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AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 10.04.2010


Interview mit Golden diskó Ship
Undine Zimmer

Im Rahmen des LFSM 2010 - The female indie-music festival sprach AVIVA-Berlin mit der Musikerin über Rastlosigkeit, Chaos und Ordnung, Zwischenzustände und die Suche nach immer neuen Klängen.




Teresa wirft sich auf der Bühne noch schnell den goldenen Umhang um, setzt sich den goldenen Schirm auf und Sekunden später vibriert der Raum. Auf der Leinwand fliegen Landschaften vorbei, Wasser rauschen und ein Karussell dreht sich zu der Musik. Scharfe Konturen verwischen. Irgendwie stellt sich das Gefühl ein, zu schweben. "golden diskó ship" ist unterwegs und lässt sich treiben, schraubt mal hier, mal da. Gitarre und Geige, Rascheln und Sausen treiben die Assoziationen vorwärts, landen kurz - doch nur, um kurz darauf wieder abzuheben.

Angefangen hat alles mit Laptop und Gitarre. Hinter der One-woman Band "Golden diskó ship" steht die seit 2007 in Berlin lebende Theresa Stroetges. Sie versteht sich als eine experimentierende Klangkünstlerin, Bastlerin elektronischer Sounds und musikalische Sachensucherin. Dank ihrer Affinität zur isländischen Landschaft schleichen sich sphärische Klänge zwischen die elektrischen und akustischen Gitarrentöne. Ihre Musik besteht aus zwei Schichten: Im Hintergrund liegt ein vorwärts strebender Drive, der durch den Beat, Geräusche im Hintergrund und Breaks geprägt ist, im Vordergrund dominieren sehr weiche, warme Klänge und Melodien. Ihr Album "City Splits #1 Berlin" ist am 26. März 2010 bei dem Label Monika Enterprise, gegründet von der Musikerin und Managerin Gudrun Gut erschienen.


AVIVA-Berlin: Das "LFSM Festival 2010" steht unter dem Motto "Frauen mischen sich ein" und möchte alle Facetten weiblicher Musik präsentieren. Was ist das speziell Weibliche in Deiner Musik?
Golden diskó ship: Ich bin mir nicht ganz sicher ob es wirklich so etwas gibt wie weibliche Musik. Ist es nicht nur eine Art Klischee, dass es Musik gibt, die Männer machen können und Frauen nicht? In meine Musik fließt natürlich meine eigene Perspektive ein - und ich bin nun auch einmal eine Frau. Aber ich glaube eigentlich nicht, dass meine Musik so viel anders wäre, wenn ich keine Frau wäre.

AVIVA-Berlin: Du bist dafür bekannt, dass du gerne mit Sounds und Klängen experimentierst und auch Spielzeuginstrumente verwendest. Wo sammelst du am liebsten Geräusche?
Golden diskó ship: In meinem Zimmer! Ich benutze Samples von meinem Computer, gehe aber auch draußen. Letztens habe ich ganz viele Wassersamples aufgenommen. Ich suche sehr gerne auf Flohmärkten, dort finde ich alte und skurrile Instrumente, die eigentlich keine richtigen Instrumente sind, weil sie niemand mehr verwendet.

© Undine Zimmer, AVIVA-Berlin


AVIVA-Berlin: Du bist jetzt 27 Jahre alt und sagst über dich selbst, dass Rastlosigkeit eine deiner Inspirationsquellen ist. Wie äußert sich das in Deiner Musik? Was sind die Bereicherungen dieser Rastlosigkeit, was nervt Dich vielleicht manchmal daran?
Golden diskó ship: Gut ist daran, dass mich das Gefühl der Rastlosigkeit dazu bringt, Sachen zu machen, wie Musik. Was sich konkret in der Musik niederschlägt, ist so ein Chaoselement: Geräusche und Sounds, die die Ordnung aufbrechen. Viele meiner Songs haben ein rastloses Element und ich versuche die feste Struktur von Strophe und Refrain aufzubrechen. Manchmal ist es auf der Kippe zum Auseinanderfallen. Das Gute daran ist, dass man sich zwingt, etwas Neues zu machen. Ich finde Chaos interessant. Ich habe oft während des Schreibens von meinen Songs so einen Moment, wo ich denke, dass mir alles zu viel wird - und dann muss ich da wieder etwas Ordnung reinbringen.

