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Beitrag vom 07.02.2008
Interview mit Erika Rabau
Anna Tremper
Seit 1963 ist sie als Fotografin bei der Berlinale mit von der Partie. Jetzt sind ihre Fotos endlich in einer eigenen Ausstellung zu bewundern. AVIVA-Berlin traf Erika Rabau und sprach mit ihr...
...über Berlinale, Stars und heroische Zeiten.
AVIVA-Berlin: Du bist nun bereits seit mehr als 40 Jahren bei der Berlinale als Fotografin dabei. Was macht für Dich nach wie vor die Faszination dabei aus?
Erika Rabau: Das Ambiente, die ganze Atmosphäre und auch diese unglaublich tollen Stars und die Macher. All das macht die Faszination aus. Das ist eben eine ganz tolle Sache. Ich kenne da viele Leute, die auch immer wieder kommen. Zudem habe ich den großen Vorteil, dass ich mich mit allen unterhalten kann, weil ich so viele Sprachen spreche. Dadurch entsteht gleich eine gewisse Nähe. Ein Mensch freut sich immer, wenn du ihn in seiner Muttersprache ansprichst.
AVIVA-Berlin: Hat sich die Berlinale aus Deiner Sicht während der vergangenen vier Dekaden sehr gewandelt?
Erika Rabau: Sicherlich. Die Berlinale war immer toll, vom ersten Moment an, aber sie hat sich natürlich im Laufe der Jahre verändert. Auch mit den verschiedenen Leitern der Filmfestspiele wurde einiges anders. Aber es hat sich eben nur zum Vorteil entwickelt - zum Vorteil für die Berlinale und für Berlin. Das ist ganz wichtig.
AVIVA-Berlin: Ein Leben ohne Berlinale, könntest Du Dir das überhaupt vorstellen ?
Erika Rabau: Nein, überhaupt nicht: die Berlinale ist mein Leben. Sie wird es auch bleiben.
AVIVA-Berlin: Du hattest ja auch von Beginn an einen guten Draht zu den Stars. Hat sich das Verhältnis zu den Schauspierlnnen und RegisseurInnen im Laufe der Jahre mit dem immer größer werdenden Starkult verändert?
Erika Rabau: Es wurde zwangsweise distanzierter. Früher kam man wirklich ganz nah ran, aber jetzt werden die Stars mehr abgeschirmt, was seine Berechtigung hat, denn man muss für ihre Sicherheit sorgen. Man kann eben auch aus Liebe erdrückt werden. Früher bin ich mit den Leuten auch nach den Vorstellungen um die Häuser gezogen. Die wollten ja auch was erleben. Das war immer ganz toll. Ich bin zum Beispiel mit Geraldine Chaplin und Carlos Saura in meinem acht Jahre alten Admiral durch Berlin gezogen. Saura kam damals mit seinem Film "Peppermint Frappé", in dem Geraldine mitspielt, nach Berlin und da habe ich gemerkt, dass sie fließend Spanisch spricht. Dadurch haben wir uns natürlich gleich wunderbar verstanden. Einmal gingen wir in den Pims Club und da saß groß, breit und imposant Orson Welles drinnen. Ich bin fast erstarrt! Er war aber auch ganz aufgeschlossen und Geraldine fragte ihn, ob er Lust hätte mit uns noch wegzugehen. Wir haben versucht, ihn in den an sich sehr großen Admiral zu zwängen. Das war aber dann zu kompliziert, so dass wir es aufgegeben haben.
AVIVA-Berlin: Du bist jedes Jahr rund um die Uhr bei der Berlinale dabei, hast Du da eigentlich Gelegenheit, auch mal selbst Filme zu sehen?
Erika Rabau: Mit den Filmen ist das so eine Sache, früher, da konnte ich nicht, weil ich zu den verschiedensten Empfängen musste. Aber das ist heute nicht mehr so. Ich habe damals die Stars fotografiert, wenn sie auf der Bühne vorgestellt wurden, das war immer vor oder nach dem Film. So habe ich, je nachdem, immer den Anfang oder das Ende oder gar nichts vom Film gesehen.
