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Beitrag vom 09.09.2008
Tzipi Livni im Portrait
Margret Müller
Ihre politische Laufbahn scheint eine Sprintstrecke zu sein: nach nur mehr als zehn Jahren in der Politik ist Tzipi Livni Kadima-Chefin und hat gute Chancen, die nächste Ministerpräsidentin...
...zu werden.
Wer ist Tzipi Livni?
"Pass auf, Tzipi Livni ist keine "Freyerit", ist immer wieder die Antwort, wenn die Rede von Tzipi Livni ist. Damit ist schon einmal der wichtigste Grundstein gelegt, denn "Freyer", Spielball und ausnutzbar, will in Israel wirklich niemand sein. Tzipi Livni lässt sich nichts schenken, sie verschenkt auch nichts. In einem Staat, dessen Bevölkerung durch Korruptions- und Sexskandale politikverdrossen wurde und jeglichen Glauben an Ehrlichkeit in der Politik verlor, erscheint sie wie ein weißer Vogel (so auch die Bedeutung ihres Namens), allein dadurch, dass sie offensichtlich nicht korrupt ist. Es ist allgemein bekannt, das Tzipi Livni keine "Kombinot" macht. Kombinot sind der gängige Weg in Israel, ein Ziel zu erreichen, über Beziehungen die Karriere zu arrangieren.
In Livnis Außenministerium gibt es keine Gefälligkeiten mehr, kein langjährig loyaler Chauffeur wird mehr als Dank zum Diplomaten ernannt. Gil Samsonov, Werbebetreuer und langjähriger Bekannter sieht es so:
"Ihre Marke ist rein. Sie schaut weder links noch rechts, wem sie gefallen sollte." Derartige Konsequenz fällt auf. Sie gewinnt dadurch an Vertrauen. Authentizität ist eine ihrer Stärken.
Taktisch klug näherte sie sich - zunächst als Ziehtochter des ehemaligen Premierministers Ariel Sharon – innerhalb kürzester Zeit ihrem
Ziel, der Führung des Staates Israel.Tzipora, "Tzipi" Livni, wurde am 5. Juli 1958 in Tel Aviv geboren.
Sie wuchs in einer sehr politischen Familie auf, trat aber selbst erst spät in die Politik ein. Ihre Eltern waren aktive Mitglieder der militanten nationalistischen Untergrundorganisation
"Irgun" unter Führung von Menachem Begin gegen die britische Mandatsmacht. Eitan Livni war Chef der
"operativen Einheit" der Irgun und somit direkt mit der Organisation und Durchführung von Anschlägen beschäftigt, nach Staatsgrünung wurde er Knessetabgeordneter der Likudpartei. Auf dem Grabstein des 1991 Verstorbenen ist eine Landkarte Großisraels zu sehen, die auch Gebiete östlich des Jordans einschließt.
"Land für Frieden" gehörte nicht zum Vokabular der zionistischen Familie. Tzipi Livni selber lebt den Spagat zwischen den Prinzipien ihrer Familie und der Realpolitik. Der New York Times sagte sie:
"Ich glaube, wie meine Eltern, an das Recht des jüdischen Volkes auf das gesamte Land Israel. Aber ich bin erzogen worden, Israel als Heimatland für Juden und demokratische Werte zu erhalten. Wenn ich mich zwischen meinen Träumen und meinem Bedürfnis, in Demokratie zu leben entscheiden muss, bevorzuge ich, etwas Land aufzugeben."Eines ihrer bekannten Schlagworte ist:
"Es besteht ein Prozess der Delegimentierung Israels als jüdischen Staat." Aus diesen Gründen setzt sie sich heute aktiv für die Zwei-Staaten-Lösung ein. Sie sieht sich in einem Rennen gegen die Zeit, und um dieses zu bestehen, will sie führen.
