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Beitrag vom 27.04.2014
Sylvia Plath - Der Koloss. Gedichte, englisch und deutsch
Claire Horst
Nur dreißig Jahre wurde die Ausnahmeautorin Sylvia Plath alt. Kurz vor ihrem Selbstmord war ihr einziger Roman "Die Glasglocke" erschienen, und er allein genügte, um ihr zu Weltruhm zu verhelfen.
Ebenso düster und zugleich komisch wie "Die Glasglocke" sind Plaths Gedichte, die zum Teil bereits während ihrer Schulzeit entstanden. Schon als 15-Jährige veröffentlichte sie in Zeitschriften und wurde mit Preisen ausgezeichnet. Dass sie dennoch von Minderwertigkeitsgefühlen und Zweifel an ihrem schriftstellerischen Talent geprägt war, ist aus ihren Tagebuchaufzeichnungen bekannt.
Die 1960 erschienene Gedichtsammlung "The Colossus" war Plaths erste Veröffentlichung in Buchform. Nun ist sie zum ersten Mal auf Deutsch erschienen, zum Glück in einer zweisprachigen Ausgabe. Einzelne Gedichte sind ebenfalls in ihren Tagebüchern nachzulesen – dort lässt sich auch ihre Entstehungs- und Publikationsgeschichte nachverfolgen.
Übertragen wurden die Gedichte von Judith Zander, die selbst als Lyrikerin bekannt wurde und mit einem Roman für den Deutschen Buchpreis nominiert war. Ihre Nachdichtungen sind ein Gewinn: Metrum und Klang des Originals verliert Zander nie aus dem Blick. Die manchmal unangenehm mystisch munkelnde, aber nie altbacken wirkende Sprache Plaths bleibt so auch in der deutschen Übersetzung erhalten.
Wie Plath aus banalen Alltagserlebnissen Poesie entstehen lässt, ohne zu überladenen Metaphern zu greifen, ist beeindruckend. Die Schlachtung eines Schweins oder der Splitter, der in ihrem Auge steckt, ganz alltägliche Beobachtungen und Erlebnisse führen zu einer Verschiebung des Blicks im übertragenen, aber auch ganz realen Sinn, lassen Gewohntes und Vertrautes auf neue Weise sichtbar werden. Und die neuen Bilder, die die Dichterin wahrnimmt, beschreibt sie so präzise wie die Sehnsucht nach Vertrautem, das ihr verloren ging:
"(...) Was ich zurückwill, ist, was ich gewesen,
Bevor das Bett und die Messerschneide,
Bevor die Broschennadel, die Salbe,
Mich einspannten in diese Parenthese;
Was dem Sinn – Pferde fließend im Wind,
Ein Ort, eine Zeit - entschwand." (Das Augenstäubchen / The Eye-Mote)
Andere Texte bauen auf düsteren Bildern auf, sie erzählen von Angst und Bedrohung durch eine Außenwelt, die nicht als sicherer Hort, sondern als von stiller Feindseligkeit geprägtes Labyrinth gezeichnet wird:
"Sie sind immer bei uns, die dünnen Leute,
Von dürftigem Ausmaß wie die grauen Leute
Auf einer Kinoleinwand. Sie
Sind unwirklich, wie
Wir sagen: es war nur ein Film, es war nur
Ein Krieg, der böse Schlagzeilen machte, als wir
Klein waren, wo sie verhungerten und
So mager wurden und nie mehr rund. (...)" (Die dünnen Leute /The Thin People)
AVIVA-Tipp: Dass das Frühwerk einer der bedeutendsten US-amerikanischen LyrikerInnen jetzt erst in deutscher Übersetzung erschienen ist, verwundert. Umso schöner, dass diese gelungene Veröffentlichung nun vorliegt. Plaths Gedichte hallen nach, und selbst wenn ihre Bilder manchmal arg pathetisch erscheinen, hält ihre Wirkung auf die Leserin dennoch lange an – im guten Sinn.
Zur Autorin: Sylvia Plath wurde 1932 in Boston geboren. 1950 erhielt sie ein Stipendium. Zur gleichen Zeit begann sie, an Depressionen zu leiden und kurz darauf folgte der erste Selbstmordversuch. Nach der Heirat mit dem Schriftsteller Ted Hughes und der Geburt zweier Kinder hatte Plath nur wenig Zeit zum Schreiben. Nach der Trennung von Hughes 1962 folgte eine sehr kreative, aber kurze Schaffensperiode. Am 11. Februar 1963 nahm sich Sylvia Plath, die durch ihre Gedichtbände Colossus und Ariel zur internationalen Ikone amerikanischer Dichtung wurde, das Leben. (Quelle: Verlagsangaben)
Sylvia Plath
Der Koloss. Gedichte
Englisch und deutsch, übertragen von Judith Zander
Originaltitel: The Colossus
Suhrkamp Verlag, erschienen im August 2013
Gebunden, 163 Seiten
ISBN: 978-3-518-42380-6
22,95 Euro
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