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AVIVA-BERLIN.de im April 2024 - Beitrag vom 08.10.2009


Interview mit Sun-Ju Choi
Iella Peter

Die Autorin, Drehbuchlektorin und Filmemacherin und Leiterin des "Asian Women`s Film Festival" lebt in Berlin. Sie studierte englische und romanische Philologie sowie Japanologie an der ...




... Universität zu Köln und an der Université de la Réunion in Frankreich.

Chois Filme beschäftigen sich vornehmlich mit Themen wie Rassismus, Illegalisierung und koreanischer Migrationsgeschichte in Deutschland, darunter "Weißes Ghetto" (2002), "Das Integrationsmärchen" (2003) und "Recolonize Cologne" (2005). 2006 war sie MitherausgeberIn des Erzählbandes "Zuhause - Erzählungen von deutschen Koreanerinnen" und übernahm 2007 die künstlerische Leitung des "Asian Women`s Film-Festival". Seit 2008 ist Choi Vorstandsmitglied des "korientation e.V.".

AVIVA-Berlin: Inwieweit hat Ihre Kindheit Sie dazu inspiriert, den Beruf der Filmemacherin zu wählen?
Sun-Ju Choi: Filme und Bücher haben mich schon immer inspiriert. Ich habe Literatur studiert, beschäftige mich aber seit mehreren Jahren intensiv damit, wie sich Themen wie beispielsweise Migrationserfahrungen visualisieren lassen, sei es in Filmen oder auch bei Ausstellungen.

AVIVA-Berlin: Wie kam es dazu, dass Sie den Auftrag als Kuratorin des "Asian Women`s Film Festival" erhielten?
Sun-Ju Choi: Vor der Gründung des Festivals 2007 habe ich gemeinsam mit der Koreanischen Frauengruppe den Band "Zuhause: Erzählungen von deutschen Koreanerinnen" heraus gegeben. Die Idee für ein Festival entstand im Anschluss aus der gleichen Gruppe von Frauen heraus. Wir wollten Filme zu den Themen Ethnizität, Gender, Migration von asiatischen Filmemacherinnen in Berlin zeigen, da asiatische Frauen und ihre Perspektiven in der deutschen medialen Öffentlichkeit bisher nur unzureichend repräsentiert sind. Ich hatte vor dem AWFF schon als Lektorin beim WDR, als Drehbuchautorin und Filmemacherin gearbeitet, daher war es naheliegend, weitergehend mit dem Medium Film weiterzuarbeiten und ein eigenes Festival zu gründen.

AVIVA-Berlin: Unter welchen Gesichtspunkten haben Sie die Auswahl der Filme für das diesjährige Festival getroffen?
Sun-Ju Choi: Wir haben dieses Jahr drei Schwerpunkte: Spielfilme aus Nordkorea, Asian Diaspora und Kurzfilme von den Philippinen. Nachdem wir letztes Jahr Klassiker aus Südkorea gezeigt haben, erschien es mir spannend, dieses Jahr Spielfilme aus Nordkorea zu zeigen. Filme aus der Diaspora sind immer aufregend, weil sie wichtige Fragen wie Ethnizität, Zugehörigkeit und kulturelle Identität auf vielfältige Art und Weise behandeln und Geschichten erzählen, die sich aus den eigenen Erfahrungen speisen.

Wir werden des Öfteren gefragt, welche Länder und Leute wir in das "Asian" in unserem Filmfestival mit einbeziehen und es ist nicht einfach, gleichzeitig bewusst Identitätspolitik zu betreiben und Kategorien wie Nation und Ethnizität in Frage zu stellen. Filmemacherinnen der Asian Diaspora zeigen sehr viele Facetten von Identität auf bzw. stellen gleichzeitig jene Kategorien in Frage.

Bisher wurden in Deutschland kaum Filme von den Philippinen gezeigt, und als wir gleich mehrere Kurzfilme zum Thema Migration gefunden haben und die Filmemacherin Lizza May David zugesagt hat, bot es sich an, einen Schwerpunkt "Philippines" zu wählen.

