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AVIVA-BERLIN.de 3/3/5785 - Beitrag vom 06.01.2006


Israel ohne Scharon
Sarah Ross

Israels Ministerpräsident erlitt heute Morgen erneut Hirnblutungen und musste operiert werden. Nun bangen Israel und der Westen um den Gesundheitszustand Scharons und die Zukunft des Landes.




Am vergangenen Mittwochabend klagte Israels Ministerpräsident, Ariel Scharon, über Unwohlsein und wurde ins Hadassah Krankenhaus in Ein Kerem, nahe Jerusalem, eingeliefert. Innerhalb von drei Wochen erlitt Scharon den zweiten Schlaganfall mit Hirnblutungen und musste sich zwei Notoperationen unterziehen. Man geht auch davon aus, dass der seelische Druck, dem Scharon besonders in letzter Zeit ausgesetzt war, zu dem Vorfall geführt hat. Während der Krankenhausdirektor Shlomo Mor-Yossef gestern Mittag (05.01.2006) noch den Gesundheitszustand des Ministerpräsidenten, der in ein künstliches Koma gelegt wurde, als "ernst, aber stabil" bezeichnete, wurden heute Morgen (06.01.2006) bei einer Untersuchung wieder frische Einblutungen in das Gehirn festgestellt, und Ariel Scharon erneut in den Operationssaal verlegt. Nach einer mehrstündigen Operation konnten die Blutungen gestoppt und der Hirndruck gesenkt werden. Die ÄrztInnen kämpfen jedoch noch immer um das Leben Scharons. So die Meldungen der Nachrichtenagentur Reuters. Während Schlaganfall-ExpertInnen von einer ernsthaften Verschlechterung seines Zustands sprechen, da das Gehirn des 77-jährigen Regierungs-Chefs deutlich geschädigt wurde, richtete sich das Land bereits auf eine Zeit ohne Scharon an seiner Spitze ein.

Der stellvertretende Ministerpräsident Ehud Olmert (Kadima) hat derweil die Regierungsgeschäfte übernommen. Laut Verfassung kann Olmert die Amtsgeschäfte jedoch nur für maximal 100 Tage weiterführen. So sorgt sich Israel nicht nur um den Gesundheitszustand des Ministerpräsidenten, sondern auch um die politische Zukunft des Landes. Denn obwohl der sichtlich berührte Ehud Olmert versucht - drei Monate vor der geplanten Parlamentswahl am 28. März 2006 - die sich noch im Aufbau befindende Partei Kadima weiter zu stärken.

Warum gilt ausgerechnet der Hardliner, der "Bulldozer" Ariel Scharon nach Ansicht vieler KommentatorInnen laut Swissinfo als einziger Garant für den Frieden im Nahen Osten? Der Mann, der das Massaker von Sabra und Schattila mitzuverantworten hatte. Er war aber auch derjenige, der gegen den Widerstand seiner früheren Partei Likud, den Rückzug aus dem Gazastreifen weiter verfolgt und durchgesetzt hat. Weil er erkannt hat, dass nur im Realismus eine Chance besteht.
Scharon hinterlässt eine große Lücke in der Nahost-Friedens-Politik - die Aussichten im Nahost-Friedensprozess sind erneut völlig unklar.
"Politische Voraussagen im Nahen Osten von noch kürzerer Lebensdauer als Wettervorhersagen" schrieb Henryk M. Broder am 5. Januar 2006 in seinem Spiegel-Artikel "Scharon gegen Gott und Gott gegen alle".

Laut einer Meinungsumfrage der israelischen Tageszeitung "Ha´aretz" kann sich Scharons Partei Kadima jedoch nach wie vor der Unterstützung der Bevölkerung sicher sein. Auch mit anderen PolitikerInnen an der Spitze könnte Kadima circa 40 der 120 Sitze in der Knesset bekommen. Auch heute haben sich wieder Menschen in die Mitgliederliste der neuen Partei eintragen lassen. Sicherlich nicht zu unterschätzen ist der Einfluss der Sympathie für Scharons Situation auf das Ergebnis der Meinungsumfrage.

Der Direktor der Klinik, Mor-Yossef, sagte, dass Scharon die Regierungsgeschäfte wohl nicht mehr aufnehmen wird. US-Präsident George W. Bush, UN-Generalsekretär Kofi Annan, Bundeskanzlerin Angela Merkel, die britische Regierung, sowie die Präsidenten Frankreichs und Russlands, Jacques Chirac und Wladimir Putin, und auch der palästinensische Ministerpräsident Ahmed Kurei zeigten sich tief beunruhigt und wünschen Ariel Scharon eine schnelle Genesung. Die Hamas allerdings jubelt.

Weitere Inforationen finden Sie unter: www.swissinfo.org, de.today.reuters.com, www.haaretzdaily.com sowie unter http://berlin.mfa.gov.il.




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Beitrag vom 06.01.2006

Sarah Ross