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Beitrag vom 23.05.2007
Prinzessinnenbad - Interview mit Bettina Blümner
Anja Kesting, Stefanie Denkert
Der preisgekrönte Dokumentarfilm über drei Kreuzberger Mädels lief auf Filmfestivals weltweit und im deutschen Kino. AVIVA-Berlin sprach mit Regisseurin Bettina Blümner über ihren Erfolgsfilm.
"Prinzessinnenbad"
Die Regisseurin Bettina Blümner hat drei 15-jährige Freundinnen, Klara, Mina und Tanutscha, über ein Jahr lang begleitet. Aufgewachsen sind die jungen Frauen bei ihren Müttern in Berlin-Kreuzberg, und wollen dort auch niemals wegziehen. Sie kennen sich seit ihrer Kindheit und teilen dieselben Interessen: Parties, Jungs und das Prinzenbad. Doch an der Schwelle zum Erwachsenwerden beginnt auch die Suche nach eigenen Wege in die Welt: Klara schmeißt die Schule, Mina möchte mit ihrem Freund zusammensein und Tanutscha fordert von ihrer Mutter mehr Freiheit. Das Leben der drei Kreuzberger-Lokalpatriotinnen ("Ich komm aus Kreuzberg, du Muschi") hat Bettina Blümner nach langer, geduldiger Vorarbeit und einem weiteren Jahr Drehzeit in ihrem ersten Dokumentarfilm "Prinzessinnenbad" verarbeitet. Die Dokumentation ist mit ihrer teilweise spielfilmhaften Ästhetik außerordentlich unterhaltsam, und auch ein lange überfälliges Portrait des multikulturellen Stadtteils, der häufig nur als "sozialer Brennpunkt" in den Medien auftaucht.
Bettina Blümner wurde 1975 in Düsseldorf geboren. Sie studierte zunächst Medienkultur und Gestaltung In der Bauhaus-Universität in Weimar. Ab 1999 bis 2004 folgte das Studium Szenischen Regie an der Filmakademie Baden-Württemberg und der Escuela Internacional de Cine y TV auf Kuba. Ihr Diplomfilm "Die Kette" hatte 2004 Premiere bei den Hofer Filmtagen und wurde im Jahr 2006 auf Arte und im Hessischen Rundfunk ausgestrahlt. "Prinzessinnenbad" ist Bettina Blümners erster Langfilm.
Für "Prinzessinnenbad" erhielt sie auf der Berlinale 2007 den "Dialogue en perspective"-Preis, der in Kooperation mit TV5Monde für innovatives deutsches Kino vergeben wird.
AVIVA-Berlin: Zunächst einmal "Gratulation", denn mit "Prinzessinnenbad" ist dir ein großartiger Dokumentarfilm gelungen. Auf der Berlinale 2007 hast du den "Dialogue en Perspective"-Preis gewonnen. "Prinzessinnenbad" wird weltweit auf Festivals gezeigt, u.a. in Los Angeles, Santiago de Chile, auf der Viennale, Paris. Mittlerweile ist "Prinzessinnenbad" auch als Unterrichtsfilm freigegeben. Hast du mit dieser positiven Resonanz gerechnet und wie gehst du damit um?
Bettina Blümner Nein, damit habe ich nicht gerechnet. Ich mache einfach einen Film, und schaue dabei, was mich interessiert. In diesem Fall hat der Film sehr viele Leute angesprochen - das finde ich natürlich toll, aber erwartet habe ich das überhaupt nicht.
AVIVA-Berlin: Du hast Szenische Regie an der Filmakademie Baden-Württemberg und an der Escuela Internacional de Cine y TV auf Kuba studiert. Wie ist es denn zu dieser exotischen Kombination von Studienorten gekommen? Inwiefern hat dein Auslandsstudium deine Arbeit beeinflusst?
