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Jüdisches Leben
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Beitrag vom 12.06.2003
Junge FilmemacherInnen zeigen ihre zeitkritischen Werke
Anja Kesting
"Being Different" lautet das Motto des 9. Berlin Jewish Film Festivals. Vom 15. bis 25. Juni 2003 werden achtzehn Filme von jüdischen RegisseurInnen aus acht Ländern gezeigt
Nach dem Motto einer jüdischen Redensart "Juden sind genau wie andere Menschen auch, nur ein bisschen mehr" findet in Zusammenarbeit mit der Jüdischen Volkshochschule und unter der Leitung von Nicola Galliner vom 15. bis zum 25. Juni 2003 das 9. Berlin Jewish Film Festival statt. Gezeigt werden achtzehn Filme aus acht Ländern, die zum größten Teil als Deutschlandpremieren zu sehen sein werden.
Das Berlin Jewish Film Festival eröffnet am 15. Juni um 19 Uhr mit dem Film "Girafot". Das Regiedebut des Schauspielers Tzahi Grad schildert die Schicksale dreier junger Frauen, die im selben Mietshaus einer Großstadt wohnen und deren Leben an einem Abend voller Turbulenzen auf den Kopf gestellt wird. Abigail, eine Reporterin, besteigt ein Auto, mit dem eigentlich die Schauspielerin Dafna für Filmaufnahmen abgeholt werden soll. Dafna hingegen nimmt den Wagen von Avner - dem Blind Date von Efrat, einer Sekretärin. Die wiederum bleibt allein und irrt schließlich ziellos durch die Straßen der Stadt. Die Verwechslungen führen zu einer Abfolge dramatischer Ereignisse, die in einem Mord kulminieren und das Leben aller Beteiligten schlagartig verändern.
Anschließend wird ab 21 Uhr die Frage behandelt: War der "King" koscher? Die Ururgroßmutter von Elvis Presley soll jüdisch gewesen sein. Diese Behauptung führt eine zusammengewürfelte Gruppe aus Montreal, bestehend aus einem ultraorthodoxen jüdischen Elvis-Imitator, einem Rabbi und den Produzenten des Films nach Memphis, wo man herausfinden will, was die Elvis-Fans von dieser Enthüllung halten. Hat er doch, so sagt man, einen Chai-Anhänger, einen jüdischen Glücksbringer, getragen! Doch die Reise endet in Zank und enttäuschten Erwartungen: der im tiefen Süden vermutete Antisemitismus ist nicht feststellbar. So macht sich Frustration breit... Witzig, spannend und voll bösem Humor beschäftigt sich "Schmelvis" mit Star-Kult, Judentum und religiösen Ideen.
Schmelvis: Searching for the King´s Jewish Roots
Regie: Max Wallace, Kanada 2001, Video, 76 min., Englische OV, Deutschlandpremiere
Einen kurzen Überblick des Festivals veröffentlichen wir hier für Sie
Montag, 16. Juni, 19 Uhr:
"Amy´s Orgasm" Der Film wurde mit dem Publikumspreis "Bester Spielfilm" des Santa Barbara International Film Festival ausgezeichnet.
Regie: Julie Davis, USA 2000, 86 min., englische OV, Deutschlandpremiere
Montag, 16. Juni, 21 Uhr
Jiddish Love Story - Der Titel bezieht sich auf das UFA-Melodram von 1942
"Die große Liebe". Dieser Film war ein Kassenerfolg und der wohl berühmteste Film von Zarah Leander. Diane Nervens Neufassung entwickelt eine Liebesgeschichte zwischen Zarah Leander und Marlene Dietrich, wobei die nahtlos ineinander übergehenden Szenen der beiden Diven aus alten UFA- und Hollywood-Produktionen stammen und die Dialoge jiddischen Filmen der 30er und 40er Jahre entnommen sind.
Regie: Diane Nerven, USA 2003, Jiddisch mit englischen UT - 10min.
Nikita Kino - der Regisseurin Vivien Ostrowski.
Frankreich 2002, 40 min., Englisch/Russisch mit englischen UT, Deutschlandpremiere
Women talking about Adolf Hitler - Eine Parodie auf klassische Talking-Heads-Dokumentarfilme. Der Film zeigt eine Reihe von Frauen, die - wie der Titel besagt - über Adolf Hitler sprechen
Regie: Tamy Ben Tor, Israel 2003, Englische OV, Gast: Regisseurin Tamy Ben Tor
Dienstag 17. Juni, 19 Uhr
Primetime War II - Dieser Dokumentarfilm schildert den Alltag von Kameraleuten in Israel: Israelis und Palästinenser, die schon immer dort leben, und Ausländer. Im Vordergrund steht das Schicksal des Israeli Alon Bernstein, der für AP arbeitet, und des Palästinensers Naji Dana, der für eine französische Nachrichtenagentur in Hebron tätig ist.
