Lollipop Monster - Interview mit Ziska Riemann, Jella Haase und Sarah Horváth - Aviva - Berlin Online Magazin und Informationsportal für Frauen aviva-berlin.de Interviews



AVIVA-BERLIN.de im März 2024 - Beitrag vom 08.03.2011


Lollipop Monster - Interview mit Ziska Riemann, Jella Haase und Sarah Horváth
Tatjana Zilg

Kurz vor der Premiere auf der 61. Berlinale traf AVIVA-Berlin die Comiczeichnerin, Musikerin und Regisseurin und ihre beiden Hauptdarstellerinnen zu einem Gespräch über...




... die Berührungspunkte von Comic- und Filmemachen, den Einstieg in das Schauspielgeschäft im Teenageralter und die Qualitäten einer besonderen Mädchenfreundschaft.

Die gebürtige Berlinerin Ziska Riemann veröffentlichte 1991 den ersten Comic gemeinsam mit Gerhard Seyfried, den sie auf einer Ausstellungseröffnung kennengelernt hat und mit dem sie fünf weitere Comicalben ("Space Bastards", "Future Subjunkies", "Starship Eden", "Die Comics. Alle!" und "Kraft durch Freunde") realisierte. Ihr erster eigener Comicband "Rascal und Lucille" erschien 1997. Neben ihrer Arbeit als Comiczeichnerin schreibt Ziska Riemann Kurzgeschichten ("Fleckenfeger") und Drehbücher, von denen "Die Hunde sind schuld" (2000 für ARD verfilmt) 2001 mit dem Tankred-Dorst-Drehbuchpreis ausgezeichnet wurde.
2004 gründete sie das Plattenlabel "MerMer" und brachte neben anderen KünstlerInnen ihr Soloalbum "Wo bitte geht´s nach Shambhala?" heraus. (Quelle: www.ziska.tv)


Seit ihrer Jugendzeit ist sie mit Lucy van Org befreundet, die als Lucielectric Mitte der 1990er die PostPunk-Popwelt aufmischte und später als Autorin, TV- und Radiomoderatorin und mit neuen Musikprojekten ihren kreativ-künstlerischen Weg fortsetzte.
Ihre eigene turbulente Jugendzeit nahmen Ziska Riemann und Lucy van Org als Grundlage für das gemeinsam geschriebene Drehbuch zu "Lollipop Monster", welches unter der Regie von Ziska als zum Teil kunterbuntes, zum Teil düster-darkishes Teenie-Popdrama umgesetzt wurde. Im Mittelpunkt stehen die Teenager Ari und Oona, die in ihren dysfunktionalen Mittelschichtsfamilien keinen Rückhalt bekommen, als sie in den Strudel einer beschleunigten Pubertät geraten. Während Ari einen Turbosprung vom kindlichen Spielzeugzimmer-Mädchen zum attraktiven Pop-Vamp macht und in der Aufmerksamkeit einer wachsenden Verehrerschar ein neues Experimentierfeld findet, zieht Oona sich in eine Gothic-Innenwelt zurück, mitverursacht durch den plötzlichen Selbstmord ihres Vaters. Als die beiden Mädchen sich gegenseitig entdecken und anfreunden, nimmt die mal schwarzhumorig-witzige, mal erschreckend-tragische Geschichte ihren mit vielen temporeichen Wendepunkten gespickten Verlauf.

Für die beiden Hauptrollen Oona gewann Ziska die beiden Darstellerinnen Jella Haase und Sarah Horváth, die im Alter von 18 und 17 Jahren bereits eine beachtliche Schauspielerfahrung aus Film und Fernsehen mitbrachten. Sarah Horváth wurde vor kurzem für ihre Hauptrolle in dem Schweizer Film "Songs of Love and Hate" mit dem Max Ophüls Preis als Beste Nachwuchsdarstellerin ausgezeichnet.

AVIVA-Berlin: Bald ist die Premiere von "Lollipop Monster" bei der Berlinale. Wie blickt Ihr dem entgegen? Seid Ihr schon aufgeregt?
Jella Haase: Bevor ich den Film gesehen habe, war ich unsicher und etwas darüber aufgeregt, dass der Film bei der Berlinale gezeigt wird. Seit ich den Film aber im Ganzen gesehen habe, ist das wieder weg. Jetzt freue ich mich sehr auf die Premiere. Dass der Film bei der Berlinale gezeigt wird, ist doch das Beste, was dem Film passieren konnte.
Sarah Horváth: Ich habe den Film auch schon gesehen und es ging mir ähnlich.
Ziska Riemann: Durch die Berlinale bekommt der Film eine viel größere Beachtung. Dadurch haben wir bereits einen Filmverleih gefunden und es wird einen Kinostart geben.

