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Interviews
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Beitrag vom 21.07.2008
Interview mit der Journalistin Andrea Blome
Sharon Adler
Seit 2005 ist Andrea Blome Herausgeberin der existenzielle. das magazin für selbstständige frauen. Im Interview mit AVIVA-Berlin spricht sie über Karrierechancen, Frauen und Macht und...
... Alice Schwarzer und ihre zukünftigen Pläne mit existenzielle.
existenzielle, das Magazin für selbstständige Frauen, erscheint seit 2005 bundesweit im Zeitschriftenhandel und schließt die Lücke zwischen Frauen- und Wirtschaftsmagazinen. Nach einem regionalen Start in NRW ist existenzielle damit das bundesweit einzige Magazin für Gründerinnen und Unternehmerinnen.
AVIVA-Berlin: existenzielle, das Magazin für selbstständige Frauen, erscheint seit 2005 bundesweit im Zeitschriftenhandel und schließt die Lücke zwischen Frauen- und Wirtschaftsmagazinen. Nach einem regionalen Start in NRW ist existenzielle damit das bundesweit einzige Magazin für Gründerinnen und Unternehmerinnen. Seit 2000 waren Sie Verantwortliche Redakteurin der existenzielle, seit 2005 Herausgeberin der existenzielle.
Wie und warum wurden Sie Chefredakteurin oder was waren und sind Ihre Beweggründe?
Andrea Blome: Bevor ich 2005 entschied, existenzielle selbst herauszugeben, war ich verantwortliche Redakteurin des regional erscheinenden Magazins. Als die Herausgeberinnen damals entschieden, das Format einzustellen, habe ich ihnen die Marke und die Kundinnen abgekauft und existenzielle bundesweit platziert.
Ich war damals und bin bis heute davon überzeugt, dass Unternehmerinnen ein eigenes Magazin verdient haben. Eines, das wirtschaftlich aktive Frauen und eine vielfältige lebendige Unternehmerinnenkultur zeigt. Denn die mehr als 1,2 Millionen selbstständigen Frauen in Deutschland kommen in den traditionellen Wirtschaftsmedien bis heute kaum vor. Das will existenzielle ändern und zeigen, dass und wie Frauen Wirtschaft gestalten.
AVIVA-Berlin:... und die größten Herausforderungen bei der Themenfindung und Blattgestaltung?
Andrea Blome:
Es ist nicht schwer, Themen zu finden, um Frauen in der Wirtschaft zu Wort kommen zu lassen. existenzielle ist als Frauenmagazin nicht auf die so genannten "Frauenthemen" beschränkt. Unser Ziel ist es vielmehr, Wirtschaftsthemen so zu setzen, dass weibliche Protagonistinnen im Mittelpunkt stehen. Ob wir über Marketing, Führung oder Stressmanagement schreiben – wir suchen zunächst Expertinnen, Unternehmerinnen, Führungsfrauen, um ihr Fachwissen und ihre Erfahrungen zu nutzen und zu zeigen. Eine Herausforderung für alle AutorInnen und FotografInnen besteht immer darin, Stereotype und Klischees zu vermeiden. Wir zeigen Frauen nicht als die besseren Unternehmerinnen und sind auch nicht auf der Suche nach definierter Weiblichkeit..
AVIVA-Berlin: Im Rahmen der 6. World Women Work wurde die aktuelle Accenture-Studie "One Step Ahead of 2011: A New Horizon for Working Women" vorgestellt. Die Studie bewertet anhand von sechs Indikatoren, darunter "Beweglichkeit", "Bereitschaft zur Nutzung neuer Technologien" und "Soziale Verantwortung", in wieweit Führungskräfte auf die mit der Globalisierung verbundenen Anforderungen vorbereitet sind und leitet daraus einen "Skills Readiness Index" ab. Es überrascht nicht, dass sowohl Frauen und Männer, als auch befragte Managerinnen in Industrie- und in den aufstrebenden Schwellenländern eklatant unterschiedliche Ergebnisse liefern. Insgesamt schätzen Frauen ihre Karrierechancen in einer globalisierten Arbeitswelt schlechter ein als Männer. Was, denken Sie, sind die größten Hemmnisse für Frauen hinsichtlich der Anforderungen der globalen Arbeitswelt?
