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Beitrag vom 18.06.2008
Interview mit Karen Duve
Anna-Lena Berscheid
In "Taxi", einer Geschichte über das Leben der jungen Taxifahrerin Alex, verarbeitet die Autorin die eigenen Erlebnisse und Erfahrungen aus über zehn Jahren Personenbeförderung.
Betrunkene, die kurz davor sind, die teuren Lederpolster zu ruinieren. Omas, die für kürzeste Strecken ein Taxi nehmen. Zuhälter, die sich und ihre "Mädchen" von einer Kneipe zur nächsten fahren lassen: Das ist die Klientel der Protagonistin Alex in Karen Duves Roman "Taxi". Doch es geht nicht nur um´s Autofahren: Alex´ Leben dreht sich im Kreis, sie ist gefangen zwischen ihrem Wagen - der "Zwodoppelvier" - und einem Freund, den sie gar nicht wollte. AVIVA-Berlin befragte Karen Duve zu ihrem früheren Job als Taxifahrerin und ihrem heutigen Beruf als Autorin.
AVIVA-Berlin: In Ihrem Buch geht es um eine junge Taxifahrerin namens Alex - Sie sind ebenfalls lange Jahre Taxi gefahren und haben für Ihren Roman aus Ihren Erfahrungen schöpfen können. Ihre Protagonistin durchlebt neben Ihrem Job auch einige amouröse Höhen - und Tiefen. Welche Elemente dieser Geschichte sind autobiographisch?
Karen Duve: Dieses Buch ist die reine Wahrheit - aber die Fakten stimmen natürlich nicht. Bei den Episoden mit den Fahrgästen habe ich nicht viel dazu erfinden müssen und die Situation der Hauptfigur Alex - in einem ungeliebten Beruf festzustecken und keinen Ausweg zu sehen - ist mir nur allzu vertraut. Die Geschichte selber ist Fiktion.
AVIVA-Berlin: Alex, Ihre Protagonistin, überträgt Verhaltensmuster von Tieren auf ihre Mitmenschen. Inwiefern stimmen Sie da mit Alex überein? Glauben Sie auch, dass Hausfrauen von ihrem Ehemann so abhängig sind wie Hunde von ihren BesitzerInnen?
Karen Duve: Aber nein. Schließlich gibt es keinen Leinenzwang für Hausfrauen und keine Töpferkurse für Bernhardiner. Ich glaube allerdings, dass Beruf, Selbstwertgefühl und Liebe einander oft bedingen. Je geringer das gesellschaftliche Ansehen des ausgeübten Berufes, desto geringer das eigene Selbstwertgefühl. Je geringer das Selbstwertgefühl, desto größer die Liebe - oder zumindest die Vorstellung, seinen Lebensgefährten sehr, sehr nötig zu haben. Starke emotionale Abhängigkeit kann dann auch schon mal an eine sabbernde Bulldogge erinnern.
AVIVA-Berlin: Bereits als Taxifahrerin träumten Sie davon, Schriftstellerin zu werden. Wann und wie ist Ihre Entscheidung gefallen, den Beruf zu wechseln? Gab es da, ähnlich wie bei Alex, eine Schlüsselsituation?
Karen Duve: Es gab keine Entscheidung. Es gab nur immer wieder den Versuch, irgendeinem Verlag ein Manuskript zu verkaufen. Wenn ich eine Entscheidung hätte fällen können, hätte ich es doch viel früher getan. Mitte der 90er Jahre habe ich am Berliner Open Mike, einem Literaturwettbewerb, teilgenommen und habe darüber Kontakt zu einem Verlag und meiner jetzigen Agentin bekommen.
AVIVA-Berlin: Entspringen Ihre Figuren wie Dietrich, der verkannte Künstler, oder Rüdiger, der Frauenhasser, gänzlich Ihrer Phantasie? Woher nehmen Sie den Input für Ihre Charaktere?
Karen Duve: Es ist weniger Phantasie als Beobachtung. Während ich an einem Buch arbeite, benutze ich alles, was mir unterkommt: andere Bücher, Kino- und Fernsehfilme, belauschte Gespräche, eigene Erinnerungen, Freunde, Feinde, Kollegen, die eigene bucklige Verwandtschaft - alles und jeder wird daraufhin abgeklopft, ob er nicht für eine Rolle in meiner Geschichte taugt. Und natürlich steckt in allen meinen Figuren - selbst in Rüdiger, dem Frauenhasser - ein großer Teil von mir selbst.
