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Interviews
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Beitrag vom 13.09.2007
Pat Appleton im Interview
Silvy Pommerenke
Die ehemalige Frontfrau von De-Phazz begeht neuerdings Solopfade. Das wurde auch längst mal Zeit! AVIVA-Berlin traf die super sympathische Sängerin in ihrer gemütlichen Altbauwohnung. Neben den...
...Themen Musik, Umweltverschmutzung und Renovierungstipps wurden Kochrezepte ausgetauscht und die Redakteurin mit leckerem Streuselkuchen gefüttert. Die entspannte Atmosphäre trug zu einem sehr ungewöhnlichen Interview bei.
AVIVA-Berlin: Du hast in der Vergangenheit explizit für Gemeinschaftsproduktionen gearbeitet: bei den Nighthawks, in der Jazzkantine und vor allem sieben Jahre bei "De-Phazz". Was hat Dich nun dazu motiviert, ein Soloalbum zu machen?
Pat Appleton: Es war einfach an der Zeit. Ich stelle das immer gern in den Worten von Loriot dar: "Ich brauche mal was eigenes". Sozusagen ein "Jodeldiplom", und das hab ich mir jetzt hiermit geschaffen. Ich bin bei "De-Phazz" bekannt dafür, dass ich mich mit Elan in Projekte reindränge. Vielleicht kann ich den Elan, den manche Leute nicht verstehen, einfach mal für mich verwenden.
AVIVA-Berlin: Wo liegt Deiner Meinung der Vorteil, als Solistin zu arbeiten?
Pat Appleton: Dass ich diese Energie, die ich sonst immer in andere Dinge stecke, nun für mich nutze. Ich habe mit "De-Phazz" sehr viel erlebt, aber wir sind an einen Punkt gekommen, wo wir alle satt geworden sind. Es war einfach an der Zeit neuen Musikern zu begegnen.
AVIVA-Berlin: Du hast auf dem CD-Cover Turnschuhe an, die sich stilistisch von dem Rest Deiner Kleidung deutlich abheben. Hast Du symbolisch Deine "lounging shoes" gegen Turnschuhe eingetauscht, um damit auf eine Neuorientierung in deiner Musik hinzuweisen?
Pat Appleton: Nein, das war purer Zufall. Ich habe mir eigentlich gar keine Gedanken für das Photoshooting gemacht. Als ich meinem Photographen Olaf Becker die Tür auf machte, da hatte ich diese Hose und die Turnschuhe an, weil ich zu Hause oft so bequem angezogen bin. Bei "De-Phazz" bin ich hingegen die Diva in schönen langen Kleidern und mit hochhackigen Schuhen. Olaf hat mich dann einfach so photographiert, wie ich angezogen war. Eigentlich waren die Photos gar nicht fürs Cover gedacht, sondern am Anfang für die Website, aber die sind so klasse geworden...
AVIVA-Berlin: Der Opener "Homeland" auf Deinem neuen Album fängt mit afrikanischen Elementen an. Sind das typisch liberianische Gesänge, der Heimat Deines Vaters?
Pat Appleton: Nein, sie stammen ursprünglich aus Benin. Es ist ein Brautgesang von Frauen, die den Bräutigam auffordern, das Brautgeld zu zahlen. Es war ein Sample, das Pit Baumgartner gefunden hatte und somit eigentlich eine Art Abfallprodukt von "De-Phazz" war.
AVIVA-Berlin: Ein anderes Lied auf Deiner Platte heißt "Cassandra". Allerdings fällt der Name nicht einmal im ganzen Song. Inhaltlich geht es um "höher, schneller, weiter" – sollte Kassandra aus der griechischen Mythologie hier Patin gestanden haben?