Bettina Blümner: Nach dem Diplom ging ich ein halbes Jahr nach Kuba. Ich hatte gerade meinen Abschlussfilm, einen kurzen Spielfilm, fertiggestellt und damit fing ein neuer Lebensabschnitt an. Meine Filmakademie hatte derzeit einen Austausch mit Kuba organisiert, ich spreche spanisch, da bot es sich an. Film hat in Kuba einen ganz anderen Stellenwert, es gibt dort kein Privatfernsehen, sondern nur drei staatliche Sender. An der Universität treffen die Studenten auf viele südamerikanische Regisseure, die Atmosphäre ist viel künstlerischer, freier und unkonventioneller.
AVIVA-Berlin: Wie bist du denn zum Film gekommen? Wusstest du schon als Kind, dass du Filme machen willst?
Bettina Blümner: So direkt wusste ich nicht, dass ich zum Film will. Ich habe als Kind schon viel fotografiert, dann war ich in der Schule auch in Foto-AGs. Also bin ich quasi über das Fotografieren zum Film gelangt. Ich glaube, meine Eltern hätten es lieber gehabt, dass ich etwas Ordentliches lerne. Jetzt finden sie es natürlich toll und sehen, dass Künstlerisches auch Erfolg haben kann. "Filmemacherin" gehört ja eher zu den unsicheren Berufen.
AVIVA-Berlin: Wie ist die Idee zu "Prinzessinnenbad" entstanden, und wie ist es zu der Zusammenarbeit zwischen dir und den Mädchen gekommen?
Blümner: Nach meinem Aufenthalt in Kuba bin ich nach Berlin gezogen. Zu der Zeit gab es in Deutschland eine Debatte über Einwanderung und Integration. Nachdem ich einige Zeit in einem Dritte Welt-Land lebte, erschien es mir etwas absurd, dass man sich hier massiv Gedanken machte, über Dinge, die eigentlich selbstverständlich sein sollten. Auf das Prinzenbad bin ich gekommen, weil ich dort oft schwimmen gehe und es für einen sehr spannenden Ort halte. Da kommen viele Leute unterschiedlicher Herkunft friedlich zusammen. Zum einen hegte ich also den Wunsch, etwas über diesen Ort zu machen, und zum anderen über jugendliche Protagonisten, gerne mit Migrationshintergrund. Bei meiner Recherche bin ich auf Klara gestoßen und sie stellte mir wiederum ihre Freundinnen vor.
AVIVA-Berlin: Hattest du eine feste Vorstellung von dem, wie der Film werden soll?
Blümner: Anfangs hatte ich noch die Idee, Jungs und Mädchen gegenüberzustellen. Allerdings scheinen Freundschaften bei Jungs in dem Alter eher zu wechseln. Bei Klara, Mina und Tanutscha hingegen ist eine tiefe Verbundenheit und ein ganz natürlicher Umgang vorhanden. Es hat sich während der Arbeit ergeben, dass es eher eine Mädchen- als eine Jungengeschichte geworden ist. Ich finde die drei Mädchen sehr spannend und der Film spiegelt das wider. Und die Mädchen leben in ihrem Freundeskreis Integration, Klara mag türkische Jungs lieber als deutsche...
AVIVA-Berlin: Die Mädchen sehen den Film und sich selbst jetzt etwas kritischer, es gibt ja immer diese Diskrepanz zwischen Fremd- und Selbstwahrnehmung. Hatten die Mädels die Möglichkeit zu entscheiden, welche Szenen letztendlich in den Film kommen oder wurden sie erst mit dem Endprodukt überrascht?
Bettina Blümner: Ja, man hat ja ein Bild von sich selbst und dann kann das hart sein, wenn man sich im Film sieht. Ein Mitspracherecht hatten sie nicht, aber ich habe ihnen den Film gezeigt, bevor ihn die Öffentlichkeit zu sehen bekam. Sie wollten gerne ein paar Szenen gestrichen haben, in denen sie verletzlich wirken oder in denen es Konflikte gibt, aber das geht natürlich nicht.