AVIVA-Berlin: Können Sie Situationen beschreiben, in denen es für Sie als Taxifahrerin brenzlig wurde? Ist der Job tatsächlich so gefährlich, wie sein Image glauben lässt?
Karen Duve: Damals, als ich gefahren bin, waren schätzungsweise 3.000 Taxifahrer in Hamburg unterwegs. Und 1 bis 2 davon wurden jedes Jahr umgebracht. Richtig fürchten musste ich mich in den 13 Jahren, in denen ich gefahren bin, erstaunlich selten. Die Gefahr, durch meine eigene Dauer-Übermüdung und die vielen unfähigen Autofahrer auf Hamburgs Strassen zu Schaden zu kommen, ist vermutlich viel größer gewesen. Trotzdem war es natürlich ein unangenehmes Gefühl, wenn man mal wieder drei jugendliche Verbrecher hinter sich sitzen hatte. Wenn es brenzlig wurde, dann eigentlich immer mit ganz jungen Ganoven. Alte Kriminelle haben es nicht so nötig, irgendetwas zu beweisen, und denken auch schon mal über die Konsequenzen nach.
AVIVA-Berlin: Weshalb haben Sie sich damals, als junge Frau, dafür entschieden, Taxifahrerin zu werden? Haben Sie die Entscheidung jemals bereut? Wenn ja, wieso?
Karen Duve: Ich dachte: Taxifahren, das ist ein spannender Beruf. Und so war es auch. Außerdem ist es ein Beruf, in dem man viel Zeit zum Lesen und Nachdenken hat. Am Ende gingen mir die Fahrgäste auf die Nerven, aber da mir auch kein anderer Beruf einfiel, zu dem ich getaugt hätte, gab es auch nichts zu bereuen. Ich war bloß verzweifelt.
AVIVA-Berlin: Angesichts dessen, dass die Bestseller-Listen seit Wochen von einem Skandal-Roman namens "Feuchtgebiete" angeführt wird: Wie kann ein Roman über das Taxifahren, der ohne Kabinett der Ekelhaftigkeiten auskommt, die LeserInnenschaft überzeugen?
Karen Duve: Nichts gegen Feuchtgebiete. Wer wie ich in den hysterisch hygienischen 60ern geboren ist, findet so ein Buch überaus erfrischend.
AVIVA-Berlin: Ihre Bücher sind vollkommen unterschiedlich - sie haben bereits Märchen für Erwachsene und für Kinder geschrieben und Romane, in denen es recht deftig zugeht. Was reizt Sie daran, sich nicht auf ein Genre festzulegen?
Karen Duve: Mir fällt halt jedes Mal etwas anderes ein. Und dann muss ich meinem jeweiligen Stern folgen. Ich esse ja auch nicht nur Schokolade, sondern auch mal Käse oder eine Wasabi-Erdnuss.
AVIVA-Berlin: Worin besteht der Unterschied zur Erwachsenenliteratur, wenn Sie für Kinder schreiben? Gibt es Unterschiede in Ihrer Herangehensweise? Wo liegen die Besonderheiten?
Karen Duve: Da gibt es einige Kleinigkeiten. Zum Beispiel verzichte ich auf Anspielungen, für die man schon neunzehnhundertsiebzig gelebt haben muss, um sie zu verstehen. Ich schreibe etwas gradliniger, setze Ironie sparsamer ein und spare mir altersweise Betrachtungen. Und die Hauptpersonen werden meistens ziemlich jung sein oder sich - falls es sich zum Beispiel um Stoffbären handeln sollte - jugendlich gebärden. Aber im Großen und Ganzen gelten ähnliche literarische Gesetze.
AVIVA-Berlin: Welches Lieblings-Buch möchten Sie unseren LeserInnen empfehlen?
Karen Duve: "Jahrmarkt der Eitelkeiten" von William Makepeace Thackeray.
AVIVA-Berlin: Nach Prinzessinnen und Taxifahrerinnen - können Sie uns schon verraten, worum es in Ihrem nächsten Buch gehen wird?
Karen Duve: Nein, auf keinen Fall. Da würde ich mir ja selbst die Luft aus den Reifen lassen, bevor ich überhaupt gestartet bin.
AVIVA-Berlin: Vielen Dank für das Interview!
Lesen Sie auch unsere Rezension von "Taxi" auf AVIVA-Berlin.