Andrea Blome: Dass Frauen ihre Karrierechancen schlechter einschätzen, finde ich nicht überraschend. Wir wissen aus Studien, dass Führungskräfte bei der Einstellung von Mitarbeitern nach Ähnlichkeiten, nach Vertrautem suchen. Und so lange Führungspositionen im Management fast ausschließlich männlich besetzt sind, bleiben die Hürden für Frauen hoch.
Frauen – und auch Männer -, die Karriere gemacht haben, bestätigen, dass sie auf dem Weg nach oben Förderer hatten, Vorgesetzte, die ihr Talent und ihre Fähigkeiten gesehen und gefördert haben. Deren Verantwortung ist groß, ihre Sensibilität muss geweckt werden wenn es darum geht, die Karrierechancen von Frauen zu verbessern. Und die Frauen? Sie müssen sich zeigen, fordern, und nicht warten, bis sie dreimal gefragt werden.
AVIVA-Berlin: Zu den in der Studie identifizierten Handlungsfeldern hinsichtlich des Arbeitsumfeldes zählen unter anderem zunehmende Flexibilität, stärkere Verflechtung der Weltwirtschaft und die Nutzung neuer Technologien.
Die Studienergebnisse zeigen hier eklatante Unterschiede, denn Männer und Frauen setzen diesbezüglich unterschiedliche Prioritäten. 72 Prozent der Männer, aber nur 60 Prozent der Frauen sind dazu bereit, neue Technologien zu erlernen und anzuwenden. Warum, denken Sie, nehmen die Frauen die Chancen, die sich ihnen bieten, nicht ausreichend wahr?
Andrea Blome: Ein erschreckendes Ergebnis, nicht wahr? Ich vermute, dass es sozialisationsbedingt hier noch viel Nachholbedarf gibt. Frauen müssen früher und selbstverständlicher neue Technologien nutzen, das fängt in den Schulen an. Die jungen Frauen heute haben die Chancen. Wer mit Mädchen arbeitet, weiß das: Bis zur Pubertät wollen Mädchen alles werden und trauen sich alles zu, intuitiv und selbstverständlich gehen sie mit technischen Geräten um. Die Rollen verändern sich mit zunehmendem Alter, hier brauchen junge Frauen offensichtlich mehr Unterstützung, aufmerksamere Lehrkräfte und vor allem viel stärkere Vorbilder.
AVIVA-Berlin: Stichwort: Frauen und Macht. Was fällt Ihnen dazu ein?
Andrea Blome: Auch ein Vorbildthema. Es gibt wenige Frauen, die öffentlich Machtpositionen bekleiden, wenngleich es viele Frauen in Führungspositionen gibt und diese immer auch mit Macht ausgestattet sind. Was ich mir wünsche: Dass mehr Frauen in einflussreichen Positionen gezeigt werden, dass sie nicht als Alibifrauen in Diskussionsrunden eingeladen werden dort als erstes gefragt werden, was sie als Frau (!) anders machen wollen. Ich finde, dass Angela Merkel ein gutes Beispiel dafür ist, wie schnell sich die Öffentlichkeit an Frauen in Machtpositionen gewöhnen kann. Und finde gleichzeitig bezeichnend, dass auch mir spontan zuerst die Kanzlerin und sonst keine einfällt.
AVIVA-Berlin: Was sagen Sie zur aktuellen Debatte um die Rede von Alice Schwarzer bei der Verleihung des Ludwig-Börne-Preis, in der sie sich gegen die "neuen" Feministinnen aussprach? (s. AVIVA-Beitrag)
Andrea Blome: Ich weiß nicht, welche Publikationen Alice Schwarzer gelesen hat, wenn sie die jungen Frauen und ihren angeblichen "Wellness-Feminismus" angreift. Ich habe die "Alphamädchen" gelesen und fand das Buch eher langweilig belehrend als neu feministisch, altbekannte feministische Inhalte, ergänzt um ein bisschen mehr Sexualität, das fand ich wenig aufregend. Ich habe "Feuchtgebiete" von Charlotte Roche angefangen zu lesen und frage mich, was in unserer Gesellschaft los ist, wenn allein die Tatsache, dass eine Frau hemmungslos über sexuelle Phantasien schreibt (und das auf einem literarisch unterirdischen Niveau) sie zur feministischen Ikone der Neuzeit zu werden scheint.
