Offener Brief der Jüdischen Studierendenunion Deutschland an den Präsidenten der Freien Universität Berlin, Prof. Ziegler - Aviva - Berlin Online Magazin und Informationsportal für Frauen aviva-berlin.de Juedisches Leben



AVIVA-BERLIN.de 3/19/5785 - Beitrag vom 13.02.2024


Offener Brief der Jüdischen Studierendenunion Deutschland an den Präsidenten der Freien Universität Berlin, Prof. Ziegler
AVIVA-Redaktion, JSUD

"Ziehen Sie endlich Konsequenzen gegen die Antisemiten!" Die JSUD prangert die antisemitischen Zustände an der Freien Universität Berlin und die damit verbundene unhaltbare Situation für jüdische Studierende an und stellt der Uni-Leitung unbequeme Fragen. Zu Recht.




AVIVA-Berlin unterstützt die Forderungen nach konsequentem Vorgehen gegen Antisemiten und Antisemitinnen an den Unis und Hochschulen und veröffentlicht an dieser Stelle den Offenen Brief der JSUD.

Offen und tolerant gegenüber Antisemiten – die Freie Universität Berlin
Sehr geehrter Herr Prof. Ziegler,

vor wenigen Wochen schrieb der Vizepräsident der Jüdischen Studierendenunion Deutschland, Noam Petri, einen offenen Brief aufgrund der desolaten Zustände an der Freien Universität Berlin an Sie. Wenige Tage später sollten Sie sich live in der RBB Abendschau begegnen. Noam Petri sagte aufgrund des Shabbats ab. Ein anderer Termin ließ sich leider nicht finden, sodass Petri vormittags vor Shabbat interviewt worden ist und Sie abends live reagierten.

In diesem kurzen Interview baten Sie Petri öffentlich ein Gespräch an, das er dankend angenommen habe. Geplant war ein Treffen am 25. Januar, indem Sie von ihrem Vizepräsidenten Herrn Prof. Chojnacki und Noam Petri von Lior Steiner, einem jüdischen FU-Studenten, begleitet werden würden. Bedauerlicherweise sagten Sie einen Tag vorher "aufgrund einer notwendigen terminlichen Umorganisation" ab und wollten einen neuen Terminvorschlag machen. Bis heute hat Petri keinen weiteren Terminvorschlag erhalten.

Zeitgleich erschien ein Artikel im Tagesspiegel (https://www.tagesspiegel.de/wissen/propalastinensischer-protest-an-der -freien-universitat-uni-leitung-unzufrieden-mit-berichterstattung-1110576 1.html), der von Ihrer Unzufriedenheit mit der Berichterstattung über Ihre Universität berichtete. Sie kommentierten eine Reportage des ZDF-Magazin "Frontal", in der Studenten Ihrer Universität zu Wort kamen, folgend: "Medial wird der Anschein erweckt, dass Antisemiten ungehindert auf dem Campus agieren. Das gibt ein falsches Bild wieder."

Wie schon den Ausschluss jüdischer Studenten während der Hörsaal-Besetzung ( www.fu-berlin.de/presse ) leugnen Sie nun die Tatsache, dass Antisemiten ungehindert antisemitische Plakate auf dem Campus verteilen oder Studenten bedrohen. Lügen etwa die Studenten?

Des Weiteren setzen Sie linksextreme, pro-palästinensische Hörsaalbesetzer mit pro-israelischen Studenten gleich. "Hingegen gibt es auf beiden Seiten des Konflikts eine sehr kleine Anzahl an Personen, die polarisieren und provozieren, die – das haben wir leider lernen müssen – nicht an Lösungen und Dialog interessiert sind."

