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Beitrag vom 29.12.2010
Ayelet Waldman - Böse Mütter
Sharon Adler
"Meine mütterlichen Sünden, großen und kleinen Katastrophen und Momente des Glücks", so der Untertitel des Buches, mit dem die ehemalige Strafverteidigerin für Aufruhr in der Mütterwelt sorgte.
Seit sie in der New York Times gestanden hatte, ihr Mann sei ihr wichtiger als ihre Kinder, wurde sie erst in der Oprah Winfrey Show ins Kreuzverhör genommen und dann von der "Mütterpolizei", den "Kampfzicken von UrbanBaby.com", wie Waldman sie lapidar nennt, zur bösen Mutter abgestempelt.
Waldmans These war und ist, dass so viele Frauen aus ihrem Bekanntenkreis nicht mehr mit ihren Männern schlafen, weil sie möglicherweise ihre Leidenschaft von ihren Männern auf die Kinder übertragen hatten.
In der Folge verteidigt sich selbst und das Recht auf ein Leben, in dem Kinder nicht zwangläufig die Hauptrolle spielen müssen. Vor allem aber stellt sie die Frage danach, was es heißt, Mutter zu sein und hinterfragt kritisch das Bild von der "guten Mutter".
Landläufig ist das Bild der guten Mutter mit den Kriterien der ständigen Verfügbarkeit belegt und damit, das Glück der Kinder an allererste Stelle zu setzen. Die gute Mutter bleibt zu Hause oder geht beruflich Kompromisse ein, um mehr für die Kinder da sein zu können. Tut sie das nicht, fühlt sie sich wie eine "Rabenmutter", und, so Waldman weiter, ihr permanentes schlechtes Gewissen bestraft sie für die Sehnsucht nach beruflichem Ehrgeiz. Die Autorin und ihre Freundinnen, Töchter der späten Sechziger und frühen Siebziger Jahre, hatten Pläne, die über das eigene Zuhause hinaus gingen: "Keine von uns wollte später einmal Ehefrau und Mutter werden. Keine von uns sagte, sie wolle Elternvorsitzende im Kindergarten sein oder den perfekten Kuchen backen oder die Tage damit verbringen, die Kinder vom Hockeytraining zu Musikunterricht zu karren."
Gegen das schlechte Gewissen der Mütter
Und doch gibt die Autorin ihren Fulltime-Job als Strafverteidigerin auf, weil sie eifersüchtig ist auf ihren Mann, der als Schriftsteller zu Hause arbeitet und "lange, träge Stunden mit unserer Tochter verbrachte, ihr die neuen Kleider anzog und sie von der Krabbelgruppe zur Bücherei schob."
Auf die Monotonie und das Tabuthema Langeweile ("Eine gute Mutter langweilt sich doch nicht, oder? Es geht ihr gut.") war die selbstgewählte Vollzeitmutter jedoch nicht vorbereitet und wurde eigenen Angaben zufolge schon innerhalb einer Woche verrückt.
Waldman musste feststellen, dass die "gute Mutter" ein unerreichbares Ideal ist und beschreibt in "Böse Mütter" aus eigener Erfahrung den permanenten Druck und die kritischen Blicke seitens anderer Mütter.
Diese Utopie, so argumentiert Waldman eindringlich, resultiert aus der Tatsache der unerfüllbar hohen und widersprüchlichen Erwartungen:
" Wenn man nur mit einer 60- oder 70-Stunden-Woche Karriere machen kann, wenn die Kinderbetreuung mehr kostet als man verdient oder wenn das schiere Überleben nur mit einem Zweitjob möglich ist, dann ist das Jonglieren mit Arbeit und Familie plötzlich keine Herausforderung mehr, sondern ein Ding der Unmöglichkeit."
Nicht ohne Humor schildert vierfache Mutter Ayelet Waldman, warum ist es so schwer, eine gute Mutter zu sein und benennt auch den größten Feind der Frauen: all die Frauen, die "nichts Besseres zu tun haben als andere Mütter schlecht zu machen".
Ayelet Waldman beschreibt in ihrem Buch keine spezifisch amerikanische Wirklichkeit – vielmehr ist die Entscheidung und die damit einhergehenden Identitätskrisen- Kinder oder Karriere, Mutter und Hausfrau oder berufstätig – universell.
Zur Autorin: Ayelet Waldman, geboren 1964,war zunächst Strafverteidigerin, bis sie nach der Geburt ihres ersten Kindes mit dem Schreiben begann. Neben einer Reihe von Krimis schrieb sie den mit Natalie Portman verfilmten Roman »Love and Other Impossibile Pursuits« sowie zahlreiche Essays. Mit ihrem Mann und vier Kindern lebt sie in Berkeley, Kalifornien.
AVIVA-Tipp: Auch wenn Ayelet Waldman ihre Thesen an manchen Stellen nicht weiter ausführt, sondern sie in abgewandelter Form wiederholt, so spricht sie doch in "Böse Mütter" unerschrocken Tabuthemen an und bricht intelligent und amüsant mit dem Klischee der heilen Mütterwelt.
Ayelet Waldman
Böse Mütter
Meine mütterlichen Sünden, großen und kleinen Katastrophen und Momente des Glücks
Originaltitel: Bad Mother. A Chronical of Maternal Crimes, Minor Calamaties, and Occasional Moments of Grace
Aus dem Englischen von Isabel Bogdan, Lektorat Anne Thiem
Klett Cotta Verlag, 2. Aufl. 2010,
183 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag
ISBN: 978-3-608-94616-1
17,95 Euro
www.klett-cotta.de
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