Nachdenklich gemacht und überzeugt hat mich "Neue deutsche Mädchen", weil hier zwei Frauen sehr ernsthaft biografisch skizzieren, wo in ihrem Leben Geschlechterrollen relevant sind. Sie beschreiben eine persönliche Spurensuche, weil sie wissen wollen, was ihr Leben mit der Frauenfrage zu tun hat. Das ist ein redliches (und literarisch anspruchsvolles) Unterfangen und allemal überzeugender als ein Nachplappern politischer Parolen. Dass sie bei Alice Schwarzer einen Ausgangspunkt für ihr Buch wählen, weil sie feststellen, dass sie mit deren "oller Rhetorik" nichts mehr anfangen können, finde ich sehr nachvollziehbar und alles andere als herabwürdigend.
Umso niveauloser und unangemessener ist deshalb die Reaktion von Alice Schwarzer. Aber die Akzeptanz von vielfältigen feministischen Positionen, Grautöne statt Schwarz-weiß war nie Alice Schwarzers Stärke.
AVIVA-Berlin: Nach einem Studium der Sozialwissenschaften/ Theologie in Münster und Nijmegen/ NL haben Sie als freie Mitarbeiterin bei Tageszeitungen, Magazinen und im Hörfunk, in der Erwachsenen- und Jugendbildung im Bereich Medienpädagogik und Frauenarbeit und als Wissenschaftliche Mitarbeiterin WWU Münster/ Leiterin der Arbeits- und Forschungsstelle Feministische Theologie gearbeitet. In 1999 erfolgte die Gründung des Redaktionsbüros Andrea Blome. Was verbinden Sie heute mit den Begriffen Emanzipation beziehungsweise Feminismus?
Andrea Blome: Meine Arbeit tue ich bis heute mit einer feministischen Motivation. Es war für mich nie eine Frage, dass ich mich für Frauen stark mache – im Fall von existenzielle für eine authentische Frauenberichterstattung. Aber ich muss das nicht wie ein Bekenntnis vor mir hertragen. Der Blick auf den Zeitschriftenmarkt und die dortigen Bilder in Frauen- und Wirtschaftsmagazinen ärgern mich. Ich finde, dass Frauen mehr und Besseres verdient haben. Und manchmal frage ich mich, warum sie mit so wenig zufrieden sind.
Im Alltag heißt eine feministische Lebenseinstellung für mich, meine Kinder – meinen Sohn und meine Tochter – so zu begleiten, dass sie eine gleichberechtigte Partnerschaft ihrer Eltern erleben, Respekt vor Frauen und ihren Leistungen entwickeln und ebenso viele männliche wie weibliche Vorbilder finden.
AVIVA-Berlin: existenzielle erscheint vierteljährlich. In jeder Ausgabe präsentiert das Heft ein Schwerpunktthema mit Reportagen, Porträts, Interviews und Servicebeiträgen. Jedes Heft bietet außerdem einen Branchenschwerpunkt, Informationen rund um Finanzierung, Versicherungen und Geldanlage, Seiten für Mädchen und junge Frauen, Buchbesprechungen, Terminhinweise... Wie finanziert sich die existenzielle und was sind Ihre zukünftigen Pläne mit existenzielle?
Andrea Blome: Wir haben das Konzept mit dem Relaunch im vergangenen Jahr verändert. Die Seiten für Mädchen und junge Frauen gibt es leider nicht mehr, weil wir sie nicht vermarkten konnten, wir haben statt der Branchenseiten Porträtstrecken im Heft, die manchmal einer Branche, manchmal aber auch einem Thema wie "Unternehmerinnen mit Handicap" gewidmet sind. existenzielle lebt wie jede Zeitschrift von Anzeigeneinnahmen und dem Heftverkauf. Wir werden die Zielgruppe insofern erweitern als dass wir im Untertitel in Zukunft nicht mehr nur die "selbstständigen Frauen" ansprechen. Vor allem im Abo-Bereich wollen wir zudem stärker auf Kooperationen mit Netzwerken setzen, um existenzielle zum führenden Magazin für Frauen und Wirtschaft zu machen.
Weitere Informationen zu existenzielle, das Magazin für selbstständige Frauen finden Sie unter: www.existenzielle.de