Pat Appleton: Das Lied ist vor zwei Jahren entstanden, bevor diese ganze Klimakatastrophe "hip" wurde. Also darüber zu reden und dagegen zu sein und etwas dafür zu tun. Ich dachte plötzlich: "Oh Gott, ich bin auch jemand, der ständig um die Welt fliegt, und uns die Luft wegnimmt." Für mich geht es bei "Cassandra" darum, dass auch ich eine Art Kassandra bin, die etwas beklagt und nichts tut oder nichts tun kann. Wie kann ich mich hinstellen und sagen: "Hört auf! Haltet ein, geht nur noch zu Fuß!" Es ist natürlich abstrus, das Lied "Cassandra" zu nennen. Aber ich dachte mir, dass der Name toll ist. Und ich fand, es hat schon ein bisschen was von einer Predigt, die gehalten wird, auch wenn ich nichts dagegen tun kann, um es aufzuhalten.
AVIVA-Berlin: Du hast mit Tchando den Song "Good" gemacht, obwohl Du ihn persönlich noch nicht kennen gelernt hast. Wie ist der Kontakt zustande gekommen?
Pat Appleton: Das ist eine Festplattenbekanntschaft. Die Jungs von "Flipside", mit denen ich diesen Titel gemacht habe, hatten Tchando auf der Festplatte mit dabei. Er hatte vorher schon seinen Part eingesungen, und dann habe ich praktisch meinen Text noch mit drauf gepackt.
AVIVA-Berlin: In einem Interview wurden die Alben von De-Phazz "Death by Chocolate" als Hängematte und "Daily Lama" als Trampolin beschrieben. Was ist für dich "What' s Next?"?
Pat Appleton: Erst fiel mir eine Achterbahn ein, aber das entspricht dem Album nicht wirklich. Nur zu Anfang schlägt es mal da hin und mal da. Dann war ich bei Labyrinth, denn man geht immer mal wieder in eine andere Richtung. Aber ich würde sagen, der Weg ist das Ziel.
AVIVA-Berlin: Auf Deiner Website hast Du einen witzigen Kommentar zu Graffiti-Sprayern abgegeben, und auf einen besonderen Künstler dieses Genres, Banksy, verlinkt.
Pat Appleton: Ich finde es lustig, dass man von mir immer die Popprinzessin oder die Loungediva erwartetet. Da halte ich gern dagegen, auch mit dem Link zu Greenpeace in Moskau. Ich selbst bin so angepasst und würde mich das nie trauen, aber ich bewundere das. Ich weiß nicht, ob das jetzt Wirkung zeigt, aber es ist genug, um Leute wach zu rütteln.
AVIVA-Berlin: Ein Vorurteil gegenüber Künstlerinnen von schöner Musik mit eingängigen Melodien lautet, dass sie auch inhaltlich platt sein müssen.
Pat Appleton: Man kann sich nicht wirklich darstellen, sondern meistens nur durch die Musik, und die Leute glauben, man sei oberflächlich. Viele verstehen die Texte auch nicht. Letztens haben mich Freunde gefragt, ob ich nicht beim Konzert "Deine Stimme gegen Armut", der Gegenaktion zum G8-Gipfel, spielen will. Aber ich sagte nein, denn ich hätte das Gefühl gehabt, durch meinen Lebensstil unglaubwürdig zu sein. Aber das ist Quatsch, denn dann macht man ja nie etwas... Dieses Politisieren von Popstars finde ich sowieso schlecht. Lieber möchte ich mich irgendwo engagieren, wofür ich stehen kann. Ich überlege gerade, zum Thema Integration etwas zu machen, denn da wäre ich ein gutes Beispiel, dass so etwas funktionieren kann. Dafür würde ich mich gerne hergeben, und es ist auch im eigenen Land sehr wichtig.
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© Fotos: Olaf Becker |
AVIVA-Berlin: Du bist in Aachen als Tochter einer Deutschen und eines Liberianers geboren und hast die ersten Jahre in Liberia verbracht. Viele Afrodeutsche spüren eine Zerrissenheit in sich und suchen ihre afrikanischen Wurzeln. Was hat Dich dazu bewogen, Deine Zelte in Berlin aufzuschlagen?