AVIVA-Berlin: Findest Du es schade, wenn Du nicht soviel von den Filmen mitbekommst?
Erika Rabau: Na sicher tut mir das leid, bei manchen Filmen tut es mir sogar sehr leid.
AVIVA-Berlin: Du bist demnach auch ein großer Filmfan?
Erika Rabau: Ja, schon immer! Als ich in Argentinien gearbeitet habe, ging ich immer in ein Kino mit Nachtvorstellungen. Dort gab es halb geschlossene Vorstellungen von einem Club namens "Gente de Cine". Da war ich immer nachts nach der Arbeit, so gegen zwei Uhr. Die anderen waren dann bereits da. Wir hatten zwischendurch nur eine Bockwurst und eine Cola und dann ließen wir die leere Colaflasche nach vorne durchrollen, damit die anderen merken, dass wir auch da sind. Das waren unsere Signale. Ganz, ganz tolle Filme konnten wir dort sehen, durch die wir uns richtig geschult haben. In diesem Kino wurden die ersten Filme gezeigt, die überhaupt gedreht wurden, z.B. "La Naissance du Cinema", (die Geburt des Kinos). Ich habe wirklich wahnsinnige Filme gesehen, die schon damals nicht mehr im Kino liefen. Das waren "Les Temps Heroiques", die heroischen Zeiten. Man muss bedenken, dass ich erst 18 Jahre alt war, da erlebst du sowieso viel.
AVIVA-Berlin: Würdest Du sagen, dass durch diese ganzen Filme auch Dein besonderer fotografischer Blick geschult wurde? Waren diese Erlebnisse prägend für Deinen Stil?
Erika Rabau: Ich würde schon sagen, dass ich dadurch anders sehe. Ich bin vom Kino fasziniert gewesen! Das liegt vor allem auch an meiner Mutter. Die ging immer ins Kino, wohin ich natürlich nicht mit konnte. Danach hat sie mir immer die Filme erzählt. Sie hatte eine unheimlich Ausdruckskraft und hat das so wunderbar gemacht, dass ich immer das Gefühl bekam, ich hätte den Film selbst gesehen. Die große Liebe zum Kino hat eigentlich sie in mir geweckt.
AVIVA-Berlin: Gibt es einen besonderen Regisseur, den Du verehrst, der Dich vielleicht auch in Deinem Schaffen inspiriert?
Erika Rabau: Billy Wilder, zum Beispiel, Martin Scorsese, Wim Wenders heutzutage und Rainer Werner Fassbinder. Bei Fassbinder habe ich im letzten Film "Querelle" noch mitgespielt, in einer winzigen Rolle. Das war leider ganz kurz vor seinem Tod. Da stand ich zusammen mit Jeanne Moreau vor der Kamera. Der Film spielt im Hafenmilieu, wo es ein berühmtes Bordell namens Feria gab. Jeanne Moreau war die Madame von dem Bordell und ich war eines der Mädchen. Das war alles wunderschön!
AVIVA-Berlin: Der Film ist demnach ein großes Thema in Deinem Leben. Wie hast Du Dich gefühlt, als Du gehört hast, dass auch einer über Dich gedreht werden soll?
Erika Rabau: Ja, toll! Wahnsinnig gefreut habe ich mich! Aber ich habe bereits in mehreren Filmen mitgespielt, zum Beispiel bei Wim Wenders, eine winzige Rolle. Auch bei Lothar Lambert, der mich immer in so extremen Sachen eingesetzt hat. Ich habe kreuz und quer alles Mögliche gespielt. Aber bei dem Film von Samson Vicent habe ich jetzt festgestellt, dass es nichts Schwereres gibt, als sich selbst darzustellen. Ich kann viel besser andere darstellen als mich selbst. Das ist eine ganz bescheuerte Sache.
AVIVA-Berlin: Du hattest heute bei der Pressekonferenz erwähnt, dass Du gerne Schauspielerin geworden wärst. Ist da heute noch ein kleiner Wermutstropfen dabei, wenn Du die ganzen SchauspielerInnen fotografierst?