Regie: Noam Shalev, Israel 2002, 55 min., O mit engl. UT, deutsch eingesprochen Deutschlandpremiere
Gäste: Noam Shalev im Gespräch mit Igal Avidan, Israelkorrespondent in Berlin und Esther Schapira, Hessischer Rundfunk (angefragt).
21 Uhr
ReConstruCtion Im Jahr 1959 wurde die Großmutter der Filmemacherin für ihre Beteiligung an einem Banküberfall durch die "Ioanid-Bande" zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Vierzig Jahre später geht dieser Film allen Verästelungen eines Verbrechens und eines politischen Prozesses nach, die zu den umstrittensten in der Geschichte des Kommunismus in Rumänien zählen. Regisseurin Irene Lusztig fügt Interviews und Archivmaterial zu einer bewegenden kollektiven Geschichte und einem einfühlsamen Porträt der Großmutter zusammen.
Regie Irene Lusztig, Rumänien/USA 2001,Video, 90min., O mit engl. UT
Mittwoch 18. Juni, 18 Uhr
JOSEPH BRODSKY - Auf einer Lesereise 1983 in Hamburg sagte der Nobelpreisträger Joseph Brodsky über sich: "Ich bin ein schlechter Jude, ein schlechter Russe, ein schlechter Amerikaner, aber ein guter Poet." Brodsky, 1940 in Leningrad geboren, ist Sohn russisch-jüdischer Eltern. An diesem Filmabend mit Videodokumentationen, darunter "Brodsky in Venedig" (mit englischen Untertiteln) liest Juri Vexler aus den autobiographischen Erinnerungen. Außerdem erzählen Journalist Peter Weil und Kritikerin/ Übersetzerin Birgit Veit von ihren Begegnungen mit dem Autor. Gedichte von Brodsky werden auf Russisch und auf Deutsch gelesen.
Mittwoch 18. Juni, 21 Uhr
A Trumpet in the Wadi. Der Film basiert auf einem Roman von Sami Michael, einem Klassiker der modernen israelischen Literatur.
Regie: Lina und Slava Chaplin, Israel 2001, 97min., O mit englischen UT, deutsch eingesprochen
Sonntag 22. Juni, 19 Uhr
Ford-Transit - Dokumentarfilm über den Alltag des jungen Taxifahrers Rajai, der täglich auf seiner Fahrt von Ost-Jerusalem nach Ramallah mit Straßenabsperrungen und Grenzen, Umleitungen und Abkürzungen zu kämpfen hat.
Regie: Hany Abu-Assad, Niederlande / Palästina 2002, 80 min., arabisch/hebräische OV mit englischen UT, deutsch eingesprochen
Deutschlandpremiere. Einführung:
Silke Tempel, langjährige Nahostkorrespondentin der "Woche" in Israel
Sonntag 22. Juni, 21 Uhr
My Terrorist - Der Film beginnt in den 1970er Jahren und erzählt die Geschichte der Regisseurin.
Regie: Yulie Cohen Gerstel, Israel 2002, Video, 60 min. Hebr. Original mit englischen UT, deutsch eingesprochen
Montag 23. Juni, 19 Uhr
The Collector of Bedford Street Larry Selman, 59 Jahre alt und geistig behinderter Aktivist aus dem New Yorker Stadtteil Greenwich Village, hat mehr als 125.000 Dollar an Spenden für gemeinnützige Organisationen gesammelt. Um Vorsorge für sein Alter zu treffen, starten seine Nachbarn, unter ihnen die Regisseurin Alice Elliot, eine Kampagne, um einen kommunalen Verband für ihn zu schaffen. Der Film erhielt eine Oskar-Nominierung.
Regie Alice Elliot, USA 2001, 34 min., OV, Deutschlandpremiere
BLESSINGS - Am 11. Mai 2000 erhielten Shulamit (72 Jahre), Ilana (60 Jahre) und Batya (20 Jahre) ihre Bat Mitzvah in der Kol Haneshama, einer reformierten Synagoge von Jerusalem. Die Ungewöhnlichkeit dieses Ereignisses resultiert nicht allein aus dem Alter der drei Frauen. Shulamit, Ilana und Batya wohnen in Magen, einem Heim für entwicklungsgestörte Erwachsene in Jerusalem. Der Film folgt ihnen bei ihren Vorbereitungen zur Bat Mitzvah und schließlich auf ihrem Weg zur Synagoge. Auf liebevolle Weise erfahren wir von ungewöhnlichen Charakteren und nicht zuletzt auch von einem Umgang mit ihnen, der durch die Überwindung von Schranken geprägt ist.
