Das "Positionspapier" von Jalta – Positionen zur jüdischen Gegenwart
Wir sprechen uns mit größter Entschiedenheit gegen die Gründung der Gruppe "Juden in der AfD" aus, die am 7. Oktober in Offenbach am Main stattfinden soll. Als jüdische Demokrat*innen in diesem Land setzen wir uns für eine plurale und vielfältige Gesellschaft ein, in der alle Menschen ohne Angst verschieden sein können und die aus der nationalsozialistischen Vergangenheit Lehren für Gegenwart und Zukunft zieht. Die Rhetorik und Praxis der AfD stehen diesem Anliegen diametral entgegen.
Wir widersprechen der offenkundig von einigen wenigen Jüd*innen vertretenen Auffassung, es könne in jüdischem Interesse sein, sich der AfD anzuschließen, um Einfluss auf ihre Ausrichtung und Politik zu nehmen. Im Gegenteil, wir erachten eine solche Parteinahme als große Gefahr für unsere Sicherheit, für jüdisches und damit untrennbar verbunden für migrantisches Leben in Deutschland. Wir erachten es als Gefahr für die Demokratie.
Denn die AfD ist eine Partei mit faschistischen Tendenzen, deren personelle und ideologische Nähe zu neonazistischen Organisationen seit Langem bekannt ist und mit dem sogenannten "Trauermarsch" von Chemnitz eine neue Qualität erreicht hat. Am 27. August 2018 wurde in Chemnitz ein jüdisches Restaurant von Neonazis angegriffen, mit denen der Thüringer Landesvorsitzende der AfD Björn Höcke nur wenige Tage später gemeinsam demonstrierte. Der Auftritt von Björn Höcke mit Pegida-Funktionär*innen und bundesweit bekannten Kadern der Neonaziszene war der vorläufige Höhepunkt einer systematisch betriebenen Radikalisierung der Partei, die schon seit längerem zu beobachten ist. Was wäre wohl mit jüdischen Demonstrationsteilnehmer*innen passiert? Welchen Platz und welche Funktion hätten sie bei einer solchen Veranstaltung einnehmen wollen?
Es ist kein Geheimnis, dass die AfD offen menschenfeindliche, rassistische und antisemitische Positionen vertritt. Das wurde wiederholt klar von verschiedenen Funktionär*innen der Partei artikuliert. Wichtige Parteifunktionär*innen wie Björn Höcke, Alexander Gauland und Alice Weidel treten darüber hinaus für eine "Kehrtwende in der Erinnerungskultur" ein. Höckes "Dresdener Rede" vom 17. Januar 2017 und Gaulands "Vogelschiss"-Provokation im Juni 2018 sind dabei nur Höhepunkte einer Politik, die die Grenzen des Sagbaren Stück für Stück ausweitet, den Diskurs über den Nationalsozialismus nach rechts verschiebt und einen erinnerungskulturellen Konsens angreift. Sie betreiben Geschichtsklitterung und relativieren die Shoah. Die jüngsten Provokationen einer Gästegruppe aus dem Umfeld Alice Weidels in der KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen sind nur ein weiteres Beispiel in einer ganzen Reihe. All das blieb ohne Konsequenz innerhalb der AfD. Dabei handelt es sich nicht nur um eine Verhöhnung der Opfer und Überlebenden der Shoah, sondern um einen Angriff auf unsere Demokratie, auf uns als Jüd*innen, auf alle Menschen, die in einer völkischen Ideologie als "anders" markiert werden. Die AfD will darüber hinaus durch ihre Forderungen, das Schächten und die Beschneidung zu verbieten, jüdisches und muslimisches Leben in Deutschland strukturell unmöglich machen.
Um es ganz klar zu sagen: In einer Gesellschaft, wie sie der AfD vorschwebt, sind alle Minderheiten und alle Demokrat*innen in Gefahr. Der Versuch, diese Ausrichtung der AfD von innen zu verändern, zeugt angesichts der Entwicklung der Partei von einer grotesken Selbstüberschätzung. Schlimmer noch: Er kann dazu beitragen, die AfD in den Augen vieler Menschen weiter zu normalisieren. Bei aller Radikalisierung zielen hierauf immer wieder Bestrebungen der AfD ab: Als normale bürgerliche Partei des demokratischen Parteienspektrums wahrgenommen zu werden. Eine jüdische Gruppe in der AfD kann hierfür als willkommene Legitimation und Unterstützung dienen – dem gilt es sich entschieden entgegenzustellen. Denn der streitbare Pluralismus politischer Überzeugungen innerhalb der jüdischen Gemeinschaft hat hier seine Grenze erreicht.
