Frauen und Geld. Wichtig, aber (zu)wenig beachtet. das finanzkontor berät Frauen bei ihrer Lebensplanung aus finanzieller Sicht. AVIVA-Interview mit Claudia Liese - Aviva - Berlin Online Magazin und Informationsportal für Frauen aviva-berlin.de Interviews





 

Chanukka 5785




AVIVA-BERLIN.de im Dezember 2024 - Beitrag vom 26.03.2021


Frauen und Geld. Wichtig, aber (zu)wenig beachtet. das finanzkontor berät Frauen bei ihrer Lebensplanung aus finanzieller Sicht. AVIVA-Interview mit Claudia Liese
Sharon Adler, Claudia Liese

Sie kann auf eine über 30 Jahre lange Berufserfahrung als Vermögensbetreuerin sowohl im Firmen- als auch im Privatkundinnengeschäft bei verschiedenen Banken zurückblicken. Heute arbeitet sie als Finanzplanerin und Teamleiterin Finanz- und Ruhestandsplanung bei das finanzkontor Kindler, Korth & Kolleginnen. Acht Fragen an Claudia Liese zum Thema Frauen und Finanzen.




AVIVA-Berlin: das finanzkontor wurde vor 35 Jahren aus der Frauenbewegung heraus gegründet. Sind Sie der Ansicht, dass Frauen heute ausreichend über Altersvorsorge, Aktien, Vermögensaufbau, Risikoabsicherung und -streuung, nachhaltige Finanzprodukte, also ethisch/ökogische Geldanlage, Bescheid wissen? Was sind Ihre Erfahrungen, welches sind die Themen und Fragen in den Beratungsgesprächen und wie kann das finanzkontor in der Beratung ansetzen?

Claudia Liese: Die Frauen wenden sich an uns, weil viele Themen leider in der Schublade liegen geblieben sind oder manche Begriffe böhmische Dörfer für sie sind. Für Aufklärung sorgen wir im finanzkontor. Die Zeit allerdings können wir nicht zurück drehen – in diesem Fall muss zeitnah gehandelt werden.
Unsere Vorgehensweise ist wie folgt: Erst einmal lernen wir die Kundin in einem kostenfreien Erstgespräch kennen, nehmen ihre Wünsche, Ziele, Lebensumstände sowohl in finanzieller als auch sozialer Hinsicht auf. Das Gespräch soll auch dafür dienen, dass die Kundin bewerten kann, ob sie sich eine Zusammenarbeit mit uns vorstellen kann, denn es muss ja schließlich auch bei Finanzthemen passen! Wir geben uns große Mühe, mit einfachen Worten die Komplexität der Finanzwelt zu erklären. So dass also am Anfang erst einmal eine Bestandsaufnahme erfolgt und vielleicht auch schon, von Fall zu Fall unterschiedlich, eine persönliche Strategie für die Frau. Meistens gibt es auch Hausaufgaben für die Kundin.
Dann kann die Kundin entscheiden, ob wir zusammen weiter den Weg gehen wollen.

AVIVA-Berlin: An welchem Punkt in ihrem Leben und beruflichen Laufbahn kommen die Frauen ins Finanzkontor? Wie sieht eine typische Frauen-Finanz-Biographie von Frauen um die 50 Jahre und deren finanzielle Situation im Allgemeinen aus?

Claudia Liese: Das ist leicht für mich zu beantworten. Frau ist um die 50 Jahre alt und hat eine kleine Rente. Hat sich lange Zeit um die Erziehung/Versorgung der Kinder gekümmert und stellt nun fest, dass die Renteneinkünfte im Rentenalter nicht ausreichen werden.
Junge Frauen kommen entsprechend früher und sind oft vorinformiert, insbesondere über soziale Medien. Sie wollen nun alles richtig machen, was die Mütter der Generationen davor versäumt haben.
Eine weitere Gruppe Frauen gibt es, die den Weg zu uns finden, weil sie geerbt haben und nun dieses Vermögen aufbauen wollen. Große Vermögen, aufgebaut ab der Nachkriegszeit, wechseln gerade vermehrt ihre Besitzerinnen, eine Erbinnengeneration.
Und dann gibt es noch den typischen Anlass einer Scheidung/Trennung von Paaren. Hier muss genau überlegt werden, welche Schritte nun zielführend sind.

