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Beitrag vom 20.07.2007
Dorian E im Interview
Silvy Pommerenke
Die Musikerin ist aus der Elektro Szene in Berlin nicht mehr wegzudenken. Dabei steht sie symbolisch dafür, dass sich Elektro-Musik und Intelligenz nicht ausschließen müssen. Ganz nebenbei...
... studiert sie Germanistik und Geschichte und wird aktuell in den Charts mit dem Song "Wide road", den sie mit Lexy & K-Paul eingesungen hat, rauf- und runtergespielt. AVIVA-Berlin traf die sympathische Musikerin in ihrer Privatwohnung im Berliner Stadtteil Kreuzberg 61.
AVIVA-Berlin: Wie bist Du eigentlich zur Musik gekommen?
Dorian E: Ich komme aus einer Zirkusfamilie und mein Vater ist Clown. Aber er hat auch Country-Musik gemacht, so dass ich quasi mit amerikanischem Country groß geworden bin. Ich wollte schon als kleines Mädchen Sängerin werden!
AVIVA-Berlin: Clownin wolltest Du nicht werden?
Dorian E: Nein, das wollte ich nie werden.
AVIVA-Berlin: Wie ist es von der Idee "Ich will Sängerin werden" nun weitergegangen?
Dorian E: Ich habe stundenlang zu Joan Baez geträllert. Sie war quasi meine Gesangslehrerin. Als ich dann ungefähr 16 war, habe ich mir eine Band gesucht, die "Lupita Screams" hieß. Das war richtiger Indie-Rock.
AVIVA-Berlin: Ich sehe hier in Deiner Wohnung eine Gitarre und einen Verstärker. Das heißt, Du spielst selbst Gitarre?
Dorian E: Ja, aber leider bin ich eine miserable Gitarristin. Ich kann zwar so gut spielen, dass ich auch Songs komponieren kann, aber ich stelle mich nicht als Gitarristin auf die Bühne. Das sollen andere machen.
AVIVA-Berlin: Und nach der Zeit mit "Lupita Screams" bist Du nach Berlin gegangen?
Dorian E: Genau. Da hatte ich ganz tolle Vorstellungen, weil ich dachte, dass man hier an jeder Ecke Leute findet, mit denen man Musik machen kann. Aber das war gar nicht so einfach. Vor allem, weil ich eine Band suchte.
AVIVA-Berlin: Was ist an einer Band reizvoller, als an einer Solokarriere?
Dorian E: Das schwierige an einer Band ist, dass da mehrere, meistens nicht ganz einfache Persönlichkeiten, unter einen Hut zu bringen sind. Das war auch für mich mit ein Grund in den Elektro-Bereich überzugehen. Weil man da nur eine oder zwei Personen hat, was es zwar im persönlichen Bereich nicht wirklich einfacher macht, aber von der Organisation her.
AVIVA-Berlin: Jetzt hast Du einen großen Sprung von Deinen Country-Wurzeln, über Joan Baez und Independent-Rock hin zum Elektro gemacht. Kannst du das ein wenig näher erklären?
Dorian E: Zu Beginn meines Wechsels nach Berlin war plötzlich Portishead modern. Diese Fusion aus Gitarre und Elektro war etwas, was ich mir immer gewünscht hatte. Dann hatte ich Kontakt zu einer Frauenband, in der ich auch spielte. Die hießen "Salz", und nur mit Frauen zusammen Musik zu machen war für mich eine ganz neue Erfahrung. Das hat auch total Spaß gemacht, aber stilistisch war es nicht ganz das, was ich eigentlich wollte. Danach habe ich meine ersten Elektro-Geschichten ausprobiert, denn ich hatte Keen K kennen gelernt. Meine Lieblingsband hieß allerdings "Hyena". Das war Gitarrenrock, aber die Idee der Fusion von Gitarre und Elektro war immer da. Ich hatte auch Keen K gefragt, ob er Lust dazu hätte. Aber Band-Ding ist nicht seine Sache. Viele Leute machen aus diesem Grund Elektrozeug, weil sie dadurch unabhängig sind.