Wir rufen daher alle Jüd*innen dazu auf, sich aktiv für eine demokratische Gesellschaft einzusetzen und völkischen, rassistischen und menschenfeindlichen Positionen auch innerhalb der jüdischen Gemeinschaft zu widersprechen."
Wer dieses Positionspapier unterstützen möchte, kann sich unter der Adresse melden: jalta (at) neofelis-verlag.de
Jalta – Positionen zur jüdischen Gegenwart Micha Brumlik Marina Chernivsky Max Czollek Hannah Peaceman Anna Schapiro Lea Wohl von Haselberg
Unterzeichner*innen (Institutionen/Organisationen sowie Einzelpersonen, teils mit Funktionen in alphabetischer Reihenfolge)
Kompetenzzentrum für Prävention und Empowerment der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland Bildungsstätte Anne Frank, Frankfurt am Main Liberale Gemeine Gescher LaMassoret Köln, im Namen des Vorstands Leah Carola Czollek, Gudrun Perko und Corinne Kaszner für das Institut für Social Justice und Radical Diversity
Sharon Adler, AVIVA-Berlin Miriam Adlhoch Eri und Rachel Alfandari Julia Yael Alfandari Lena Altman, ehemalige langjährige Mitarbeiterin des AJC Marlon Amoyal, Mitglied der Liberalen Jüdischen Gemeinde Köln Adriana Altaras, Berlin, Autorin Daniel Bachrach Dr. Sandra Anusiewicz Baer Rafael Balling Luisa Banki Markus D. Baur, Rechtsanwalt Lorenz Beckhardt, Autor und Fernsehredakteur Leonid Belgorodski, Rechtsanwalt und Mitglied der jüdischen Gemeinde Frankfurt Barbara Bisicky-Ehrlich Benjamin Bloch, Mitglied des Vorstandes der Jüdischen Gemeinde Frankfurt am Main K.d.ö.R. Y. Michal Bodemann, PhD. Professor em. of Sociology, University of Toronto B. Bogucki-Land Amir Borenstein, Managing Director-Geschäftsführer Rachel De Boor Hermann Bredl-Sealtiel Yevgeniy Breyger Noam Brusilovsky Laura Cazès Jonathan Czollek Prof. Dr. Heike Deckert-Peaceman Dr. Irit Dekel, Friedrich Schiller Universität Jena und Humboldt Universität zu Berlin Emily Dische-Becker PD Dr. med. Imanuel Dzialowski Eva Ehrlich und Dr. Andrea Livnat, Herausgeberinnen von haGalil.com Jonas Fegert Benjamin Fischer, ehemaliger Präsident der Eurpean Union of Jewish Students und Gründungspräsident der Jüdischen Studierendenunion Deutschland Ruth Fischer Jo Frank, Leiter des Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerks Daniel Freund Chasan Leah Frey-Rabine J. Friedmann Prof. Michel Friedman, Publizist und Philosoph Günther B. Ginzel Roman Gleitman Alina Gromova Ilana Goldschmidt Juna Grossmann, Autorin Marc Grünbaum, Mitglied des Vorstandes der Jüdischen Gemeinde Frankfurt am Main K.d.ö.R. Barbara Guggenheim, Hamburg Yury Gurzhy, Musiker Myriam Halberstam, Verlegerin und Filmemacherin Dr. med. Daniel A. Heinrich Dr. Rodica Heinrich Dr. phil. Michael M.Heinzmann M.A. Dorothea Heymann-Reder Alex Hislop Dr K. Hannah Holtschneider, Senior Lecturer in Jewish Studies, University of Edinburgh Prof. Dr. Lena Inowlocki Nurith Isser Joela Jacobs Grischa Judanin Daniel Kahn, Sänger Sabine Kamp, Mitglied bei Gescher LaMassoret, jüdische liberale Gemeinde Köln Itamar Kastner, Berlin Alexandra Kattein Prof. Dr. Guy Katz Chasan Daniel Kempin, Kantor des Egalitären Minjan der Jüdischen Gemeinde Frankfurt a. M. Dan Kern Dr. Susanna Keval Grischa Khislavski Margarita Khusainova Prof. Dr. Doron Kiesel, Bildungsabteilung des Zentralrats der Juden in Deutschland Darja Klingenberg, Institut für Soziologie, Goethe Universität Frankfurt Lena Kolechstein Prof. Dr. Salomon Korn, Vorstandsvorsitzender der Jüdischen Gemeinde Frankfurt am Main K.d.