AVIVA-Berlin: Dein Künstlername "golden diskó ship", klingt glamourös und geheimnisvoll. Du hast dich nach einem alten heruntergekommen Schiff an der Küste Islands benannt. Wie hast du diesen Namen für dich gefunden und was drückt er für deine Musik aus?
Golden diskó ship: Da lag dieses Schiff zwischen all den anderen arbeitenden Schiffen in einem Hafen in Island. Es war golden angemalt, total heruntergekommen und eigentlich gar nicht so glamourös. Ich habe nachgeforscht und die Geschichte entdeckt von diesen Isländern, die auf einem goldenen Partyschiff in der Südsee von Insel zu Insel schippern wollten. Am Ende haben sie es gerade mal geschafft das Schiff golden anzumalen und jetzt liegt es im Hafen und verrottet. Ich habe damals ein Video davon gemacht, das ich mir angeguckt habe, als ich wieder zuhause war. Da ich gerade einen Bandnamen suchte, habe ich mich golden discó ship genannt.

AVIVA-Berlin: Du hast deine letzte CD zusammen mit Jasmina Maschina bei Monika Enterprise veröffentlich. Wie war die Zusammenarbeit?
Golden diskó ship: Ich arbeite schon lange mit Jasmin zusammen. Wir haben uns auf einem Geburtstag getroffen, wo ich eine lange betrunkene Rede darüber gehalten habe, dass ich unbedingt Schlagzeug spielen möchte bei irgendwem. Danach entstand so eine kleine peinliche Stille, weil ich so lange geredet hatte und keiner eine Chance hatte etwas zu sagen. Plötzlich sagte Jasmin in die Stille hinein: "You can be my drummer if you want". So haben wir zusammen angefangen. Ich habe dann nicht bei ihr Drums gespielt, sondern andere Instrumente und bald sind wir zu zweit auf Tour gegangen - oft in meinem Auto. Beide haben wir, unabhängig voneinander, Aufnahmen an Gudruns Label geschickt. Gudrun hatte dann die Idee, eine zweiseitige LP daraus zu machen. Ihr neues Konzept ist, eine CD mit zwei Künstlerinnen aus einer Stadt zu produzieren. So sind wir die Nummer Eins in der Serie "City Splits" geworden, mit Berlin als erster Stadt. Das war schon toll. Jasmin und ich machen sonst auch viel zusammen und jetzt sind wir zusammen auf einem Vinyl.

© Undine Zimmer, AVIVA-Berlin


AVIVA-Berlin: Worin liegen die Vorteile, mit Frauen zusammen zu produzieren und auf einem "Frauenlabel" zu veröffentlichen?
Golden diskó ship: Ich sehe da keinen Unterschied. Ich arbeite nicht besser mit Frauen zusammen als mit Männern. Es sollte aber vordergründig um die Musik gehen und nicht darum, dass ich einen Vertrag bekommen habe weil ich eine Frau bin.

AVIVA-Berlin: Deine Titel und Texte sind verschlüsselt und poetisch und vereinen manchmal Gegensätzliches, wie der Titel "Wake Sleep" oder so komplizierte Konstruktionen wie "my exgirlfriends new boyfriend".
Golden diskó ship: Oft entstehen meine Songs aus einem Mix. Es geht nicht um etwas super Konkretes. Jeder Satz bezieht sich vielleicht auf etwas anderes in meinem Kopf. Es ist auch gar nicht meine Absicht, jemandem eine Story zu erzählen oder etwas genau zu beschreiben. Meine Songs sind schon persönlich, aber nicht in diesem Sinne. Das Lied "Wake Sleep" handelt zum Beispiel von dem Zwischenzustand morgens vor dem Wachsein, wenn man noch ganz viele unlogische Gedanken und komische Assoziationen hat.

AVIVA-Berlin: Was sind Deine musikalischen Ziele für 2010?
Golden diskó ship: Erst mal viele Touren. Mit Jasmin werden wir für die "City Splits" in Deutschland und Österreich unterwegs sein. Im Oktober gehen wir nach Frankreich und in die Schweiz. Im Juni bin ich zehn Tage auf UK-Tour. Über kurz oder lang würde ich auch total gerne mein eigenes Album rausbringen. Also eins nur von mir.

Vielen Dank für das Interview und: wir lieben Deine Website! www.goldendiskoship.com.

Weitere Infos zu Golden diskó ship unter:

www.myspace.com/goldendiskoship

www.monika-enterprise.de

Weitere Infos zum "The Female Indie-Music Festival 2010": www.lfsm.net


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Beitrag vom 10.04.2010

Undine Zimmer