AVIVA-Berlin: Was war die größte Herausforderung in der Umsetzung des Festivals?
Sun-Ju Choi: Unter anderem aufgrund der Finanzkrise war es dieses Jahr sehr schwer, das notwendige Funding zusammen zu bekommen. Aber wir haben dennoch viel Unterstützung von vielen Seiten erfahren, und wir sind stolz, dass wir es geschafft haben.

AVIVA-Berlin: Wie sind Ihre Erwartungen an das diesjährige "Asian Women`s Film Festival" 2009?
Sun-Ju Choi: Es haben sich bereits mehrere Leute bei uns gemeldet, um sich Karten für die nordkoreanischen Filme reservieren zu lassen, es scheint also ein großes Interesse an diesem Schwerpunkt zu geben. Es wird im Oktober sehr viele Konkurrenzveranstaltungen wie zum Beispiel die Frankfurter Buchmesse geben, aber wir sind optimistisch, dass genügend Gäste kommen werden. Wir freuen uns insbesondere auch auf die Gäste aus den migrantischen Communities.

AVIVA-Berlin: Inwieweit hat der Tod der malaysischen Regisseurin Yasmin Ahmad eine Bedeutung für das diesjährige Festival?
Sun-Ju Choi: Wir haben ihren letzten Film "Talentime” als Eröffnungsfilm gewählt, um ihren Beitrag für das neue malaysische Kino zu würdigen. Ihr Einfluss auf die malaysische Film – Szene ist deutlich zu sehen. Beim ersten Festival 2007 haben wir bereits den Spielfilm "Sepet" von ihr gezeigt. Wir waren begeistert, wie sie den multiethnischen Alltag Malaysias, die Diskussion von Ethnizität und Gender, in ihren Arbeiten aufgreift. Auch war Ahmad als Person sehr beeindruckend. Kontinuierlich kritische Fragen über Vorurteile, Rassismus und gesellschaftliche Ungerechtigkeit aufzuwerfen, verlangt Mut und Kraft zur Auseinandersetzung – in diesem Sinne ist sie ein Vorbild für uns.

AVIVA-Berlin: Erhoffen Sie sich durch das Festival auch eine breitere Öffentlichkeit für das Thema der koreanischen Migrationsgeschichte in Deutschland?
Sun-Ju Choi: Korea wird sicherlich thematisch immer ein wichtiger Teil des Festivals sein, ich erhoffe mir jedoch eine breitere Öffentlichkeit ebenso für die vietnamesische, philippinische, chinesische etc. Migrationsgeschichte Deutschlands.

AVIVA-Berlin: Wie ist heutzutage die (Arbeits-) Situation für Filmemacherinnen – Produzentinnen und Regisseurinnen - in Südkorea? Gibt es Frauen, die Einfluss im Filmgeschäft habne?
Sun-Ju Choi: Das Filmgeschäft ist nach wie vor eine Männerdomäne. Wichtig in Südkorea ist das Seoul International Women´s Film Festival, das größte Frauenfilmfestival Asiens. Es existiert bereits seit einer Dekade und wird staatlich unterstützt. Dort haben junge Filmemacherinnen die Chance, ihre Arbeiten einem internationalen Publikum vorzustellen.
Auffällig positive Entwicklungen sind in Singapur und Malaysia zu beobachten. Dort arbeiten zunehmend Frauen in der Werbebranche und beim Fernsehen. Sie sammeln zuerst Arbeitserfahrungen und Kapital und produzieren dann Filme bzw. führen selber Regie.

AVIVA-Berlin: Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg für das "Asian Women`s Film Festival" und Ihre zukünftigen Projekte!

Weitere Infos zum Asian Women´s Film Festival 2009 und das ausführliche Programm finden Sie unter: www.asianwomensfilm.de

Veranstaltungsort: Kino Arsenal
Potsdamer Straße 2
10785 Berlin
www.arsenal-berlin.de


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Beitrag vom 08.10.2009

AVIVA-Redaktion