Erika Rabau: Ja ein kleiner Wermutstropfen ist immer dabei. Ich bin immer genau am Schauspiel vorbei und stets auf dem Nebengleis gelandet. Ich habe auch in mehreren Filmen mitgespielt und jetzt hat Samson Vicent einen wunderbaren Dokumentarfilm über mich gemacht. Er ist auch derjenige, der das ganze Archiv, das chaotisch in Leitzordnern verpackt war und aus Millionen Negativen besteht, aus einem "Dornröschen Schlaf" erweckt und etwas daraus gemacht hat. Dafür werde ich ihm ewig dankbar sein. Das ist eine unheimliche Leistung.
AVIVA-Berlin: Wen würdest Du gerne noch mal vor die Linse bekommen?
Erika Rabau: Da muss ich nachdenken. Ich wollte immer eine bestimmte Schauspielerin fotografieren, und die habe ich inzwischen auch bekommen, Anouk Aimee. Ich habe sogar mal den berühmten Fritz Lang vor die Kamera bekommen, der "Metropolis" gemacht hat. Den Theaterregisseur Max Reinhardt zum Beispiel, aber der war leider vor meiner Zeit.
AVIVA-Berlin: Seit kurzer Zeit fotografierst Du auch mit einer Digitalkamera. Wie war der Umstieg für dich von analog auf digital?
Erika Rabau: Ich besitze jetzt eine kleine Digitalkamera (zeigt auf die Kamera, die um ihren Hals hängt), aber für die Filmfestspiele verfüge ich über eine größere. Zunächst habe ich mich ziemlich dusselig angestellt. Aber ich musste mich damit beschäftigen. Voriges Jahr tauschte ich dann die Leica gegen die Digitalkamera. Mit der Nikon arbeite ich noch immer, damit mache ich Portraitaufnahmen mit langer Brennweite. Man muss mit der Zeit gehen, sonst muss man mit der Zeit gehen.
AVIVA-Berlin: Aber die Leica hast Du noch, oder?
Erika Rabau: Ja, die hab´ ich noch, die ist ganz heilig. Die behalte ich auch!
AVIVA-Berlin: Welche Veranstaltungen fotografierst Du außer der Berlinale?
Erika Rabau: Es ist ja leider so, dass die Berlinale nicht das ganze Jahr über läuft. Ich mache noch die "Grüne Woche", oder wie ich immer sage die "Grüne Hölle". Die ist ganz strapaziös, nackter Broterwerb und leider Gottes genau vor dem Filmfestival, so dass ich immer schon ziemlich verheizt in die Sache reingehe. Danach kommt die ITB und danach kommt das herrliche Theatertreffen der Berliner Festspiele. Im Herbst findet dann das Musikfest statt. Kurz darauf kommen dann auch schon die Jazztage in Potsdam.
AVIVA-Berlin: Dann bist Du ja das ganze Jahr über sehr beschäftigt. Hast Du ein bestimmtes Ritual oder Rezept zur Entspannung, um wieder Energie zu tanken?
Erika Rabau: Nein, ich bin ganz schön verheizt. Aber bis vor vier Jahren hatte ich eines mit meinem Mann, den ich leider verloren habe. Wir sind gemeinsam gesegelt. Ich segele auch heute noch mit Freunden, aber als Mitsegler ist das was anderes als auf deinem eigenen Schiff. Mein Mann und ich, wir hatten ein Boot in Berlin liegen, in der unteren Havel und eins in Südfrankreich. Wir sind kreuz und quer durchs ganze Mittelmeer gesegelt. Wenn du dann zurückkommst, bist du natürlich wieder fit um weiter zu machen. Aber das ist ja leider nicht mehr der Fall.
AVIVA-Berlin: Und welches Patentrezept hast Du, so lange fit zu bleiben?
Erika Rabau: Es ist die Faszination, es ist die Begeisterung und die Liebe für das, was man macht. Das ist eben toll. Die große Liebe meines Lebens.
AVIVA-Berlin: Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg für Deine Ausstellung!
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