ö.R. Dr. Dani Kranz Susanne Krause- Hinrichs Uri Kuchinsky Cilly Kugelmann Malin Kundi, Bildende Künstlerin/ Fotografin Sandra Kreisler Edmund Artmal Kundratek Dr. Sergey Lagodinsky, Repräsentant, Jüdische Gemeinde zu Berlin Armin Langer Eva Lapsker Prof. Dr. Leo Latasch, Mitglied des Vorstandes der Jüdischen Gemeinde Frankfurt am Main K.d.ö.R. Latkes*Berlin Dr. Roni Lehrer, Politikwissenschaftler Universität Mannheim Naina Levitan Andrea Livnat Valentina Marcenaro Karen Margolis, Autorin und Übersetzerin Sigalit Meidler-Waks M. A., Kunsthistorikerin und Judaistin Alessia und Henk Meijer Dr. Meron Mendel, Frankfurt am Main Sarah S. Michelis Cathy Miller, Business Breezer Consultant for Personal & Business Growth Igor Mitchnik Dr. med. Verena Mühlstein und Dr. Jan Mühlstein, Gräfelfing, Mitglieder der Liberalen Jüdischen Gemeinde München Beth Shalom und der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern Wolfram Nagel, freier Journalist Benjamin Nägele, Director of European Affairs B´nai B´rith International Prof. Dr. Susan Neiman, Einstein Forum Potsdam Camille Nessel, Doktorandin und Mitarbeiterin der Europäischen Kommission Rinah Neubauer Michael Nüssen, Jüdische Gemeinde in Hamburg Rabbinerin Dr. Ulrike Offenberg Dr. Tamara Or Elishewa Patterson-Baysal, Rechtsanwältin Frankfurt am Main Neala Na´amah Patterson, Mitglied der jüdischen Gemeinde in Frankfurt Joshua Peaceman Marija Petrovic, Künstlerin aus Hamburg Ido Porat Dr. Galina Putjata Dr. Doron Rabinovici Robby Rajber aus München Noemi Raz Chasan Jalda Rebling, spiritual leader of congregation Ohel HaChidusch Berlin Sigal Rosenfeld Miriam Rosengarten Nina Rosenstein Ina Rosenthal Agnieszka Rachela Rubinroth Iris Salzberg Sasha Marianna Salzmann, Autorin Bettina Sandberg Anatol Benjamin Schapiro, Berlin Olga Schapiro Miriam Schickler - Kulturschaffende – Berlin Dr. med. Jennifer Schlundt Diana Schnabel, Ehrenpräsidentin der WIZO Deutschland Harry Schnabel, Mitglied des Vorstandes der Jüdischen Gemeinde Frankfurt am Main K.d.ö.R. Jordan Lee Schnee Volker Scholz-Goldenberg Michal Schwartze Anita Schwarz Claudia Sebestyen, Filmpädagogin PD Dr. Marc Siegel Rabbiner Jona Simon Rose Simon Shemi Shabat Susana Shaker Tanya Shoshan Yury Sokolov Lien Soryano-Wirmer, Mitglied von Gescher laMassoret Miriam Speier Barbara Steiner Adriana Stern Mara Stone, Systemische Supervisorin und Coach Lala Süsskind Halinka Treperman Dr. Werner Treß (Moses Mendelssohn Zentrum) Neta-Paulina Wagner Susanne Weinhöppel Nea Weissberg Albert Wiederspiel | Festival Director Filmfest Hamburg gGmbH Romina Wiegemann George R. Wilkes Dalia Wissgott-Moneta Dorothea Wolf-Baur Fabian Wolff, Journalist Sivan Ben Yishai, Autorin Ruth Hanna Ziegler
Mehr Informationen: neofelis-verlag.de
Gemeinsame Erklärung gegen die AfD AfD - keine Alternative für Juden!
Die AfD versucht seit geraumer Zeit, mit ihrer vermeintlichen Verbundenheit mit dem Staat Israel und ihrer angeblichen Sorge um die Sicherheit der Jüdischen Gemeinschaft in Deutschland zu punkten. Nun wird gar ein Arbeitskreis für Juden in der AfD gegründet. Nichts an der Politik der AfD solle die Jüdische Gemeinschaft beunruhigen, so der AfD-Vorsitzende Alexander Gauland. Die vormalige AfD-Vorsitzende, Frauke Petry, behauptete, die AfD sei der "Garant jüdischen Lebens in Deutschland". Wirklich?
