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AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 08.01.2010


Interview mit der Regisseurin Caroline Bottaro
Claudia Amsler

Sie glaubt an die Änderung des Lebens, unabhängig von Herkunft und sucht stets das Optimistische. Ihr Debütfilm "Die Schachspielerin" war in Frankreich ein großer Erfolg und läuft seit...




...7. Januar 2010 in den Kinos. Wer jedoch hinter der in Bielefeld geborenen Filmemacherin steckt, blieb bis zu unserem Interview noch ein Rätsel. AVIVA-Berlin hatte die Möglichkeit, mit Caroline Bottaro über ihren Film und ihr Leben zu sprechen. Doch die passionierte Regisseurin ist nicht nur schön und 1,90, sondern sprüht auch vor Esprit und Humor.

AVIVA-Berlin:Wenn frau Ihren Namen bei einer Suchmaschine eingibt und zu Ihnen recherchieren will, trifft sie "nur" auf den Film "Die Schachspielerin". Frau findet sonst nichts über Sie. Wer sind Sie?
Caroline Bottaro: Wer ich bin? Das weiss ich selbst noch nicht ganz genau, da bin ich wirklich noch auf der Suche. Das ist eine gute Frage, aber ich denke, dass man sich von Tag zu Tag ein bisschen besser kennen lernt. Besonders während meiner sechsjährigen Arbeit an der "Schachspielerin", habe ich gemerkt, dass ich Ähnlichkeiten mit Hélène habe, denn trotz der ständigen Hoch- und Tiefflügen gab ich nicht auf und wollte unbedingt diese Geschichte verfilmen. Dieses Kämpferische und Optimistische haben Hélène und ich gemeinsam und dies möchte ich auch mit dem Film demonstrieren.

AVIVA-Berlin: Sie haben vorher Drehbücher geschrieben und Kurzfilme dirigiert. Wieso haben Sie sich entschieden den Roman "Die Schachspielerin", geschrieben von Ihrer Nachbarin Bertina Henrichs, frei zu verfilmen? Was hat Sie an dieser Story gereizt?
Caroline Bottaro: Die Geschichte dieser Frau und nicht das Schachspiel - ich spiele es bis heute noch nicht (lächelt). Ich war die erste, die Bertinas Roman gelesen hat und bereits nach zehn Seiten bemerkte ich dieses gewisse Etwas, die banale Geschichte von dieser Frau mit ihrer glühenden Leidenschaft zum Schach, welche schließlich sie und ihr Umfeld positiv veränderten.

AVIVA-Berlin: Sehen Sie diesen Wandel von Hélène auch als eine weibliche Emanzipation?
Caroline Bottaro: Ja, das ist es auch, das gehört dazu. So ist die Szene des Schachspiels zwischen Jennifer Beals und Dominic Gould, welche im Roman nicht vorkommt, sehr wichtig. Sie ist der Inbegriff von Leidenschaft. Hélène will diese Leidenschaft auf sich und ihren Mann Anges übertragen, sie will durch dieses Spiel zurück finden zu ihrer eigenen Weiblichkeit und Sinnlichkeit. Und das gelingt ihr durch das Schachspiel.

AVIVA-Berlin: Und trotzdem hat es ja nicht geklappt, dass Hélène Anges in den Bann des Schachspiels ziehen konnte und auch Dr. Kröger unterstützte sie nicht von Beginn an. Woher nimmt sie diese Willensstärke? Ist das eine weibliche Stärke?
Caroline Bottaro: Vielleicht ist das weiblich, ja. Aber für mich sollte der Film nicht feministisch wirken, obwohl feministische Aspekte vorhanden sind. Dies war jedoch nicht die Absicht des Films, denn ich denke, jeder kann sich mit Hélène identifizieren. Aber das alles sollte nicht so militant wirken.

© Concorde, Patrick Glaize


AVIVA-Berlin: Der Film spielt in Korsika, entgegen dem Buch, denn dort ist der Schauplatz Griechenland. Wieso Korsika?
Caroline Bottaro: Ich hätte nicht in einem Land drehen können, das ich nicht kenne und zudem dachte ich seit Beginn des Buches an Sandrine (Bonnaire, Anm. d. Redaktion) als Hauptdarstellerin, deswegen lag Frankreich nah. So musste ich nur noch einen mediterranen Ort in Frankreich finden und das kann nur Korsika sein. Doch ich muss auch zugeben, dass alles ein glücklicher Zufall war, denn auch das Hotel, in dem wir gedreht haben, war genauso wie im Buch. Es war wie im Traum! Beispielsweise das Zimmer, in dem Jennifer Beals und Dominic Gould Schach spielen, war im Drehbuch Zimmer Nummer 17 und als ich das erste Mal im Hotel war, gab es nur ein Zimmer, in dem es möglich war, überhaupt diese Szene zu drehen und das war Zimmer Nummer 17. Und auch die Frau, die sich im Film um das Hotel kümmert, war im wirklichen Leben eine Frau, die ihr ähnlich war. Unglaublich...

