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Beitrag vom 29.05.2007
Das F-Wort. Feminismus ist Sexy - Mirja Stöcker im Interview
Stefanie Denkert
Die Herausgeberin Mirja Stöcker spricht mit AVIVA über die neue Feminismusdebatte, das Aufbrechen von Klischees rund um das F-Wort und warum Frauen und Männer dadurch sexy werden.
AVIVA-Berlin: Gratulation zu dem von Ihnen im Ulrike Helmer Verlag herausgegebenen Buch "Das F-Wort. Feminismus ist sexy". Die TAZ hat ihr Buch gelobt, und einige Beiträge sind sogar bei Spiegel Online vorab veröffentlicht wurden. Haben Sie mit so einer starken Resonanz gerechnet?
Mirja Stöcker: Dankeschön! Das Buch steht für eine neue, zeitgemäße Herangehensweise an Feminismus, es bringt frischen Wind in die Debatte. Ich bin tatsächlich davon ausgegangen, dass dieses neue "F-Wort" Gehör finden würde. Dass es bislang ausschließlich positive Reaktionen gab, hat mich dann aber doch überrascht.
AVIVA-Berlin: Wir befinden uns in einer widersprüchlichen Zeit, was den Feminismus angeht - zum einen gibt es den biologistischen Backlash -ganz medienwirksam von Eva Herman angeführt, auf der anderen Seite haben wir die erste deutsche Kanzlerin -zwar konservativ, aber mittlerweile frauenbewusst und dazu noch eine konservative Familienministerin, die sich für alte feministische Ziele, wie ausreichende Kinderbetreuung, einsetzt. Mit welcher Intention also haben Sie gerade jetzt "Das F-Wort" herauszugeben? Gab es einen "Auslöser" dafür oder haben Sie das Thema schon lange mit sich herumgetragen?
Mirja Stöcker: Die Zeit war schon lange reif für eine neue Feminismusdebatte. Viele Errungenschaften der zweiten Feminismuswelle hatten die gesamte Gesellschaft durchdrungen. Das hatte aber auch eine gewisse Bequemlichkeit zur Folge. Und natürlich gab es Gegenbewegungen, während so manches Ziel noch lange nicht erreicht war. Die sich wandelnden wirtschaftlichen und kulturellen Rahmenbedingungen verlangen indes neue Antworten und vor allem einen neuen Stil feministischen Argumentierens und Handelns. Nach der Eva Herman-Debatte war das öffentliche Interesse so groß wie lange nicht mehr. Das war also der richtige Zeitpunkt. Daneben hadere ich aber schon seit langem damit, dass über Feminismus und über Frauen und Männer auch heute noch hauptsächlich Klischees à la "Warum Männer nicht zuhören und Frauen nicht einparken können" im Umlauf sind. Dazu gehört auch der typisch deutsche Mythos von der Rabenmutter. In den Medien werden diese Klischees gern reproduziert, und so mangelt es vielerorts immer noch an Wissen über die Geschlechter und über Feminismus. "Das F-Wort" räumt mit diesen Klischees auf und zeigt Frauen und Männern, welche Freiräume ihnen Feminismus erst ermöglicht und dass sie sich mit Klischeeglauben vor allem selbst im Wege stehen.
AVIVA-Berlin: Deutschland hinkt in Sachen Feminismus und Geschlechterfragen anderen Ländern hinterher. In den USA, zum Beispiel, gibt es schon seit Anfang der 1990er eine dritte Welle der Frauenbewegung. Haben Sie während Ihres Studiums oder für Ihr Buch einen Blick ins Ausland geworfen, sich womöglich an anderen feministischen Theoretikerinnen orientiert? Falls ja, an welchen? Alternativ, falls das nicht zutrifft, wer sind Ihre Vorbilder?
Mirja Stöcker: Sicher wurde ich stark geprägt u.a. von Judith Butlers "Unbehagen der Geschlechter". Aber "Das F-Wort" ist ja kein theoretisches Buch für die akademische Diskussion. Hier geht es den AutorInnen und mir darum - unter der Bedingung der hierzulande vorhandenen Berührungsängste in Sachen Feminismus - Frauen und Männern das Freiheits- und Gestaltungspotential zu zeigen, dass das böse F-Wort mit sich bringt.