Nein, die AfD ist keine Partei für Juden!
Wenn Juden auf die AfD als Garant für jüdisches Leben in Deutschland angewiesen wären, wäre es um das jüdische Leben hier schlecht bestellt. Die AfD ist eine Partei, in der Judenhass und die Relativierung bis zur Leugnung der Schoa ein Zuhause haben. Die AfD ist antidemokratisch, menschenverachtend und in weiten Teilen rechtsradikal. Allein der Blick auf die Ereignisse in Chemnitz sollte ausreichen, um zu erkennen, wes Geistes Kind die AfD ist. Dort marschierten Repräsentanten der AfD Seite an Seite mit Neonazis, Hooligans und Pegida-Anhängern. Sie scheuten sich nicht, mit Menschen, die den Hitlergruß zeigten, auf die Straße zu gehen. Aus diesem Klima des Hasses und des völkischen Denkens heraus wurde ein jüdisches Restaurant in Chemnitz angegriffen. Die AfD eine Partei der "besorgten" Bürger?
Nein, die AfD ist keine Partei für Demokraten!
Die AfD sät Hass und spaltet die Gesellschaft. Sie hetzt gegen Menschen und greift unsere Demokratie tagtäglich an. Die AfD radikalisiert sich zunehmend und schreckt nicht davor zurück, Geschichte umzuschreiben. Gauland nennt Hitler und die Nazis einen "Vogelschiss" in der Geschichte. Gleichzeitig ist Gauland aber "stolz auf die Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen". Björn Höcke, der AfD-Fraktionsvorsitzende im thüringischen Landtag, fordert eine erinnerungspolitische Wende um 180 Grad. Das Holocaust-Denkmal in Berlin bezeichnet er als "Denkmal der Schande". Die AfD fordert in ihrem Wahlprogramm ein Verbot des koscheren Schächtens und der Beschneidung. Wer diese im Judentum fundamentalen Gebote zur Disposition stellt, der spricht Juden in Deutschland das Recht ab, in diesem Land zu leben. Soll das die Politik sein, die für Juden nicht beunruhigend sein soll?
Nein, die AfD ist eine Gefahr für jüdisches Leben in Deutschland!
Die AfD agitiert unumwunden gegen Muslime und andere Minderheiten in Deutschland. Dabei versucht die AfD, "die" Muslime als Feinde der westlichen Welt oder "der" Juden darzustellen. Muslime sind nicht die Feinde der Juden! Die Feinde aller Demokraten in diesem Land sind Extremisten, egal ob aus rechtsextremer, linksradikaler oder radikal-muslimischer Gesinnung heraus. Wir lassen uns von der AfD nicht instrumentalisieren. Gleichzeitig schwadroniert Wolfgang Gedeon davon, die deutschen Gerichte seien vom Zionismus beeinflusst und weder frei noch unabhängig. Juden würden eine "Sonderbehandlung" vor deutschen Gerichten bekommen. Ist so eine AfD wählbar?
Nein, die AfD ist eine rassistische und antisemitische Partei!
Die AfD vertritt keinesfalls die Interessen der jüdischen Gemeinschaft. Eine Partei, die außer Hass und Hetze keinerlei gangbare Lösungen für die aktuellen Herausforderungen unserer Gesellschaft anzubieten hat, kann für niemanden eine Alternative sein. Kein Bürger dieses Landes, dem unsere Demokratie am Herzen liegt, kann sich mit dieser Partei identifizieren. Die Partei ist ein Fall für den Verfassungsschutz, keinesfalls aber für Juden in Deutschland.
Eine Vielzahl von jüdischen Organisationen und Verbände haben die Gemeinsame Erklärung gegen die AfD "AfD - keine Alternative für Juden!" unterzeichnet. Sie alle rufen dazu alle demokratischen Kräfte innerhalb und außerhalb der jüdischen Gemeinschaft auf, sich gemeinsam offen und sichtbar gegen jede Form von antidemokratischem, antisemitischem, rassistischem und völkischem Gedankengut zu engagieren!
Die Liste der unterzeichnenden Organisationen wird fortlaufend aktualisiert. Auch AVIVA-Berlin unterstützt die Erklärung!
Mehr Informationen: www.zentralratderjuden.de
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