AVIVA-Berlin: Der Titel "Prinzessinnenbad" ist ja eine großartige Anlehnung an das Prinzenbad und an die Protagonistinnen. Allerdings verhalten die Mädchen sich ja überhaupt nicht so, wie man es von "Prinzessinnen" erwartet: sie sind selbstbewusst, frech, und "laut". War das anstrengend mit ihnen zu arbeiten?
Blümner: Es war zeitweise total anstrengend. Sie sind sehr witzig und lustig, aber sie hatten oft keine Lust und sind dann einfach nicht erschienen. Die Termine zu vereinbaren, war nicht immer leicht und dann kamen Ausreden, wie "Ich hatte mein Handy aus". Manchmal musste ich mich wie eine Mutter aufführen, und sie motivieren, das Projekt zu Ende zu bringen. Ich wusste nicht immer, ob sie das durchhalten.
AVIVA-BERLIN: Die Mädchen könnte man als frühreif bezeichnen. Klara hat ja auch einen 24-jährigen Freund. Und andere Eltern würden ihrer 15-jährigen Tochter eine solche Beziehung verbieten, aber für Klaras Mutter scheint das kein Problem zu sein.
Bettina Blümner: Ich denke auch, dass man die Mädchen als frühreif bezeichnen könnte. Viele ihrer Erfahrungen habe ich zwar auch gemacht, aber erst etwas später. Als ich in Los Angeles beim Filmfest war, wurde ich auch auf Klaras Beziehung angesprochen, denn dort wäre diese Konstellation verboten. Ich habe aber schon das Gefühl, dass Klara ihren Freund ganz gut im Griff hat. Sie ist ganz sicher nicht die unterdrückte 15 jährige.
AVIVA-Berlin: Seit Mai 2007 berichtet der Spiegel über "Die Alphamädchen", jene jungen Frauen, die die Jungs im Bildungswesen überholen. In der Diskussion werden die Mädchen ohne Abitur häufig vergessen. Als Klara sagt im Film zu Mina: "Sagen wir jetzt mal, ich will Astronaut werden. Könnt ich doch gar nicht, mit meinem Abschluss". Ist das nicht ein sehr tragischer Moment, da diese so souverän wirkendenden Mädels schon sehr früh begreifen, dass sie weniger Chancen haben als andere?
Bettina Blümner: Es ist beides - einerseits ist es tragisch, aber auf der andere Seite auch eine sehr realistische Einschätzung. Sie weiß, dass man in bestimmten Berufen nicht so viel verdient, und dass sie es schwer haben wird. Es ist doch bewundernswert, dass sie mit 14 schon so realistisch in die Welt schaut. Tragisch ist es, wenn sie ihre Situation nicht als Ansporn nimmt, um dann vielleicht doch noch ihren Realschulabschluss zu machen. Ich würde den Mädchen wünschen, dass sie die Konsequenzen daraus ziehen. Das hat Klara auch getan, so war es ihr wichtig, auf Filmvorführungen zu betonen, dass sie den Hauptschulabschluss gepackt hat und dass sie Pläne hat. Der Film hat sie auf jeden Fall zum Nachdenken angeregt, und ihren Ehrgeiz geweckt. Es ist ihr wichtig, was andere Leute über sie denken. Daher kommt auch zum Teil die Abneigung der Mädchen gegenüber dem Film, sie entwickeln Widerstände gegen das, was sie sehen. Sie versuchen, das zu korrigieren, was ihnen nicht gefällt.
AVIVA-Berlin: Hast du die Befürchtung gehabt, dass "Prinzessinnenbad" von Konservativen missbraucht werden könnte, um eine Debatte über die traditionelle Kernfamilie, über traditionelle Rollenbilder oder über die Verwahrlosung der Jugend loszutreten? Die Mütter kommen ja nicht immer so gut weg...