Regie: Paula Weiman-Kelman, Israel 2002, 46 min., Video, Hebr. OV mit englischen UT, Gast: Paula Weiman-Kelman, Deutschlandpremiere
Montag 23. Juni, 21 Uhr
Secret Lives: Hidden Children & their Rescuers During World War II Erzählt wird die Geschichte jüdischer Kinder, die von Nichtjuden unter großem persönlichen Einsatz vor den Nazis gerettet und versteckt wurden. Ob es dabei um Monate oder Jahre ging: die Erfahrungen haben sowohl die versteckten Kinder als auch ihre Retter tief und für immer geprägt. Produzentin, Regisseurin und Sprecherin dieses Dokumentarfilms ist die Oskar-Preisträgerin Aviva Slesin, selber einst ein vor den Nazis verstecktes Kind.
Regie: Aviva Slesin, USA 2002, Video, 72 min., engl. OV, Deutschlandpremiere
Dienstag 24. Juni, 19 Uhr The Hebrew Hammer
Zwischen Action-Film, Slapstick und Comedy angesiedelt wartet dieser Film des 28jährigen Autors und Regisseurs Jonathan Kesselman mit einer Überraschung auf, wie sie bisher weder Hollywood noch dem Off-Hollywood-Kino gelang: einem starken jüdischen Action-Helden mit Schläfenlocken und Sex-Appeal. Dabei arbeitet er hemmungslos mit Übertreibungen und Klischees, nichts für empfindsame Gemüter. Im Frühjahr 2002 wurde der Film in nur viereinhalb Wochen an 33 Drehorten in New York aufgenommen.
Regie: Jonathan Kesselman, USA 2003, 85 min., OV, Deutschlandpremiere
Gast: Jonathan Kesselman
Dienstag 24. Juni, 21 Uhr Paradise Grove
Eine Geschichte zwischen Komödie und Tragödie: Keith Perry, neunzehn Jahre alt und von dunkler Hautfarbe, lebt und arbeitet in einem jüdischen Altersheim, das seiner Mutter gehört. Er sucht nach seinen jüdischen Wurzeln und will seinem Großvater Izzie Goldberg (Ron Moody, für seine Rolle in Oliver für den Oskar nominiert) näher kommen, doch der kann die Tatsache nicht akzeptieren, daß sein Enkel schwarz ist.
Regie: Charles Harris, Großbritannien 2002, 93 min., OV, Gast: Darsteller Ron Moody (angefragt)
Mittwoch 25. Juni, 19 Uhr Un Monde Presque Paisible (Almost peaceful)
Der Film beschwört das Frankreich der unmittelbaren Nachkriegszeit. In einer kleinen Damenschneiderei im jüdischen Schneiderviertel zwischen ratternden Nähmaschinen und Stoffresten, in einer Seitenstraße, in einem Eckcafé oder einem Hotelzimmer finden sich vier Frauen, fünf Männer und ihre Kinder zusammen, um wieder leben zu lernen. Die Erfahrungen des Krieges und des Holocaust haben unauslöschliche Wunden hinterlassen und doch sind alle fest entschlossen, ein neues Leben aufzubauen.
Regie: Michel Deville, Frankreich 2002, 93 min., O mit engl. UT, deutsch eingesprochen, Deutschlandpremiere
Mittwoch, 25. Juni, 21 Uhr La Verité Si Je Mens 2 (Would I LIe To YOU?, Teil 2) Nach dem außergewöhnlichen Erfolg seines Films "La verité si je mens" entschied sich der Regisseur Thomas Gilou vier Jahre später, eine Fortsetzung seiner Verwechslungskomödie über den arbeitslosen Nichtjuden Eddy Vuibert zu drehen, der durch ein Missverständnis für einen Juden gehalten und als solcher in die Gesellschaft des jüdischen Konfektionsviertels in Paris integriert wird. Im zweiten Teil nun lassen sich fünf finanziell unter Druck geratene Freunde von Eddy vom Leiter einer großen Supermarktkette auf ein scheinbar lukratives Geschäft ein. Fast zu spät erkennen sie den groß angelegten Betrug und holen gemeinsam zum Gegenschlag gegen den skrupellosen Gauner aus.
Regie: Thomas Gilou, Frankreich 2000, 105 min. O mit engl. UT, deutsch eingesprochen Deutschlandpremiere
Den weiteren Programmablauf zu dem breiten Spektrum von Dokumentar- und Spielfilmen finden Sie hier:
www.berlin-judentum.de/kultur/filmfestival-2003.htm
Einige der vorwiegend jungen FilmemacherInnen sind während des Festivals vor Ort im "Arsenal" und hätten somit die Gelegenheit selbst den Publikumspreis (dotiert mit 2000 Euro) entgegen zu nehmen. Alle BesucherInnen des Berlin Jewish Film Festival können nach der Vorführung durch Einwerfen einer Postkarte über Gefallen oder Nichtgefallen abstimmen. Die Auszeichnung, die zum zweiten Mal verliehen wird, ist nach einem Urgestein der Berliner Kinogründerszene, dem Gründer des legendären Capitols Dahlem benannt: Gerhard Klein. Weitere Informationen zum Schaffen des engagierten Cineasten finden Sie hier.