AVIVA-Berlin: Rentiert es sich auch für diese Altersgruppe 50+ noch, in ihre Altersvorsorge zu investieren? Und: was würden Sie den Frauen aktuell als eine lohnende Altersvorsorge empfehlen? Gibt es eine Anlagestrategie, von der Sie ihr deutlich abraten würden?

Claudia Liese: Da der Renteneintritt nun nicht mehr so weit entfernt liegt, lohnt es sich nur dann, wenn die Frau genügend Liquidität hat, entweder in ihrer Haushaltsrechnung als auch auf ihren Giro- Spar- oder Tagesgeldkonten.
Welche Anlage, ob Immobilie, Versicherung oder Wertpapieranlage, ich ihr empfehle, ist abhängig von ihren Wünschen/Zielen, Risikoverhalten, Steuerbelastung, Gesundheit etc., also ganz individuell und kann niemals verallgemeinert werden. Das ist uns ganz wichtig im finanzkontor! Sicherlich gibt es auch Strategien, von denen ich der Kundin in ihrer persönlichen Situation abraten würde. Kritisch sehen wir beispielsweise die Festzinsangebote von zumeist unseriösen Anbietern, die eine Scheinsicherheit vorgaukeln.

AVIVA-Berlin: Was raten Sie Freiberuflerinnen und selbständigen Frauen, Existenzgründerinnen wie langjährigen Unternehmerinnen, speziell in der Situation der Corona-Pandemie? Viele dieser Frauen haben nicht die Möglichkeit, in Immobilien, oder in Aktien investieren. Oder doch? Wie gehen Sie vor, welche Lösungsvorschläge bieten Sie an?

Claudia Liese: Erst einmal empfehle ich, staatliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, soweit es geht. Viele Geschäftsmodelle sind gerade bedroht von dem wirtschaftlichen lock down. Hier gibt es Informationen über die Industrie- und Handelskammer bzw. über die Förderbanken.
Des Weiteren verfügen wir über ein großes Netzwerk und können hier Beratungen zu diesen Themen gfs. auch zu Neupositionierungen vermitteln.
Im finanzkontor schauen wir uns dann die Haushaltsrechnungen und die Rentenverträge an – was kann optimiert werden, damit es eine Entlastung gibt. Oftmals hilft auch schon das einfache Gespräch mit der Kundin, um einen Anstoß für weitere Perspektiven zu geben.
Ganz wichtig, die Frauen müssen auf ihre Liquiditätsreserve achten. Damit ist der "Notgroschen" oder besser "Notcent" gemeint!

AVIVA-Berlin: Wie können sich junge Frauen heute ein Vermögen aufbauen, damit sie unabhängig werden und bleiben? Wie kann das auch mit einem kleinen Gehalt gelingen? Wann und womit sollten sie damit anfangen, sich damit zu beschäftigen? Gibt es spezielle Programme für Berufsstarterinnen, staatliche oder betriebliche Förderungen, die sie in Anspruch nehmen können?

Claudia Liese: Junge Frauen sollten mit dem Eintritt in das Berufsleben mit dem Sparen starten. Ein Teil sollte für die Altersvorsorge zurückgelegt werden – ich empfehle möglichst 10% vom Bruttoeinkommen, ein anderer Teil für den Vermögensaufbau, um z.B. später mal eine eigene Immobilie zu erwerben.
Natürlich kann man in kleinen Größenordnungen anfangen, z.B. mit einem monatlichen Fondssparplan i.H.v. 50,-- Euro, Hauptsache, man fängt überhaupt an. Das ist tatsächlich immer noch der hauptsächliche Grund, warum Frau mit 50+ mir dann gegenüber sitzt und klagt, zu wenig Geld im Alter zu haben. Sie hat es in der Vergangenheit versäumt, mit dem Sparen anzufangen.
Für angestellte Frauen gibt es seitens der Arbeitgeber:innen eine betriebliche Förderung, um hier in eine Rentenversicherung einzahlen zu können, die die Frau im Renten-alter zusätzlich absichern soll.
Für selbständige Frauen bzw. Freiberuflerinnen kommen andere staatliche geförderte Produkte in Frage, wie z.B. die BasisRente (RürupRente).