Pat Appleton: Weil ich Deutsche bin. Ich kann mich nicht dagegen wehren, bin in Deutschland geboren und lebe gerne hier. Die Frage ist zwar wichtig, aber ich muss meiner black power nicht nachrennen. Das habe ich zur Genüge in Liberia gehabt und beide Seiten kennen gelernt. Ich bin mit sechs Jahren nach Afrika gekommen, hatte aber immer Heimweh nach Deutschland. Ich kann natürlich verstehen, dass manche Afrodeutsche ihre Wurzeln suchen müssen, aber ich weiß ja, wo meine sind. Natürlich würde ich gerne noch Mal nach Liberia gehen, aber meine Identität ist eher so, dass ich mich als Europäerin mit afrikanischen Anleihen verstehe.
Das Afrikanische in mir ist die Musik, auch wenn sie nicht wirklich afrikanisch klingt. Dafür ist dieses Glücksgefühl afrikanischen Ursprungs. Das versuche ich wieder mehr in mein deutsches Leben zu bringen, und finde es ganz wichtig in Deutschland, dass wir das Glück noch mehr leben, wie letztes Jahr bei der Fußball WM, als man das mit den Händen greifen konnte. Wir haben ein tolles Land und stehen gut in der Welt da, so dass wir das mit unserer Melancholie und unserem Schlechtdraufsein nicht verscherzen sollten. Mit ein bisschen mehr Lächeln könnten wir viel erreichen.
AVIVA-Berlin: Auch wenn du betonst, dass Deutschland ein gutes Land ist, so ist Rassismus trotzdem an der Tagesordnung.
Pat Appleton: Ja, aber man darf sich davon nicht unterkriegen lassen, muss Präsenz zeigen und sich nicht alles gefallen lassen. Letztendlich müssen wir alle zusammen halten, und uns gegenseitig akzeptieren und tolerieren. Wir sind Europäer mit einer modernen Weltanschauung. Von sechs bis achtzehn habe ich in Liberia gelebt, das ist ja eigentlich die prägendste Zeit. Da habe ich sehr viel von internationalen Verbindungen mit bekommen, denn auf der Schule, auf der ich war, gab es fünfzig verschiedenen Nationalitäten, und das Wort Rassismus ist mir bis zu meinem achtzehnten Lebensjahr nicht begegnet.
AVIVA-Berlin: Hattest Du früher etwas mit ADEFRA (Schwarze deutsche Frauen und Schwarze Frauen in Deutschland) zu tun?
Pat Appleton: Als ich noch Politikwissenschaften an einer amerikanischen Privatuni in Heidelberg studierte, habe ich eine Arbeit über Afrodeutsche geschrieben. Das war für mich, aus der deutschen Perspektive betrachtet, sehr interessant. Eine Zeit lang habe ich mich etwas mehr mit dem Thema auseinandergesetzt, und auch von May Ayim gehört, die eine wirklich tragische Geschichte hatte. Aber letztendlich habe ich nie die Nähe zu Afrodeutschen gesucht, denn ich hatte immer genügend Freunde. Mir war es komischerweise nicht wichtig, mich an Leute zu hängen, die meine Hautfarbe haben. Sie waren für mich alle gleich, ohne Unterschied.
AVIVA-Berlin: May Ayim war eine Vorkämpferin und hat sehr viel für die afrodeutsche Bewegung getan. Vor ein paar Jahren erschien das Buch "Farbe bekennen", in dem May auch eine Geschichte beisteuerte. Außerdem hat sie wunderschöne Gedichte geschrieben. Hast du jemals etwas von ihr gelesen?
Pat Appleton: Ja, "Farbe bekennen" war Teil meiner Hausarbeit, aber es war mir zu kämpferisch und hat mich ein bisschen verstört. Ich habe auch Gedichte von May gelesen, aber sie hat sich mir nie wirklich erschlossen, denn ich hatte nicht ihre Konflikte. Mein Vater war Regierungsbeamter und leitete danach ein Architekturbüro, so dass ich in einer sehr privilegierten Gesellschaft und in Botschaftskreisen lebte.
AVIVA-Berlin: Wir danken Dir für das Interview und wünschen Dir viel Erfolg mit Deinem neuen Album!
Pat Appleton im Netz: www.pat-appleton.com