AVIVA-Berlin >
Jüdisches Leben
AVIVA-BERLIN.de 3/3/5785 -
Beitrag vom 28.05.2008
Israels Vorreiterrolle bei Rechten von Schwulen und Lesben
AVIVA-Redaktion
Anlässlich des 60. Staatsjubiläums informiert das gemeinnützige internationale "The Israel Project" über die Rechte von Schwulen und Lesben in Israel. Beeindruckend vorbildlich!
Mit nur 60 Jahren ist Israel eines der jüngsten und zugleich fortschrittlichsten Länder der Welt. In Bezug auf die rechtliche Gleichstellung von Schwulen und Lesben ist Israel mit Abstand der toleranteste Staat im Nahen und Mittleren Osten. Es gibt verschiedene Erklärungen für die breite Akzeptanz von Schwulen und Lesben in der israelischen Gesellschaft. Zum einen bildet die Familie einen integralen Bestandteil der jüdischen Gesellschaft in Israel. Daher neigen Eltern eher dazu, ihre schwulen, lesbischen, bisexuellen oder transsexuellen (LGBT) Kinder so zu akzeptieren wie sie sind, als den Familienzusammenhalt zu gefährden. Weil Israel ein kleines Land ist, leben Familienmitglieder nicht weit von einander entfernt, ein starkes soziales Netz macht das Leben in der Anonymität fast unmöglich. Zum anderen blicken Juden auf Jahrhunderte lange Erfahrungen des Verfolgtseins zurück und sind daher eher aufgeschlossen gegenüber dem Schicksal von Homosexuellen, die während des Holocaust gleichfalls verfolgt und ermordet wurden.
Dazu kommt, dass die innere Geschlossenheit in Israel angesichts der Bedrohungslage von Außen erste Priorität genießt, während gesellschaftliche Debatten wie etwa über Homosexualität in der Regel in den Hintergrund treten. Die israelische Gesellschaft ist darüber hinaus überwiegend westlich orientiert und in vielen Fragen liberaler als seine Nachbarn im Mittleren Osten eingestellt. Als demokratischer Staat fördert Israel die Rechte aller seiner BürgerInnen, ungeachtet des Geschlechtes, der Religion oder der ethnischen Zugehörigkeit.
Die Rechte von Homosexuellen sind gesetzlich geschützt. Eine außerhalb Israels geschlossene homosexuelle Ehe wird vom Staat anerkannt, und Paare gleichen Geschlechts dürfen Kinder adoptieren. Schwule und Lesben dienen in der Armee. Geschlechtsumwandlungen sind erlaubt und werden durchgeführt. Die LGBT-Gemeinde wird von weiten Bevölkerungsteilen akzeptiert. Lesben und Schwule sind in der Politik (Beispiele unter: www.theisraelproject.org), im Wirtschaftsleben, im Rechtswesen, in den Streitkräften und in der Kulturszene vertreten. In der Tat kann man in Tel Aviv eine der lebendigsten schwullesbischen Szenen der Welt antreffen.
Wegen der hier gewährten Freiheit einerseits und der Intoleranz gegenüber Homosexuellen in muslimischen Staaten sowie in den palästinensischen Autonomiegebieten andererseits, ist Israel zu einem Zufluchtsort für homosexuelle PalästinenserInnen geworden, die vor Repressalien im Westjordanland und im Gazastreifen flüchten. In diesen Gebieten fallen Homosexuelle schweren Anfeindungen durch die eigenen Familien, ihre Gemeinden, die radikalislamische Hamas und die palästinensische Autonomiebehörde zum Opfer. Weitere Infos zur Rechtslage von Schwulen und Lesben in Israels Nachbarländern finden Sie unter: www.theisraelproject.org)
Dennoch gibt es auch GegnerInnen der schwul-lesbischen Gemeinde in Israel, vor allem seitens der ultra-orthodoxen jüdischen Bevölkerungsgruppen sowie den ultra-orthodoxen Parteien, die in der Knesset, dem israelischen Parlament, vertreten sind. Als 2006 jüdische VertreterInnen der Ultra-Orthodoxen, der christliche Klerus und muslimische GlaubensvertreterInnen Jerusalems Proteste gegen die geplante Gay-Parade anmeldeten, musste die Parade in das Sportstadion der Hebräischen Universität verlegt werden. Dazu wurden auch diskriminierende Äußerungen über Homosexuelle seitens ultra-orthodoxer Knesset-Abgeordneten laut. In Reaktion auf den heftigen Widerstand haben einige orthodoxe Juden, die sich selbst zu ihrer Homosexualität bekennen, im Februar 2008 eine Kampagne gestartet, deren Ziel es ist, religiösen Homosexuellen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Einer der GründerInnen dieser Web-Initiative (HOD - eine hebräische Abkürzung für religiöse Homosexuelle), ist der bisher einzige Rabbiner in Israel, der sich offen zu seiner Homosexualität bekennt.
Rechtslage: Jüngste Entwicklungen
Während der vergangenen zwei Jahrzehnte wurden große Fortschritte in der Gesetzgebung gemacht. Einige nennenswerte Beispiele:
12. Februar 2008: Die Regierung Israels beschließt, dass homosexuellen Paaren die gleichen Adoptionsrechte gebühren wie Paaren beiderlei Geschlechts.
März 2007: Das Kultur- und Bildungsministerium erkennt die Jugendorganisation der Schwulen und Lesben (IGY) an, was dem Verband in den Genuss staatlicher Fördergelder bringt.
Januar 2007: In einem Zivilamt in Jerusalem wird die erste gleichgeschlechtliche Ehe, von Avi und Binyamin Rose, eingetragen.