AVIVA-Berlin: Niedrige Zinsen, schwankende Märkte – wohin tendiert Ihrer Ansicht nach im Moment das Anlageverhalten von Frauen, sind sie eher sicherheitsbewusster oder eher risikofreudiger, als noch vor zehn Jahren?

Claudia Liese: Ich stelle fest, dass die Frauen, auf Grund der Niedrigzinsphase bzw. der nun immer mehr drohenden Negativverzinsungen auf Guthabenkonten bei Banken, verstanden haben, dass im risikolosen Anlagebereich keine Rendite mehr zu erwarten ist.
Daher wagen sie sich, endlich ein bisschen mehr Risiko auf sich zu nehmen. Denn mehr Risiko bedeutet eben auch mehr Renditechancen und somit kann sich Vermögen auch schneller aufbauen.
Das freut mich sehr, denn Deutschland hat hier tatsächlich enormen Nachholbedarf.

AVIVA-Berlin: Sie haben lange Jahre als Vermögens- und Vorsorgeberaterin bei der Volksbank sowie als Anlageberaterin bei der Weberbank gearbeitet. Was sind die Unterschiede zum Arbeiten in der klassischen Bank bzw. Bankgeschäften hinsichtlich der Beratung bei das finanzkontor zur Geldanlage? Warum, denken Sie, sollten (und wollen) Frauen finanziell besonders umfassend beraten werden? Wo sehen Sie hier Defizite in den gängigen Beratungsstrategien der meisten Banken?

Claudia Liese: Ja, tatsächlich habe ich lange Zeit auch in klassischen Banken beraten, im Übrigen fast 18 Jahre bei der Berliner Volksbank, dort in den letzten zehn Jahren im Firmenkundengeschäft als Vermögensbetreuerin, will damit sagen, 80% meiner Kunden waren damals Männer, die Geschäftsführer erfolgreicher Unternehmen. In den Geldanlage Beratungsgesprächen kam ganz deutlich zur Aussprache, dass eine möglichst hohe Rendite gewünscht sei. Das Risiko dafür wurde ohne weiteres eingegangen. Die Frauen hingegen äußern an erster Stelle, wenn man sie fragt, was sie sich bei der Geldanlage wünschen, ein gutes "Bauchgefühl" sie wollen mit der Geldanlage etwas Gutes bewirken, sei es im sozialen oder ökologischen Bereich das Renditethema ist meistens eher nachrangig. Die Banken haben lange Zeit diese Bedürfnisse nicht abgefragt, geschweige denn erfüllen können. Das finanzkontor hatte hier schon immer passende Lösungen anbieten können.
Aus meiner Sicht benötigen die Frauen bei der Finanzberatung mehr Unterstützung, da sie sich oftmals mit diesem Thema entweder noch gar nicht oder zu wenig auseinandergesetzt haben. Von daher muss das Thema einfach und klar verständlich an die Frau herangeführt werden, möglichst ohne Fachchinesisch. Ich arbeite gern mit Visualisierungen und manchmal wiederhole ich eben auch Sätze, von denen ich glaube, dass sie schwer zu verstehen sind.

