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Beitrag vom 08.06.2009
Rebecca Niazi-Shahabi im Interview
Sharon Adler
Rebecca Niazi-Shahabi, geboren 1970 in Bremen, kommt aus einer deutsch-iranisch-israelischen Familie. Sie lebt als freie Autorin in Berlin und arbeitet als Texterin für verschiedene Werbeagenturen.
Im März 2009 erschien ihr Roman "Leichte Liebe". Darin erzählt die Autorin von Yael, Mitte dreißig, Werbetexterin und Single, in Berlin lebend. Als ihr Vater spurlos verschwindet, begibt Yael sich auf die Suche nach ihm und findet ihre Familie und ihre Wurzeln in Israel. AVIVA-Berlin hat mit Rebecca Niazi-Shahabi über ihre Arbeit gesprochen.
AVIVA-Berlin: Yael recherchiert das Leben des Vaters, um die blinden Flecke mit Leben zu füllen - wie viel Rebecca steckt in Yael, Deiner Protagonistin in "Leichte Liebe"?
Rebecca Niazi-Shahabi: Natürlich ist viel autobiografisch in dem Roman, die Figuren, das ganze Setting beruhen auf wirklichen Erlebnissen. Aber Yael ist eine Figur, sie verkörpert nicht eins zu eins meine Person, sondern lediglich einen Aspekt von mir – nämlich den, um den es in meinem Buch geht: Die Sehnsucht nach einem anderen Leben.
AVIVA-Berlin: Stichwort Judentum – würdest Du sagen, es ist ein typisch jüdisches Phänomen, nach seinen Wurzeln zu forschen? Wenn ja, warum?
Rebecca Niazi-Shahabi: Das höre ich so oft – und habe keine Antwort darauf. Ich bin ja übrigens nicht in einer jüdischen Familie aufgewachsen. Aber schaut man sich die Geschichte meines Vaters an, oder geht nach Israel und trifft dort Menschen mit ähnlichem Hintergrund, dann begreift man, dass dieses aus seiner Heimat gerissen sein, das Gefühl anders zu sein, die Einsamkeit, durchaus mit dem Umstand zu tun haben, Jude zu sein.
AVIVA-Berlin: Was macht für Dich persönlich Judentum aus, was bedeutet es für Dich, jüdisch zu sein?
Rebecca Niazi-Shahabi: Ich bin ja nach jüdischem Gesetz keine Jüdin, meine Oma hat meine Mutter taufen lassen, nicht aus Überzeugung, sie wollte sich wohl anpassen. Jedenfalls hat meine Mutter später einen Iraner geheiratet, meinen Stiefvater, und ich habe zu Hause gelernt, mich frei von Identifikationen zu machen, d.h. mich selbst weder mit meiner nationalen, religiösen, ethnischen Abstammung oder mit meinem Geschlecht auf- oder abzuwerten. Ich hoffe, das merkt man auch an meinem Buch, dass ich auch dort nicht den Trumpf des "Jüdischen" ausspiele, nur, um mich "irgendwie interessant" zu machen.
AVIVA-Berlin: Wie gelingt Dir die kunstvolle Verbindung zwischen knallharten Werbewelten, verloren geglaubten Märchen und der Suche nach den eigenen Wurzeln?
Rebecca Niazi-Shahabi: Ehrlich gesagt, hoffe ich immer auf den rettenden Einfall. Manchmal habe ich Glück und die Assoziationen harmonieren.
AVIVA-Berlin: Dein Lieblingsort in Berlin?
Rebecca Niazi-Shahabi: Ein türkisches Café in der Oranienstraße in Kreuzberg.
AVIVA-Berlin: Dein Lieblingsort in Israel?
Rebecca Niazi-Shahabi: Die ganze Innenstadt von Tel Aviv. Ich liebe es, mit einem Sandwich in der Hand des Nachts durch die Straßen zu spazieren und den Leuten in ihre modernen Wohnungen zu schauen.
AVIVA-Berlin: Du hast an der UdK Grafikdesign, Bildende Kunst und Philosophie studiert, später Praktika bei Werbeagenturen und bei Grundy Ufa gemacht und bist heute eine gefragte Werbetexterin, Journalistin und Autorin. Was würdest Du jungen Frauen heute raten, die im journalistischen Bereich oder in der Werbebranche Fuß fassen wollen?
Rebecca Niazi-Shahabi: Ich kann niemanden etwas raten – ich bin nämlich eine sehr bequeme Person. Ich habe mir durch Freunde und Bekannte ein Umfeld geschaffen, in dem ich frei arbeiten und davon leben kann. Ich arbeite auch nur mit Leuten, die ich nett finde – ein Luxus, den sich auch nicht jeder leisten kann. Ich glaube, wenn ich jetzt plötzlich knallharte Akquise machen müsste, wäre ich aufgeschmissen, da würde ich dann gerne die jungen Frauen fragen, wie ich das machen soll.