Bettina Blümner: Trotz der Probleme wirft "Prinzessinnenbad" ein positives Bild auf die Mädchen. Sie haben eine große Kraft und eine große Stärke, der Film soll auch eher Mut machen, als eine "Traditionsdebatte" auszulösen. Am Anfang fanden die Mütter den Film ganz toll, und waren auch sehr stolz auf ihre Töchter. Durch die Kritik an ihren Personen sagt vor allem Minas Mutter im Nachhinein, dass sie doch lieber nicht im Film erschienen wäre.
AVIVA-Berlin: "Ein weiteres Thema des Films ist die weitgehende Abwesenheit der Väter und männlicher Bezugspersonen." Wäre das Leben der vier Mädchen anders verlaufen, wenn die Väter aktiver an der Erziehung teilgenommen hätten? Waren die Mütter der jungen Frauen überfordert?
Bettina Blümner: Das kann man natürlich ganz schwer sagen, ob das Leben dann anders gelaufen wäre. Ich habe keine Kinder, aber ich kann mir vorstellen, dass es einfacher ist, Kinder großzuziehen, wenn man sich die Erziehung und Verantwortung teilt. Die Väter waren teilweise anwesend, aber nicht permanent. Klara sagt einmal zu ihrer Mutter, dass sie sich klarere Grenzen gewünscht hätte - das ist wahrscheinlich gemeinsam mit beiden Elternteilen einfacher. Ich glaube, als Mutter hätte ich auch Schwierigkeiten, immer die richtigen Grenzen zu setzen. Ich habe auf jeden Fall großen Respekt vor der Erziehungsarbeit der Mütter, die ihre Kinder zum Teil alleine in Kreuzberg großgezogen haben.
AVIVA-Berlin: Die Mädchen machen nicht immer "politisch korrekte" Äußerungen, zum Beispiel sagt Tanutscha, sie findet "Öko ist scheiße". Gab es Momente, in denen du den Mädchen gerne ein Predigt gehalten hättest?
Bettina Blümner: Nee, das ist ja das Alter. Bei "Öko ist scheiße" lachen im Kino immer alle. Es ist ja bezeichnend für die Jugend, das sie sich gegen das auflehnen, was die Eltern ihnen vorleben. In dem Fall sind es eben die Mütter, die im Bio-Laden einkaufen - wenn sie das nicht täten, dann würden die Kinder vielleicht mit Bio rebellieren.
AVIVA-Berlin: Was machen die Mädchen denn mittlerweile?
Bettina Blümner: Mina und George fahren im August für ein halbes Jahr nach Asien. Danach beabsichtigt Mina in die 11. Klasse eines Gymnasiums zu gehen. Klara besucht gerade ihren Vater in Panama und möchte dann eine Ausbildung in der Gastronomie machen. Sie hat übrigens ihren Hauptschulabschluss geschafft und ist ganz stolz. Tanutscha absolviert ein freiwilliges soziales Jahr und will danach vielleicht Altenpflegerin werden.
AVIVA-Berlin: Mit "Prinzessinnenbad" hast du deinen ersten den Langfilm gedreht. Womit können wir als nächstes rechnen?
Bettina Blümner: Ich arbeite an mehreren Projekten, aber ich weiß noch nicht genau, welches das nächste sein wird. Wahrscheinlich wird es ein Spielfilm werden, ich bin jedoch noch im Recherchestadium. Mir gefallen Spielfilme, die dokumentarisch wirken und Dokumentarfilme die spielfilmhaft sind.
AVIVA-Berlin: Das scheint auch bei "Prinzessinnenbad" das Erfolgsgeheimnis gewesen zu sein. Vielen Dank für das Gespräch und alles Gute für die Zukunft - wir sind schon gespannt!
Prinzessinnenbad
Deutschland 2007
Dokumentation, 92 Min.
In Zusammenarbeit mit RBB/Arte, gefördert durch Medienboard Berlin-Brandenburg und FFA Filmförderungsanstalt, Projektentwicklung gefördert durch das Nipkow Programm, Produktion/ Verleih: Reverse Angle Factory
Kinostart: 31. Mai 2007
Prinzessinnenbad im Internet:
www.prinzessinnenbad.de