AVIVA-Berlin: Hast Du früher schon elektronische Popmusik gehört, beispielsweise Kraftwerk?
Dorian E: Ich hatte die schon früh in meiner Plattensammlung. Aber ob sie mich beeinflusst haben, das weiß ich gar nicht. Ich bin mehr gitarrenmäßig geprägt. Aber jetzt habe ich das Glück, dass beim aktuellen Fuchs und Horn Projekt auch ein Gitarrist dabei ist. Wir sind praktisch mit elektrischen Gerätschaften, Gitarre und Gesang auf der Bühne
AVIVA-Berlin: Wird die Musik live auf der Bühne gespielt, oder läuft vieles nur noch von Band ab?
Dorian E: Das ist eine Mischung. Einiges kommt natürlich aus der Kiste, aber man muss eine gewisse Live-Stimmung entstehen lassen, die den Leuten das Gefühl gibt, dass nicht alles nur per Knopfdruck kommt.
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© Fotos: Joachim Boepple |
AVIVA-Berlin: Wie ist der Kontakt zu Lexy & K-Paul zustande gekommen?
Dorian E: Ich habe die beiden zufällig kennen gelernt. Auch wenn es eigentlich gar nicht so geplant war, haben wir dann einen Song zusammen aufgenommen.
AVIVA-Berlin: Lexy & K Paul hatten ja bereits schon auf dem Album "East End Boys" Vocals dabei.
Dorian E: Ja, die haben eine feste Sängerin. Allerdings hat sich das auf dem neuen Album geändert. Sie ist zwar immer noch dabei, aber auch andere, wie beispielsweise Bo, von Tobi und das Bo. Sie haben versucht, eine Vielseitigkeit zu schaffen.
AVIVA-Berlin: War der Song "Wide road" bereits fertig, oder habt ihr ihn zusammen erarbeitet?
Dorian E: Den haben wir zusammen erarbeitet. Wir wollten einen Song aufnehmen, und dabei ist "Wide road" entstanden. Sie haben dann den Song in ihrem Live-Set ausprobiert und dabei gemerkt, dass er sehr gut ankommt.
AVIVA-Berlin: Im Mai war die Veröffentlichung der Single, und ihr wart sechs Wochen in den Charts. Hat sich dein Leben dadurch verändert?
Dorian E: Nee, gar nicht. Aber was ganz schön ist, dass wir viel live unterwegs sind. Da fiel mir auf, dass die Leute den Text mitsingen, den Song können und voll dabei abdancen. Aber dass es sich jetzt für dich so privat ändert, das Gefühle hast Du dann eigentlich nicht. Es war aber auch nie ein persönliches Ziel von mir in die Charts zu kommen. Insofern ist das natürlich eine tolle Erfahrung zu sehen, dass sich die Arbeit gelohnt hat.
AVIVA-Berlin: Wie soll es in Zukunft weitergehen? Planst Du mit Lexy & K-Paul noch andere Stücke?
Dorian E: Der Fokus liegt jetzt in jedem Fall auf dem Fuchs und Horn Projekt, und ich werde auch wieder mit Keen K ein Album aufnehmen. Für mich ist es interessant, mehrere Projekte zu haben. Bei Lexy & K-Paul bin ich ja jetzt erst mal live dabei, beispielsweise bei "Sonne, Mond und Sterne", dem großen Elektro-Festival in Thüringen.
AVIVA-Berlin: Welche Version von "Wide road" spielt ihr auf der Bühne?
Dorian E: Wir spielen live die Original Version, die ein paar Minuten länger ist, als die, die derzeit im Radio läuft. Das ist für die Live Atmosphäre besser.
AVIVA-Berlin: Was ist mit deiner Vision der Fusion aus Gitarre und Elektro?
Dorian E: Das würde ich auch nach wie vor gerne anstreben, und mit dem Fuchs und Horn Projekt ist das ein ganz guter Kompromiss. Aber die Suche nach einer perfekten Band, ist genau so schwierig, wie die große Liebe zu finden. Das ist eine Frage von Schicksal und Glück. Ich bin im Moment eigentlich ganz zufrieden mit dem, was da so ist. Weiterhin bin ich aber auch offen für Dinge, die sich vielleicht in der Zukunft ergeben.