Wenige Absätze später geben Sie zu, dass an der Besetzung externe Gruppen, wie "Young Struggle" und "ZORA" beteiligt waren. Die erste Gruppierung ordnet der Verfassungsschutz zu den "relevanten Akteuren des auslandsbezogenen Extremismus" (www.verfassungsschutz.de/SharedDocs) ein. Bei der zweiten Gruppierung fand Mitte Dezember eine Razzia aufgrund von Verherrlichung der palästinensischen Terrororganisation PFLP statt. (www.tagesspiegel.de)

Bei keiner Demonstration der überparteilichen Bewegung "Fridays for Israel" kam es zu Rechtsbrüchen oder Gewalt. Neben einigen Bundestagsabgeordneten sprach die Bundesministerin für Bildung und Forschung auf einer der vielen Demonstrationen. Bei den Veranstaltungen der neuen, überkonfessionellen Hochschulgruppe "Chaverim" (Hebräisch für Freunde) ist jeder willkommen. Am 25. Januar fand eine Podiumsdiskussion statt, die von einem Professor Ihrer Universität moderiert worden ist. Jeder war eingeladen, teilzunehmen und mitzudiskutieren. Erkennen Sie den Unterschied zwischen den zwei Lagern wirklich nicht?

Etwas später heißt es in ihrem Schreiben: "Wir nehmen die Sorgen jüdischer Studierenden ernst und ergreifen immer dann Maßnahmen, wenn wir sie für nötig und angebracht halten." Eine Exmatrikulation sei aufgrund des Berliner Hochschulgesetzes nicht möglich. Das Aussprechen eines Hausverbotes bleibt jedoch möglich. Ab wann halten Sie es für "nötig und angebracht", ein Hausverbot auszusprechen?

Reicht eine Hörsaalbesetzung, eine Kooperation mit extremistischen und terrorverherrlichenden Gruppierungen und Gewaltandrohungen gegen Studenten nicht aus?
Es wird noch schlimmer: In der Nacht von Freitag auf Samstag wurde ein jüdischer FU-Student von einem pro-palästinensischen FU-Studenten in Berlin-Mitte krankenhausreif geschlagen. "Wir sind tief betroffen. Die Freie Universität Berlin steht für Offenheit und Toleranz und distanziert sich von jeglicher Form von Hetze und Gewalt", heißt es unter einem Tweet von Noam Petri. Bisher erfolgte kein weiteres offizielles Statement.

Sehr geehrter Herr Prof. Ziegler,

die Freie Universität steht seit Monaten für Offenheit und Toleranz gegenüber Antisemiten. Bis heute verbreiten diese Antisemiten ihren Hass auf Ihrem Campus. Bis heute wurde kein Hausverbot ausgesprochen. Es ist eine Seite, die einen Hörsaal besetzt hat. Es ist eine Seite, die mit extremistischen Gruppen kooperiert. Es ist eine Seite, die nicht nur Gewalt androht, sondern jetzt auch anwendet. Hören Sie endlich auf, die Situation zu relativieren oder zu leugnen. Ziehen Sie endlich Konsequenzen gegen die Antisemiten!

Mit freundlichen Grüßen
Ihr JSUD-Vorstand

Mehr Infos

www.jsud.de
www.facebook.com/JSUDeutschland

Mehr zum Thema

Forderungspapier der JSUD zum Umgang mit Antisemitismus an Universitäten und universitätsnahen Einrichtungen, Jüdische Studierendenunion Deutschland (JSUD), Berlin, 09.11.2023

Fridays for Israel. FFI ist eine überparteiliche Initiative junger Menschen, die gemeinsam mit allen gesellschaftlichen und politischen Gruppen auf die Situation von jüdischem Leben in Deutschland und an unseren Universitäten sowie Schulen aufmerksam machen möchte. www.fridaysforisrael.com

"Werden deutsche Unis zu No-go-Areas? Jüdische Studierende klagen an"

Weiterlesen auf AVIVA-Berlin

Netzwerk jüdischer Hochschullehrender in Deutschland, Österreich und der Schweiz gegründet
In Deutschland, Österreich und der Schweiz hat der Antisemitismus an Hochschulen seit dem 7. Oktober dramatisch zugenommen. Jüdische Studierende, Lehrende und andere Hochschulangehörige fühlen sich an ihren Hochschulen nicht mehr sicher. (2024)


Jüdisches Leben

Beitrag vom 13.02.2024

AVIVA-Redaktion