1995, nach Unterzeichnung der Osloverträge und Yitzhak Rabins Ermordung, beschloss Tzipi Livni, bis dahin auf öffentliches und Handelsrecht spezialisierte Rechtsanwältin, aktiv in die Politik einzutreten. Drei Jahre später erhielt sie einen Sitz als Knessetabgeordnete und 2001 mit Ariel Sharons Wahl zum Ministerpräsidenten die Ernennung zur Ministerin für regionale Kooperation und Landwirtschaft, später außerdem Integrations- und Wohnungsbauministerin. 2004 nahm sie ihren
"Traumjob" als Justizministerin an und erarbeitete sich einen Ruf als außergewöhnliche, starke Ministerin, offen für Reformen, jedoch treu zu ihren Prinzipien. Sie blieb eine loyale Freundin des Ministerpräsidenten Ariel Sharon, auch in Zeiten der politischen Angriffe. Als eine der ersten folgte sie Sharon in die neugegründete Kadima- Partei, arbeitete das Parteiprogramm aus und unterstützte den kontroversen Abzug aus Gaza. Nach Ariel Sharons Schlaganfall unterstützte sie Ehud Olmert als Nachfolger und erhielt dafür den
Vorsitz über das Außenministerium, den sie seitdem innehat. Es ist ihr gelungen, eine internationale Front gegen die Hamas- Regierung in Ramallah zu bilden, ohne die westlichen KollegInnen mit zu hohen Forderungen zu verprellen. Ihre diplomatische Energie, unter anderem beim Zusammenstellen der UN-Kräfte in Libanon nach dem letzten Krieg, hat ihr internationalen Respekt verschafft.
Ob sie dadurch für das Amt der Ministerpräsidentin qualifiziert sei, stellen besonders Männer gerne in Frage. Automatisch geht der Vergleich zur früheren Ministerpräsidentin Golda Meir, deren Politik als Desaster empfunden wird. Tzipi Livni betonte dazu, die einzige Gemeinsamkeit mit Golda Meir sei ihr Geschlecht. Einstellung, Handeln und politische Ziele seien komplett verschieden.
Tzipi Livni sieht sich selber nicht als Frau, die zum Beweis der Gleichstellung an die Spitze will, sondern als Mensch, geeignet, Israel voranzubringen. Das beweist wahren Feminismus, der sich nicht in der Geschlechterkampf erschöpft, sondern das
Ziel in der Gleich-Gültigkeit der Frau sieht.
Leider ist sie darin vielen LandesgenossInnen ein Stück voraus. Das Geschlecht scheint die Urkomponente der Beurteilung ihrer Fähigkeiten. Als Frau in einer chauvinistischen Männerwelt müsse sie ja besonders hart und männlicher als ein Mann werden, solche Frauen würden dann zu harsch und kriegerisch, wird oft betont. Tatsächlich scheint es, als müssten starke Frauen in der Politik, - sei es Angela Merkel, Hillary Clinton oder eben Tzipi Livni - heute noch weiblich konnotierte Eigenschaften verstecken und eher männlich konnotierte hervortun, um zu beweisen, dass sie mit der selben Kompetenz handeln können wie ein Mann. Eine Frau muss schon besonders versiert sein, um auf der männerdominierten politischen Bühne eines der härtesten politischen Ämter dieser Welt zu übernehmen.
Schwer wiegt daher
der angebliche Makel ihrer mangelnden professionellen militärischen Karriere, die in Israel immer noch als Vorraussetzung für eine politische gesehen wird. Es wird angenommen, dass nur so strategische Führungsqualität erreichbar ist. Ihre strategisch klare kommunikative Kompetenz, ihr Weitblick als Justiz-, Außen- und Einwanderungsministerin wird dabei gern untergraben. Ihr Verhalten im zweiten Libanonkrieg 1996 wird besonders kritisch beobachtet. Nach Veröffentlichung des Winograd-Reports, der Ehud Olmert stark kritisierte, forderte sie dessen Rücktritt, blieb aber selber im Amt. Eine Welle der medialen Kritik brach daraufhin aus, in vielen Teilen sexistisch und etwa vergleichbar mit dem Sexismus, den Tzipi Livni zu ertragen hatte, als sie während des Krieges in der Knesset einen weiteren Bombenangriff zu verhindern suchte. Sie forderte nach zwölf Tagen Krieg den Beginn von Verhandlungen und wurde daraufhin auch aus den Reihen der eigenen Partei gerügt, es sei Kriegszeit, die Entscheidungen treffe jetzt der Ministerpräsident.
Dies wurde als militärische Schwäche gewertet.