AVIVA-Berlin: Vielen Dank für das Interview!

das finanzkontor Kindler, Korth & Kolleginnen GmbH & Co. KG. Ihre Lebensplanung aus finanzieller Sicht

Standorte:


Landshuter Str. 22
10779 Berlin-Schöneberg

Zweigstelle Berlin-Mitte
im Gründerinnenzentrum WeiberWirtschaft
Anklamer Straße 38 (VH, 3.OG)
10115 Berlin-Mitte

Kontakt und mehr Informationen
Tel. 030 / 21 47 47 90
Fax 030 / 21 47 47 92
event@aviva-berlin.de
www.dasfinanzkontor.de

Blog: blog.dasfinanzkontor.de

Das finanzkontor

Im April 1986 wurde das finanzkontor als Frauenbüro mit dem Schwerpunkt Frauen und Geld gegründet. Ziel war es damals wie heute, Frauen zu motivieren, ihre Geldangelegenheiten selbst in die Hand zu nehmen.
Seitdem konnte das Team vieles bewegen: das Team ist auf nunmehr 18 Frauen angewachsen, und es wächst weiter. Ebenso wie der Kundinnenkreis. Im Jahr 2008 hat das finanzkontor ein zweites Büro in Berlin-Mitte eröffnet. Im Jahre 2016 wurde die Firmengruppe erweitert mit Niederlassungen in Bonn. Die Serviceleistungen konnten weiter ausgebaut werden: mit regelmäßigen Info-Veranstaltungen und einem gedruckten Newsletter, dem finanzkontorblatt, das kostenlos angefordert werden kann.



Das Finanzkontor engagiert sich in einem großen Netzwerk von Finanzdienstleisterinnen

Die FinanzFachFrauen

Ein bundesweiter Zusammenschluss von qualifizierten Finanzdienstleisterinnen. Anne Wulf und Bianca Kindler sind Mitglieder der FinanzFachFrauen bundesweit seit 1988. Anne Wulf hat den Arbeitskreis mit begründet.
Unter den FinanzFachFrauen finden Sie Expertinnen für Versicherung, Kapitalanlagen, Finanzierungen und Immobilien. Jede von uns ist in ihrer Arbeit wirtschaftlich unabhängig von Banken, Versicherungen, Versicherungs- und Kapitalanlagegesellschaften.
www.finanzfachfrauen.de

Der Bundesverband unabhängiger Finanzdienstleisterinnen e.V.
Der Bundesverband unabhängiger Finanzdienstleisterinnen e.V. (BuF) ist ein Zusammenschluss von Expertinnen aus der Versicherungs- und Finanzdienstleistungsbranche, die ihre Mandantinnen und Mandanten kompetent und unabhängig von Banken, Versicherungs-, Investment- und Anlagegesellschaften beraten.
www.finanzexpertinnen.de

Mehr zum Thema:

Der Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern in Deutschland ist erstmals unter 20 Prozent gesunken. Das Statistische Bundesamt hat am 08.12.2020 eine Neuberechnung der Zahlen zum Gender Pay Gap für das Jahr 2019 vorgelegt, wonach der Verdienstunterschied "nur noch" 19 Prozent beträgt. (www.destatis.de). Die ungleiche Bezahlung macht sich nicht nur während des Arbeitslebens bemerkbar, sondern auch bei der Rente, und somit ist Altersarmut von Frauen ist eine mögliche Folge.

Coronahilfen für Berlin

Informationen zum Liquiditätsfonds finden Sie unter:
www.ibb.de/de/wirtschaftsfoerderung

Informationen für betroffene Unternehmen bieten ab sofort die Berliner Fördergesellschaften telefonisch und auf ihren Webseiten:

Berlin-Partner-Hotline:
030 / 46302-440 und www.berlin-partner.de

IBB-Hotline: 030 / 2125-4747 und www.ibb.de

Visit-Hotline: 030 / 264748 - 886 und about.visitBerlin.de

Corona - FAQ für Solo-Selbstständige von ver.di selbststaendige.verdi.de






Foto von Claudia Liese mit freundlicher Genehmigung von Arlett Mattescheck, Fotostudio Charlottenburg


Interviews

Beitrag vom 26.03.2021

AVIVA-Redaktion