AVIVA-Berlin: Ziska, es ist beeindruckend, wie es sich in Deinem Film spiegelt, dass Du aus dem Comic-Bereich kommst. Wie bist Du da herangegangen, wie hast Du es geschafft, Comicsprache und Film miteinander zu verbinden?
Ziska Riemann: Ich dachte erst, ich würde jedes einzelne Bild vorher zeichnen. Am Ende habe ich gar nichts aufgezeichnet, weil ich alle Bilder im Kopf hatte. Und der Film ist genauso geworden, wie Lucy und ich uns das beim Drehbuchschreiben vorgestellt haben. Die Übergänge, die Farbigkeit, das stand alles schon im Drehbuch und ich habe das immer deutlich vor meinen inneren Auge gesehen.
Jedes Wort, das wir geschrieben haben, wurde dann später von anderen nochmal kritisiert und in Frage gestellt. Es war ganz wichtig, alles so nochmal verteidigen zu müssen und in weiteren Blickwinkeln zu betrachten.
Es kamen viele Aspekte hinzu, die beim Comiczeichen und -schreiben keine Rolle spielen, wie die Arbeit mit Musik und ähnlichem. Am ersten Tag wurde mir ein wesentlicher Unterschied bewusst, als ich dem Kameramann Hannes Hubach bei seiner Arbeit über die Schulter schaute. Durch die Kameraführung hat man mehr Möglichkeiten, das Geschehen in allen Blickwinkeln darzustellen. Das war besonders ausgeprägt, als Oona Ari in einer Szene zeichnet und die Kamera erst ihre Zeichnung auffängt, und dann um Ari, dem gezeichneten Objekt, herumfährt.

AVIVA-Berlin: Es fällt sofort auf, wie detailreich und präzise die Settings ausgearbeitet wurden und wie perfekt Handlung und Tempo des Films auch von den Requisiten getragen werden. Wie war die Zusammenarbeit mit Kostüm- und Szenenbilderin? Hast Du viele Vorgaben gemacht?
Ziska Riemann: Im Drehbuch wurde vieles genau beschrieben, teils aber während des Drehs wieder verändert. Die Szenenbildnerin Christiane Krumwiede hat während unserer Zusammenarbeit sehr viel Sachverstand bewiesen.
Jella Haase: Das wurde alles mit viel Liebe zum Detail ausgearbeitet. Ich erinnere mich, wie es einmal zehn Minuten dauerte, bis ein Kuscheltier zur Zufriedenheit aller hingesetzt worden war.
Jemand im Filmteam sagte einmal, dass Ziska eine klare Vision hat und durchsetzt. Auch wenn man als Schauspielerin nicht immer den Überblick darüber hat, wie sich eine Szene später in einen Film einordnen wird, habe ich bei ihr immer gespürt, dass auf ein genaues Ziel hingearbeitet wird.
Ziska Riemann: Mir wurde schnell bewusst, wie wichtig es beim Regieführen ist, alles zu sehen, und sich nicht auf andere im Team zu verlassen.

AVIVA-Berlin: Wie kam es zu Deinem Entschluss, einen Langfilm zu drehen, und zur Filmidee von "Lollipop Monster"?
Ziska Riemann: 1999 brauchte ich Geld. Eine Freundin gab mir den Tip, mich bei der Drehbuchwerkstatt zu bewerben. Es gebe da ein Stipendium, durch das ich für ein Jahr meine Ruhe hätte. Das hatte dann auch geklappt und ich wurde angenommen. Dadurch bin ich da so reingerutscht. Mein Drehbuchlehrer sagte zu mir, ich solle mein Drehbuch selber umsetzen: "Spring ins Wasser, das kannst Du." Dass habe ich aber damals nicht gleich gemacht, da ich glaubte, noch nicht reif dafür zu sein. Über die Jahre habe ich viel dazu gelernt, was ich bei der Regie später anwenden konnte.

AVIVA-Berlin: Das Drehbuch von "Lollipop Monster" ist in Koautorinnenschaft mit Lucy van Org entstanden. Wie seid Ihr in Kontakt gekommen?
Ziska Riemann: Lucy und ich kennen uns schon von Kind an. Als wir Teenager waren, hatten wir beide eine furchtbare Zeit. Wir verloren uns aus den Augen, bis wir uns später Anfang 20 auf einer Party wieder trafen. Wir sind zusammengezogen und irgendwann fragte ich Lucy, ob sie Lust hat, mit mir zusammen ein Drehbuch zu schreiben.

