wienerisch-englisch und erzählt gleich schwelgerisch, dass sie einstmals die schönste Frau der Welt war...
AVIVA-Tipp: Calling Hedy Lamarr beeindruckt durch seinen feinfühligen und humorvollen Umgang mit den vielen Parallelleben dieser Frau. Der Film lässt entdecken, erlaubt sich zu hinterfragen und schafft dies, ohne die Persönlichkeit und die Haltung dieser zuweilen doch exzentrischen Hollywood Diva anzugreifen. Ein erstaunliches, aufrichtiges und kurzweiliges Portrait einer eigenwilligen Frau.
Calling Hedy Lamarr
Bundesrepublik Deutschland/Österreich/UK, Produktion Hanfgarn & Ufer
Mitwirkende: Hedy Lamarr (Hedwig Kiesler), Anthony Loder, Denise Loder-DeLuca, Edie Stansel, Charles Stansel, u.a.
Buch/Regie: Georg Misch
Kamera: Jon Sayers
75 min., 35mm, s/w und Farbe
Originalversion (dt., engl.) mit dt. Untertiteln
Kinostart 12. Juli 2007