November 2006: 5 in Kanada verpartnerte homosexuelle Paare werden in Israel eingetragen und gelten hier als gleichberechtigte LebenspartnerInnen. (Ein Präzedenzfall).
Juli 2003: Die Stadtverwaltung von Tel-Aviv bewilligt homosexuellen Lebensgemeinschaften die gleichen Ermäßigungen beim Zutritt zu Sportanlagen und anderen Einrichtungen, die heterosexuellen Ehepaaren gewährt werden.
1998: Die Civil Service Commission gesteht gleichgeschlechtlichen LebenspartnerInnen Pensionsrechte zu.
1997: Der oberste Gerichtshof stürzt den Beschluss des damaligen Bildungsministers Zevulun Hammer, eines Mitglieds der National-Religiösen Partei ("Mafdal"), eine Fernsehsendung über homosexuelle TeenagerInnen zu verbieten.
November 1994: Der Oberste Gerichtshof spricht dem gleichgeschlechtlichen Partner eines El-Al-Flugbegleiters die vollen Ehegatten-Rechte zu wie MitarbeiterInnen mit Partnern anderen Geschlechts. Damit bahnt die Gesellschaft den Weg für die Gleichstellung weiterer homosexueller PartnerInnen.
1993: Die ehemalige Knesset-Abgeordnete Yael Dayan bildet einen Unterausschuss für die Auseinandersetzung mit dem Thema Homosexualität. Im gleichen Jahr wird in den israelischen Verteidigungskräften eine Anti-Diskriminierungs-Klausel eingeführt.
1992: Die Knesset verbietet Diskriminierung am Arbeitsplatz aufgrund von sexueller Orientierung.
22. März 1988: Die Knesset hebt ein Gesetz auf, wonach Homosexualität strafbar ist.
1975: Die erste israelische Organisation für Homosexuelle, die Gesellschaft für den Schutz persönlicher Rechte (SPPR) wird gegründet. Heute ist diese Organisation (Aguda) als der Verband israelischer LGBT bekannt.
Homosexualität und Militärdienst
Die Armee spielt in Israel eine zentrale Rolle, für die Gesellschaft ist der Militärdienst ein integraler Bestandteil der BürgerInnenpflichten. Der Dienst in der Armee ist Pflicht für fast alle Israelis. (Arabische Staatsbürger und orthodoxe Juden sind vom Militärdienst befreit.). Offen lebende Schwule und Lesben können in der Armee dienen. Im Gegensatz zur U.S.-Armee wird in Israel nicht nach der Devise "Keine Frage, keine Antwort" gehandelt. Es gibt keine Einschränkungen, weder bei der Rekrutierung noch bei der Beförderung von Lesben und Schwulen. Die israelische Armee ist eine von 24 in der Welt, in der Schwule und Lesben dienen und sich dabei offen zu ihrer Homosexualität bekennen dürfen. Bereits 1993 wurde die Diskriminierung von Homosexuellen in der Armee verboten.
Gay-Kultur
Es gibt keinen besseren Platz auf der ganzen Welt Gay zu sein ... Die Gay-Kultur in Israel ist nicht ´underground´ oder ´alternativ´, wie etwa in New-York. Hier in Israel, wo wir integriert sind, sind wir voll integrierte und vollwertige Mitglieder der israelischen Gesellschaft. - Gal Uchovsky, Regisseur von "The Bubble".
Lesben und Schwule sind ein fester Bestandteil des israelischen Kulturlebens. Themen, die sich mit Homosexualität befassen, bilden in Film, Theater, in der Musik und in der Literatur keine Ausnahme. Der israelische Sänger Ivri Lider und der Regisseur Eytan Fox wurden von der amerikanischen Zeitschrift Out zu 2 von insgesamt 100 wichtigsten homosexuellen Persönlichkeiten in der Welt gewählt. 1999 hat die transsexuelle israelische Sängerin Dana International Israel beim Eurovision-Wettbewerb vertreten und wurde auf den ersten Platz gewählt. In einer Umfrage haben 80 Prozent der befragten Israelis Dana als "eine würdige Repräsentantin Israels" bezeichnet. Einige der populärsten israelischen Filme beschäftigen sich mit homosexuellen Themen: "Walk on Water", "Yossi und Jagger"und "The Bubble".
Tel-Aviv ist die Kultur- und Finanz-Metropole des Landes. Die Zeitschrift Out nannte Tel-Aviv die "Gay-Metropole des Nahen Ostens", aber die Stadtverwaltung und die Verantwortlichen im Touristikministerium wollen die Stadt zur "Gay-Metropole der Welt" machen. In Tel-Aviv ist auch Bet-Dror beheimatet, Notzufluchtstelle in Israel für LGBT-Jugendliche, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung aus ihren Familien ausgestoßen wurden. Das schwullesbische Nachtleben in Tel-Aviv kann sich leicht mit dem in New York oder London messen.
Seit 1990 ist die Stadt Tel Aviv Gastgeberin des größten Gay Pride im Nahen Osten. 2007 nahmen daran 20.000 Menschen teil, um zu zeigen, dass sie selbstbewusst zu ihrer sexuellen Identität stehen. 2008 sind in folgenden Städten Gay Pride-Veranstaltungen geplant: Tel Aviv (6. Juni), Haifa (19. Juni) und Jerusalem (voraussichtlich 26. Juni).
Adressen von LGBT-Verbänden und –NGOs in Israel
sowie die Quellenangaben zu diesem Text von The Israel Project finden Sie unter: www.theisraelproject.org
Weitere Infos zum rechtlichen Status von LGBT im internationalen Vergleich unter: www.amnestyusa.org/LGBT_Human_Rights
Weiterlesen auf AVIVA Berlin:
Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare in Israel
Rechte und Schutz von Frauen in Israel