AVIVA-Berlin: War es schwierig, zu zweit an einem Drehbuch zu arbeiten?
Ziska Riemann: Nein, von Anfang an war alles klar zwischen uns. Durch die biografische Ebene haben wir die Geschichte beim Schreiben mehr gefühlt, als dass wir sie uns ausdenken mussten.

AVIVA-Berlin: Jella und Sarah, wie war es für Euch, als Ihr zum ersten Mal von dem Drehbuch erfahren habt? Ihr wurdet beide bereits von Schauspielagenturen vertreten, wie lief da das Casting ab?
Jella Haase: Meine Agentin sagte zu mir: "Jella, hier ist ein total gutes Buch, das ist Love, Sex and Rock´n Roll" Ich habe sofort beim Einlesen gesagt, das würde ich gerne machen. Meine beste Freundin hat mich darin bestärkt, als ich ihr von der Geschichte erzählt habe.
Sarah Horváth: Bei mir war das ein bisschen anders, denn ich bin erst später dazu gekommen. Es wurden vor mir schon einige andere Mädchen gecastet. Als ich zum Casting kam, hatte ich das Drehbuch gelesen und fand es toll, aber hatte noch nicht so ein richtiges Verständnis dafür entwickelt, um was es darin genau ging. Beim Casting habe ich mit Jella gespielt und das war gleich ein gutes Gefühl.
Jella Haase: Ich hatte zu diesem Zeitpunkt schon Vergleiche, wie es mit den anderen Mädchen war. Als ich zusammen mit Sarah gespielt habe, ist der Funken sofort übergesprungen. Als Ziska mir dann sagte, dass sie sich für Sarah entschieden hat, war mir das eigentlich schon zuvor klar.
Ziska Riemann: Unter den vielen Gesichtern, die ich während des Castens gesehen habe, fiel mir Jella sofort auf. Sie hat eine ganz besondere Ausstrahlung und ich wollte unbedingt eine der beiden Hauptrollen mit ihr besetzen. So etwas darf man als Regisseurin aber dem gecasteten Mädchen nicht gleich sagen. Dass muss erst mit der Redaktion abgesprochen und abgesegnet werden. So musste Jella noch einige Casting-Runden mitmachen, bevor sie eine Entscheidung bekam. Und ich musste auch warten, bis ich beide Mädchen gefunden habe., Die endgültige Entscheidung fiel erst, als ich Jella und Sarah zusammen erlebt habe.

AVIVA-Berlin: Jella und Sarah, Ihr habt beide schon einige Filme gedreht und seid noch sehr jung. Wie kamt Ihr ursprünglich zum Schauspiel? Wie war Euer Weg zu den Schauspielagenturen?
Jella Haase: Nun, am Anfang war es so, dass ich Bollywood-Fan war und so etwas auch selbst machen wollte. Ich habe mich bei einer Schauspielschule angemeldet und dann hat sich das alles weiterentwickelt.
Sarah Horváth: Ich habe als kleines Mädchen Theater gespielt. Etwas später habe ich beim ZDF-Morgenmagazin zusammen mit einer Freundin ein Praktikum gemacht. Als wir dort in Kontakt mit Schauspielern kamen, sagten wir uns, das können wir auch. Ich bin von einer Agentur aufgenommen worden, die ersten Castings waren nicht so gut, aber irgendwann hat es dann geklappt.

AVIVA-Berlin: Wie würdet Ihr das zentrale Thema des Films selbst beschreiben?
Jella Haase: Ganz klar im Vordergrund ist die Freundschaft von Ari und Oona und die schwierige Situation in ihren Familien.
Sarah Horváth: In der Freundschaft zwischen Ari und Oona geht es auch darum, wie viel sie gefühlsmäßig voneinander lernen. Ari hilft Oona, endlich mal ihre Gefühle wahrzunehmen und zu zeigen. Sie haben beide Glück, dass sie einander getroffen haben, und es gelingt ihnen dadurch, in schwierigen Situationen gut zu überleben.
Jella Haase: Am Anfang könnte man denken, Oona ist ein eher harter Typ, und, was könnte sie von einem Mädchen wie Ari wollen. Schon äußerlich sind sie verschieden, aber innerlich sind sie schnell tief miteinander verbunden.

AVIVA-Berlin: Vielen Dank für das Interview!

Weitere Infos zum Film " "Lollipop Monster" finden Sie unter:

http://www.lollipop-monster.de/

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