AVIVA-Berlin: Ebenfalls 2009 im rowohlt Verlag erschienen ist Dein Buch "Bündnispartner gesucht", Untertitel: Eine Frau auf der Suche nach dem richtigen Mann im 5-Parteien-System. Wie kam es zu dieser Buchidee?
Rebecca Niazi-Shahabi: Jedenfalls nicht primär durch den Wunsch, einen Mann zu finden. Mich trieb dieselbe Frage um wie Oskar Lafontaine in seinem Buch "Mein Herz schlägt links": Wie verhält sich jemand, der im Namen von Gerechtigkeit und Menschlichkeit politische Forderungen aufstellt, privat? Ist er nett oder nicht, ein guter oder ein schlechter Mensch? Doch ich war misstrauisch: Findet man nicht eigentlich immer die Menschen sympathisch, welche dieselbe Meinung haben wie man selbst? Dann fiel mir eine Zeitungsmeldung in die Hände – dort schrieb ein Soziologe aus Brüssel, er habe in einer Untersuchung herausgefunden, dass konservative Politiker ihre sozialistischen Kollegen sympathischer finden als ihre eigenen. Und kurze Zeit später meinte eine Freundin (sie ist Politikerin für die Grünen), wenn man einen Mann kennen lernen will, muss man in eine Partei gehen, denn da herrscht Männerüberschuss. So entstand die Idee, in dieser privaten Verkleidung – d.h. Männersuche – einen ganz anderen Blick auf die Mitglieder aller fünf Parteien zu werfen. Mein Experiment lief ein Jahr – und der Verlag wollte das Buch auf jeden Fall veröffentlichen, auch wenn sich keine amouröse Begegnung ergeben hätte, denn auch die Lektorin hatte den Witz des Buches sofort begriffen, der einfach in dem Kontrast der Interessen besteht, der sich zwischen mir und den jeweiligen Parteimitgliedern ergibt.
AVIVA-Berlin: Inwieweit hat sich das Schreiben von "Bündnispartner gesucht" von "Leichte Liebe" unterschieden? Beides sind ja persönliche Bücher, jedes auf seine Art...
Rebecca Niazi-Shahabi: Eine gute Frage: In beiden Büchern wollte ich so ehrlich wie möglich sein. Doch Ehrlichkeit ergibt sich nicht von allein, man schildert seine Erlebnisse und Gefühle und dann muss man graben: Was steckt dahinter, wie war das denn wirklich, wenn Du ganz ehrlich bist – denn nur dann ist es für den Leser interessant, weil er sich identifizieren kann. Aber als ich dann an diesen beiden Büchern arbeitete, merkte ich, dass man auch den richtigen Ton treffen muss: Was in "Leichte Liebe" interessant wirkte, erschien in "Bündnispartner gesucht" deplaziert. Ich stand also vor der Herausforderung: Wie formuliere ich etwas leicht und unbeschwert, ohne oberflächlich und unehrlich zu werden. Daher ist mir teilweise das Schreiben von "Bündnispartner gesucht" schwerer gefallen als der Roman.
AVIVA-Berlin: Mal was anderes: Für das KaDeWe hast Du zum Winterschlussverkauf 2000 den Slogan "Ruinieren Sie uns. Wir können auch schwäbisch" kreiert. Wie siehst Du das heute vor dem Hintergrund der drohenden Insolvenz?
Rebecca Niazi-Shahabi: Oh, das ist solange her. Das hängen die bestimmt nicht mehr in ihre Schaufenster. Aber selbst, wenn es keine Krise gäbe, würde ich abraten: Sind ja olle Kamellen.
AVIVA-Berlin: Verrätst Du uns Deine Projekte in Planung?
Rebecca Niazi-Shahabi: Tatsächlich würde ich gerne weiterschreiben. Ich arbeite gerade an einer Idee zu einem Roman über eine langjährige Freundschaft, die irgendwann an einer Kleinigkeit zerbricht. Ich hoffe, meinem Verlag gefällt es – denn ohne die Hilfe meiner Lektorin kann ich nicht arbeiten.
AVIVA-Berlin: Herzlichen Dank für das Interview und viel Erfolg bei Deinen nächsten Projekten.
Lesen Sie auch unsere Rezension zu "Leichte Liebe" von Rebecca Niazi-Shahabi.
Rebecca Niazi-Shahabi im Netz: www.rebecca-niazi.de