AVIVA-Berlin: Ist es nicht schwierig, insbesondere, wenn solche Zufälle passieren, zwischen Realität und Film zu unterscheiden? Ich meine, Sie haben sechs Jahre an der "Schachspielerin" gearbeitet, haben Sie nicht plötzlich selbst im Film gelebt?
Caroline Bottaro: Puh, das ist eine gute Frage. Ich hab schon viele Interviews gegeben, aber das hat mich bisher noch nie jemand gefragt. (Überlegt) Doch klar, es ist wohl immer noch ein Problem, an dem ich noch arbeiten muss. Nach fünf Jahren wollte ich einfach nur noch drehen und so ist es mir auch sehr einfach gefallen. Was sich jedoch alles in mir innerlich abspielte, ist etwas ganz Anderes, etwas sehr Intimes. Was sich alles dahinter verbirgt, ist schwierig zu fassen und so auch sehr schwer zu beantworten.

AVIVA-Berlin: Und während diesen sechs Jahren Arbeit hat Sie Sandrine Bonnaire immer begleitet. Wie haben Sie Sandrine überhaupt kennen gelernt?
Caroline Bottaro: Vor zehn Jahren habe ich beim Drehbuch "C´est la vie" von Jean-Pierre Améris mitgeschrieben und Sandrine war, neben Jacques Dutronc, die Hauptdarstellerin. Wir haben uns von Beginn an gut verstanden, daher hatte ich die Chance, Sandrine für die "Schachspielerin" anzufragen, wir wurden sehr gute Freundinnen und sie war die ganzen sechs Jahre über dabei. So habe ich auch das Gefühl, dass in jeder neuen Drehbuchversion, von den achtzehn, mehr von Sandrine selbst, als Person, vorhanden ist. Deshalb ist Hélène eine Mischung aus Sandrine, mir, Bertina Henrichs und auch ein eigener Charakter, der selbst existiert.

AVIVA-Berlin: Würden Sie Hélène, wie auch die Dame im Schach, als die stärkste Figur im Film bezeichnen?
Caroline Bottaro: Ja, natürlich. Nur gibt es einen Unterschied, denn beim Schachspiel - das weiss ich, auch ohne Schach zu spielen - weiss man, dass die Dame die Stärkste im Spiel ist. Im Gegensatz zum Film, denn am Anfang weiss man nicht, dass Hélène die Stärkste ist. Die Geschichte erzählt, wie sie es wird - beschreibt ihren Wandel. Und was mir auch besonders gut an dem Roman gefallen hat, ist, dass Hélène die Stärkere wird, doch nicht die Stärkere sein will. Es ist nicht ihre Absicht, sie will bloss gut Schachspielen und natürlich will sie deshalb auch gewinnen. Zudem gefällt es mir, dass sie am Anfang ihr Leben nicht verändern will, ihr Leben ändert sich durch das Schachspiel, sie selbst entscheidet das nicht wirklich.

AVIVA-Berlin: Das ist wohl auch das Spezielle am Film, dass er nicht die typischen Rollenverteilungen vorweist. Es gibt keinen Bösen und auch mit dem eifersüchtigen Ehemann Anges werden sich einige identifizieren können...
Caroline Bottaro: ...ja viele, in Frankreich war das sehr extrem ausgeprägt. Viele Zuschauer, ob Frau oder Mann, haben gesagt, dass sie sich mit Hélène oder eben mit Anges, der Tochter oder sogar mit Krüger identifizieren können.

AVIVA-Berlin: Aber wie ist Ihnen diese Authentizität der Charaktere gelungen? Haben Sie irgendein Rezept?
Caroline Bottaro: Ich weiss es nicht, vielleicht liegt es daran, dass ich selber ein Mensch bin, das weiss ich jedoch noch nicht. (lacht) Nein, ich hoffe natürlich, dass ich ein Mensch bin und so war es auch mein Ziel im Film, die Charaktere menschlich wirken zu lassen, und dass der Film die Menschen berührt und sehr intim wirkt. Es muss auch nicht ein "Boom" sein, "Die Schachspielerin" gleicht einem Nachttischbuch, eine kleine Geschichte, die aber berührt. Und was ich während dieser sechs Jahre und 18 Drehbuchversionen gelernt habe, ist, Vertrauen zu haben. Vertrauen in sich selbst, in die Geschichte, die man erzählen will und in das Publikum.

Deswegen will ich den Zuschauern mit Hélène zeigen, dass jeder und jede sein Leben ändern kann, ohne irgendetwas Großes anzusteuern. Es können ganz kleine unnötige Dinge sein, wie das Schachspielen (wiederholt verträumt - Schachspielen ist wirklich etwas Unnötiges), die das Leben verändern und sich selbst glücklich machen.

AVIVA-Berlin: Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg für Ihre zukünftigen Projekte!

Lesen Sie unsere Rezension zu "Die Schachspielerin" - ein Film von Caroline Bottaro mit Sandrine Bonnaire.


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Beitrag vom 08.01.2010

AVIVA-Redaktion