AVIVA-Berlin: Du hast deinen ganz eigenen Stil. Dennoch hebt sich von den vier Songs deiner
My-Space Seite gerade "Euphoria" deutlich von den anderen ab. Weil Du – zumindest zu Beginn des Stückes – mit einer wahnsinnig tiefen Stimme singst.
Dorian E: Ich liebe es, damit zu spielen. Ich habe diese vier Songs gewählt, weil sie meine ganze Bandbreite zeigen. Aber die Leute hören immer – egal ob ich hoch oder tief singe –, dass ich das bin. Genau so, wie ich meinen eigenen Stil habe, Songs zu schreiben.
AVIVA-Berlin: Wie sieht der aus?
Dorian E: Ich umschreibe sehr viel in Bildern und konkretisiere da nie irgend etwas. Das kann natürlich den ein oder anderen etwas fraglich stimmen. Außerdem kommt es oft vor, dass ich in einem Song sowohl die tiefe, als auch die hohe Stimme benutze. Das entsteht aus dem Bauch heraus. Ich finde das klasse, dass ich mich mehrerer Tonlagen bedienen kann.
AVIVA-Berlin: Würdest Du sagen, dass Berlin eine wichtige Rolle im Elektro-Bereich spielt?
Dorian E: Berlin ist ganz klar die Stadt des Elektros! Da tut sich wahnsinnig viel, und hier ist sehr viel Innovatives da. Allein durch dieses ganze ausgeprägte Club- und Nachtding. In den meisten Clubs läuft eben Elektro, obwohl es inzwischen ja auch Clubs wie das Magnet gibt, wo Independent Musik oder Brit-Pop gespielt wird. Aber generell ist Elektro hier schon ganz gut angesiedelt.
AVIVA-Berlin: Die Musik von Lexy & K-Paul wird gerne als Technolectro bezeichnet. Kannst Du dich mit dieser Definition anfreunden, beziehungsweise kannst Du mir den Unterschied zwischen Techno und Elektro nennen?
Dorian E: Das ist eine spannende Frage! Ich habe festgestellt, dass es eine Underground Szene gibt, die sich vom vermeintlich kommerziellen Elektro abgrenzt, zu dem einige Leute auch "Wide road" zählen würden. Da ich aber ein Kind des Indies bin, hätte ich mich niemals auf eine rein kommerzielle Zusammenarbeit eingelassen. Außerdem sagen Lexy & K-Paul ja selbst "Trash like us", und nehmen sich damit ein bisschen selbst auf die Schippe. Für mich sind die beiden vor allem leidenschaftliche und professionelle Musiker, deren Musikinstrument der Computer ist.
AVIVA-Berlin: Kannst Du mir noch etwas zu der Technik des Remixens erzählen?
Dorian E: Das geht ziemlich ins Detail. Was ich aber ganz gut beim remixen finde ist, dass man einen Gitarrensong für den Club tanzbar macht. Da gibt es wirklich richtig gelungene Sachen. Und das ist das spannende daran, dass jemand anderes seine Handschrift auf den Song legt.
AVIVA-Berlin: Wie bist Du auf deinen Künstlerinnenamen gekommen?
Dorian E: Der hat schon was mit Oscar Wilde zu tun.... Dorian Gray ist eines meiner Lieblingsbücher.
AVIVA-Berlin: Würdest Du sagen, dass Du in jedem Fall dem Elektro treu bleibst, oder kannst Du dir auch vorstellen wieder ein reines Independent Rockalbum zu machen?
Dorian E: Das ist nicht ganz einfach zu beantworten. Ich möchte auf jeden Fall vielseitig bleiben und durch meinen Gesang Leute erreichen. Nicht der Erfolg ist mir wichtig, sondern ich habe auch eine kleine innere Mission.
Dorian E im Netz:
www.dorian-e.com und
www.myspace.com/doriane2007