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Beitrag vom 13.07.2008
Johanna - eine Dresdner Ballade – von Freya Klier
Sharon Adler
Der Dokumentarfilm erzählt sensibel und behutsam und absolut authentisch die erschütternde Lebens- und Leidensgeschichte der mutigen Dresdnerin Jüdin Johanna Krause.
Johanna Krauses Geschichte ist eine, bei der man weinen muss. Und es ist gleichzeitig eine Geschichte, vor der man sich verbeugt. Vor einer kleinen, großen, mutigen Frau, deren Leben voller Trauer, aber auch Mut, Liebe und Trotz, Standhaftigkeit und Überlebenswillen gekennzeichnet war.
Der Autorin und Regisseurin Freya Klier ist es zu verdanken, dass diese Geschichte keine namenlose bleibt, dass sie aufgespürt, aufgezeichnet und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Außerdem erschienen ist das Leben der Johanna Krause in Buchform, geschrieben von den Autorinnen Carolyn Gammon und Archäologin Christiane Hemker.
Johannas Geschichte
Am 23. Oktober 1907 als uneheliche Tochter einer ungarischen Jüdin und eines deutschen Fabrikanten geboren, erinnert sich Johanna auch Jahrzehnte später in den Interviews an ihre Kindheit und Jugend, an ihre Träume und Hoffnungen. Doch es kommt anders.
Nach einer schwierigen Kindheit und Jugend wird die junge Dresdnerin Johanna Krause, die so gern Tänzerin geworden wäre, 1934 wegen "Führerbeleidigung" verhaftet. Einige Monate später will der brutale NS-Polizist Herbert Ossmann die Jüdin vergewaltigen und stößt sie später in die Elbe.
1935 wird sie zusammen mit ihrem nichtjüdischen Mann Max wegen Verstoßes gegen die Rassengesetze erneut verhaftet und später zur Zwangsarbeit gezwungen. Sie ist bereits im achten Monat schwanger, als die Nazis ihr Kind abtreiben und Johanna sterilisieren.
1944 wird sie ins KZ Ravensbrück verbracht, wo sie nur durch einen Registrierfehler der Gaskammer entgeht. Sie überlebt drei Konzentrationslager und den Todesmarsch, ehe sie schwerkrank nach dem Krieg nach Dresden zurückkehrt, um ihren Mann zu suchen.
Das Ehepaar Krause engagiert sich in den 50er-Jahren beim Aufbau der DDR, Johanna arbeitet in Gaststätten, Max, der Maler, ist in der Partei aktiv. Bald schon holt Johanna die Vergangenheit ein. Als sie eines Tages den neuen Parteisekretär bedienen soll, erkennt sie in ihm den SS-Offizier, der 1934 versucht hatte, sie zu vergewaltigen und zu ertränken. Bei dem Versuch, ihn anzuklagen, wird sie diesmal von der DDR-Obrigkeit verfolgt. Johanna ist erneut antisemitischen Attacken ausgesetzt und kommt zusammen mit ihrem Mann 1957 wegen ´Staatsverleumdung´ wieder in das Gefängnis in dem sie früher schon wegen ´Rassenschande´ einsaß.
Nach dem Zusammenbruch der DDR hatte Johanna gehofft, vollständig rehabilitiert zu werden, was aber nicht gelang. Erst durch die Recherchen von Freya Klier in der Gauck Behörde und im Document Centre erhielt sie Einsicht in ihre Stasi-Akten und wurde schließlich in Karlsruhe rehabilitiert.
Auf der Homepage von Freya Klier findet sich ein Hinweis auf das "elfte Gebot":
"Du sollst Dich erinnern" steht dort geschrieben.
Mit der Recherche und der Arbeit an "Johanna - eine Dresdner Ballade" hat Freya Klier, selbst Verfolgte eines Regimes, sich erinnert. Mehr noch, sie hat der Dresdnerin Jüdin Johanna Krause die Möglichkeit gegeben, ihre ein ganzes Jahrhundert umspannende, von vielen Tiefen und wenigen Höhen gekennzeichnete, Biografie zu erzählen.
Zur Filmemacherin: Freya Klier wurde 1950 in Dresden geboren, lernte nach dem Abitur Maschinenbauzeichnerin. Später studierte sie Theaterwissenschaften, Schauspiel und Regie. Bis 1985 Schauspielerin und Regisseurin an diversen Theatern der DDR, unter anderem am Staatstheater Dresden. Gründungsmitglied der unabhängigen Friedensbewegung. Ende der Sechziger wurde sie wegen "Republikflucht" zu 16 Monaten Haft verurteilt und erhielt Berufsverbot. 1988 wurde sie mit ihrem damaligen Ehemann Stefan Krawczyk ausgebürgert, ihre Manuskripte wurden beschlagnahmt. Freya Klier lebt heute als freischaffende Autorin und Regisseurin in Berlin-Steglitz, schreibt Bücher, dreht Filme und engagiert sich in der Jugendarbeit.
Veröffentlichungen (Auszug): "Gelobtes Neuseeland. Fluchten bis ans Ende der Welt" (Aufbau Verlag, Berlin 2006), "Abreißkalender - Ein deutsch-deutsches Tagebuch" (Aufbau Verlag, Berlin 2006), "Die Kaninchen von Ravensbrück" (Edition Nach-Lese, 2002), "Wir Brüder und Schwestern. Geschichten zur Einheit" (Ullstein Verlag, Berlin 2000), "Verschleppt bis ans Ende der Welt" - Schicksale deutscher Frauen in sowjetischen Arbeitslagern" (Ullstein Verlag, Berlin 1996).
Weitere Infos und Kontakt unter: http://freya.klier-art.de
AVIVA-Tipp: Sensibel und behutsam zeichnet die Filmemacherin Freya Klier ein authentisches Bild der mutigen Dresdner Jüdin Johanna Krause. Ganz dicht dran und doch niemals aufdringlich bewahrt sie deren Würde, während diese das unfassbar Schreckliche vor der Kamera erzählt.
"Johanna - eine Dresdner Ballade" (1996)
MDR
Dauer: 30 Minuten
(Vorführbar im Betacam SP- und VHS- Format)
Anfragen für Veranstaltungen und Kopien des Films für Vorführungen richten Sie bitte direkt an Freya Klier unter: coromandel33@gmx.de
Lesen Sie auch unsere Rezension "Zweimal verfolgt - Eine Dresdner Jüdin erzählt" von Carolyn Gammon und Christiane Hemker.