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AVIVA-BERLIN.de im April 2024 - Beitrag vom 18.08.2015


Künstlerin und Kuratorin Lena Braun im Interview. Á la Recherche du Temps Perdu, Ausstellung vom 4.9. – 31.10.2015 im Smiling Kangaroohs, Berlin-Schöneberg
Dorothee Robrecht

Die Meisterin des Inszenierens hat seit 1988 neun eigene Projekträume in Berlin geführt und Ausstellungen kuratiert, u.a. im Kunstraum Kreuzberg/Bethanien und der Galerie Neurotitan...




... im Haus Schwarzenberg.

Als Künstlerin arbeitet sie genreübergreifend in den Medien Text, Bild, Performance und thematisiert u.a. Biographien unorthodoxer Stars und weiblicher Außenseiter.
Ab dem 4. September sind 40 ihrer Arbeiten in Schöneberg zu sehen. Zur Eröffnung der Ausstellung singt Lena Braun eigene Texte, begleitet von der Pianistin Dominika Vogt.

AVIVA-Berlin: Sie sind bekannt als Künstlerin, die sich zwischen performativer und bildender Kunst bewegt. Als Sängerin sind Sie bisher nicht aufgetreten. Wie haben Sie das Singen für sich entdeckt?
Lena Braun: Vor 18 Monaten habe ich meinen letzten Projektraum, das Su de CouCou, geschlossen, und für mich hat sich die Frage gestellt, welchen Raum ich mir jetzt erobere. Das Singen gibt mir Raum in mir, ich erweitere mich, mein Spektrum.

AVIVA-Berlin: Was für Texte sind das?
Lena Braun: Einer der Texte heißt BALBEC GRAND HOTEL, eine Suite für Marcel et Gilles, es ist eine Hommage in Collageform an Marcel Proust und den Philosophen Gilles Deleuze.

AVIVA-Berlin: Der Titel Ihrer Ausstellung ist einem Roman Marcel Prousts entlehnt: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Das klingt ein wenig wehmütig. Bilanzieren Sie?
Lena Braun: Nein, es ist eher ein spielerisches Nach-vorn-Schauen. Ich möchte zeigen, welche Themen, Texte, Projekte mir in der letzten Zeit im Kopf herumgeschwirrt sind und das auch für ein Publikum nachvollziehbar machen. Ich zeige im September, was noch niemand von mir weiß, schließe die Lücke, banne die "verlorene" Zeit, denn die letzten Monate waren eine sehr kreative Zeit, nur konnte bislang noch niemand sehen, was ich gemacht habe.

AVIVA-Berlin: Was wird auf der Ausstellung zu sehen sein?
Lena Braun: Ich zeige einen kleinen Einblick, indem ich bewusst Gedankenprozesse visualisiere, Frottagen, Siebdrucke, Collagen, aber auch Objektboxen, Skizzen zu Bühnenbildern und ein Triptychon mit Szenen aus einem Musical zu Katharina der Großen. Ich beschäftige mich im Moment wieder verstärkt mit dem Thema des Inszenierens, und das zeigt auch die Ausstellung. Ich überschreite gern und häufig die Grenzen zwischen bildender und darstellender Kunst, immer auf etwas andere Weise. Um die Kontinuität dieser Vorliebe zu illustrieren, zeige ich als Revue passé auch einige Siebdrucke, die mich bei Kunstaktionen oder Performances am MoMA PS 1 New York oder auf der Bühne des HAU1 hier in Berlin zeigen.

AVIVA-Berlin: Wie würden Sie selbst sich beschreiben als Künstlerin?
Lena Braun: Ich bin ein grenzüberscheitender Recherchefreak, der erst in die Tiefe geht, bevor er etwas zu Papier oder auf die Leinwand bringt. Für die Arbeit "Hedy" etwa habe ich lange recherchiert. Hedy Lamarr galt in den 30er und 40er Jahren als schönste Frau der Welt, aber sie war auch Wissenschaftlerin und hat, was niemand wusste, WLAN quasi miterfunden. Klug kann eine Hollywood Diva einfach nicht sein, man hat ihr ihr Genie schlicht abgesprochen. Meine Arbeit ist eine Hommage an sie.

AVIVA-Berlin: Wie sieht diese Hommage aus?
Lena Braun: Ich habe mich inszeniert als Hedy Lamarr und mit Selbstauslöser fotografiert. Einige der Fotos wurden dann im Siebdruckverfahren zu eigenständigen Werken.

AVIVA-Berlin: Wen inszenieren Sie so: sich selbst oder Hedy Lamarr?
Lena Braun: Beide. Es ist eine Selbstinszenierung, aber wer mich nicht kennt, weiß nicht, dass ich es bin, die in die Haut von Hedy Lamarr geschlüpft ist. Und es ist eine Reinszenierung, eine Wiederbelebung und Neuinterpretation von verdrängter oder sagen wir besser absichtlich falsch verstandener Geschichte.

AVIVA-Berlin: Das in-die-Haut-einer-anderen-Schlüpfen lässt an die Künstlerin Cindy Sherman denken. Ist Sherman ein Einfluss für Sie?
Lena Braun: Einfluss ist mir als Wort zu groß, ich würde eher von Berührung oder Wahlverwandtschaft sprechen, so wie ich sie auch zu Valie Export oder Pipilotti Rist empfinde. Ich komme nicht aus dem Bereich der bildenden Kunst, sondern drücke mich in ihm aus. Meine Einflüsse sind eher filmischer und literarischer Natur, ich liebe das Französische Kino und Schriftstellerinnen wie Banana Yoshimoto oder Djuna Barnes. Als ich Ende der 80er Jahre angefangen habe Kunst zu machen, verstand man Kunst ganz anders, man bemühte sich, ausgehend von DADA ein Genialer Dilettant zu sein. Das hat auch mein Selbstverständnis als Künstlerin geprägt.

AVIVA-Berlin: Sie arbeiten in vielen Genres. Was hält Ihre Arbeit zusammen?
Lena Braun: Ich würde das mit einem Begriff aus der Biologie beschreiben: die Neukombination von Vorhandenem. Egal was ich mache - ich arbeite mit dem, was da ist und verwende Geschichte wertschätzend. Alles, was ich meine, neu zu erfinden, ist letztlich nur eine Wiederentdeckung, und ich finde es einfach ehrlicher, das so auch zu sagen und sichtbar zu machen.

Ausstellung: "Á la Recherche du Temps Perdu", im Smiling Kangaroohs, Goltzstraße 45, Berlin-Schöneberg, 4.9. – 31.10.2015. Vernissage: Freitag, 4.9., 19h

Mehr Infos unter

www.lenabraun.com




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AVIVA-Redaktion