Wohl zur Aufwertung dieses Images bestätigte Tzipi Livni kürzlich die Gerüchte über ihre Tätigkeit als
Agentin bei dem israelischen Geheimdienst Mossad. Nach Beendigung ihres Militärdienstes wurde sie von 1980 bis 1984 für vier Jahre Agentin und führte Auslandseinsätze durch, vor allem in Paris. Nach vier Jahren beendete sie dieses Leben, heiratete und begann ihr Jura-Studium in Tel Aviv. Über ihre genaue Tätigkeit beim Mossad gibt es weitreichende Spekulationen, von der "Terroristenjägerin" über "strategische Informationsauswerterin" bis zum "Büromädchen".
Tzipi Livni gehört nicht zu jenen, die mit ihrem Privatleben auf WählerInnenfang gehen, im Gegenteil. Als Politikerin wirkt sie stark, klug, strikt und genau wissend, wohin sie will und wie sie dahin kommt. Sie lässt sich von keinem Berater in eine ihr unklare Richtung drängen und scheut nicht davor zurück, harte Wahrheiten auszusprechen.
Die Privatperson Tzipi Livni hält sie bedeckt. Nur langsam - wohl im Zuge der anstehenden Wahlen – wird einiges zu ihrer Person publik. In einem Interview mit der New York Times ist ihr besonders wichtig, zu betonen, sie als Mensch sei weniger diszipliniert, als ihr politisches Verhalten, trage lieber Jeans als Anzüge, gehe lieber auf den Markt als ins Einkaufszentrum. Formalität gehöre zu ihrem Job aber nicht zu ihrer Person.
Die stärkste Rückendeckung erfährt Tzipi Livni durch ihren Mann, Naphtali Spitzer, der sie als rechte Hand in allen Belangen unterstützt. Er ist ihr
"erster Soldat", sagt Yitzhak Regev, der Vorsitzende des Kadima-Hauptbüros im Norden des Landes,
"er liebt es einfach, seiner Frau zu dienen und sie zu fördern." Naphtali Spitzer sieht sich selber als Bühnenarbeiter seiner Frau und begleitet sie in allen Aufgaben von der Auswahl neuer BeraterInnen bis zum Kaffeekochen bei strategischen Gesprächen. Seine Beziehungen und seinen Charme als Werbefachmann nutzt er geschickt zum Ausbauen neuer Beziehungen. Ihm wird ein warmer Charakter, Sinn für Humor und Sensibilität für seine Umgebung nachgesagt. Eigenschaften, mit denen er Livnis toughe Linie perfekt ergänzen kann.
Zum Jazz-Festival Ende August 2008 in Eilat reiste sie privat mit ihrem Mann - als Musikbegeisterte. Ein unmögliches Unterfangen: sofort wurde sie von MitarbeiterInnen der Stadt Eilat umgarnt, die Politik mit ihr machen wollten. Sie "versteckte" sich daraufhin mit ihrem Mann auf dem Hotelzimmer bis zur Jam-Session bei Nacht im Freien, um dort in Ruhe die Musik genießen zu können. Musik ist für Tzipi Livni ein Mittel, loszulassen. Sie tanzt, hört orientalische und israelische Musik und Jazz und spielt in ihrer knappen freien Zeit Schlagzeug, nimmt Unterricht und verarbeitet so nicht selten harte Arbeitstage. Im Alter von 13 bis 14 Jahren war sie Mitglied der Frauenbasketballmannschaft Elitzur Tel Aviv, sie soll eine der besten gewesen sein, heute hält sie sich mit Laufen am Strand fit. Ihre Tierliebe ist bekannt, sie setzt sich für Tierschutz ein und ist seit ihrem 12. Lebensjahr strikte Vegetarierin.
Sie ist konsequent. Auch im Privaten.Weitere Informationen zu Kadima unter:www.kadima.org.il (hebräisch)
www.knesset.gov.il/faction/eng/FactionPageCurrent_eng.asp?PG=185 (englisch)
Quellen:
Haaretz
kadima.org
ZEIT
New York Times
BBC News
Financial Times Deutschland
Tagesspiegel
Cicero
Das Foto von Tzipi Livni wurde uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt vom:
Ministry of Foreign Affairs (MFA)