AVIVA-Berlin: Wie sind Sie auf den Titel "Das F-Wort" gekommen, der ja auf sehr witzige Weise darauf anspielt, dass Feminismus ein Schimpfwort ist. Und: Warum finden Sie, wie ihr Untertitel besagt, dass Feminismus sexy ist? Sind Feministinnen entgegen des Klischees auch sexy?
Mirja Stöcker: Das Buch "Das F-Wort" zu nennen, lag für mich nahe. Den Begriff Feminismus konnte man ja lange kaum in den Mund nehmen, ohne schräg angeguckt zu werden. Vom "F-Wort" zu reden, schafft eine ironische Distanz, ohne sich jedoch tatsächlich abzugrenzen. So gewinnt man einen Raum, in dem man wieder mit Spaß über Feminismus diskutieren kann. Denn das ist mir wichtig: Der neue Feminismus, der hier sichtbar wird, baut selbstverständlich auf vorhandenem feministischem Wissen auf. Und er legt den Akzent auf Freiheit und Freude - auch F-Wörter - jeder einzelnen Frau. Und die damit verbundene Sexyness ist für mich eigentlich eine Selbstverständlichkeit: Mehr Feminismus heißt mehr freie, selbstbewusste Frauen, und das wiederum heißt mehr Lust und Freude im Leben von Frauen -- und damit letztlich auch im Leben von Männern.
AVIVA-Berlin: Die meisten Frauen erfahren in ihrem Leben früher oder später Sexismus, und wenden sich dennoch nicht den Feminismus zu, um nach Erklärungsmodellen zu suchen. Wie sind Sie zum Feminismus-Fan geworden und wie würden Sie in einem Satz versuchen, anderen das F-Wort schmackhaft zu machen?
Mirja Stöcker: Ich bin tatsächlich gar nicht über ein konkretes Sexismus-Erlebnis zum Feminismus gekommen, obwohl ich strukturelle und konkrete Ungerechtigkeiten immer schon stark wahrgenommen habe. Die Erfahrung von Freiheit in Sachen Geschlecht möchte ich vielmehr in den Vordergrund stellen: Lasst Euch nicht in geschlechtliche Zwangsjacken stecken, erweitert Eure Persönlichkeit und z.B. auch Eure Partnerschaften, indem Ihr Euch mit Feminismus beschäftigt. Mehr Feminismus = zufriedenere Frauen. Und in der Konsequenz, davon bin ich überzeugt, auch zufriedenere Männer!
AVIVA-Berlin: Stellen Sie sich vor, morgen wäre Ihr erster Tag als Bundeskanzlerin. Welches Gesetz würden Sie sofort erlassen oder abschaffen? Was würden Sie verändern?
Mirja Stöcker: Oh da muss ich mich erst mal mit mir bekannten feministischen RechtstheoretikerInnen beraten (lacht) ... Mein Gebiet sind ja eher die Diskurse. Gesetze allein ändern die Vorstellungen in den Köpfen nicht. Aber Ansatzpunkte gäbe es wohl genug: Ehegattensplitting, gleicher Lohn für gleiche Arbeit - und vielleicht eine Nackte-Männer-Quote in der Werbung? (lacht wieder)
AVIVA-Berlin: Dürfen wir mit mehr Aufklärungsarbeit von Ihnen rund um das F-Wort rechnen oder sind Sie mit ihrer Arbeit im Lektorart/PR beim Ulrike Helmer Verlag genügend ausgelastet? Was wird Ihr nächstes Projekt/Buch sein?
Was sind Ihre Ziele für die Zukunft?
Mirja Stöcker: Am F-Wort bleibe ich selbstverständlich dran, das lässt eine(n) eh nicht mehr los, wenn man erst mal damit angefangen hat! Wie das nächste Projekt aussehen wird und wann es kommt - da will ich mich jetzt nicht festlegen.
AVIVA-Berlin: Vielen Dank für das Interview und weiterhin alles Gute für die Zukunft!
Zu Mirja Stöcker:
Mirja Stöcker studierte Germanistik, Philosophie und Psychologie in Marburg. Sie ist im Ulrike Helmer Verlag verantwortlich für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, sowie für das Lektorat. Mirja Stöcker ist zudem Mitglied bei den "BücherFrauen" - Women in Publishing, einem beruflichen Netzwerk für Frauen aus Buchhandel, Verlagen, Agenturen und allen anderen Arbeitsbereichen rund ums Buch.
Lesen Sie auch unsere Rezension von "Das F-Wort. Feminismus ist Sexy" auf AVIVA.