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Beitrag vom 24.12.2007
Angelika Schrobsdorff – Werkschau zum 80. Geburtstag
Silvy Pommerenke
Am 24. Dezember feierte die seit zwei Jahren wieder in Berlin lebende Bestsellerautorin ihren achtzigsten Geburtstag. Die Tochter einer assimilierten Jüdin und eines deutschen Christen wurde...
... - Ironie des Schicksals – genau an Heilig Abend als "Christkind" geboren, während ihre Mutter auf Reisen war.
Dieser Topos zog sich weiterhin durch das gesamte Leben Angelika Schrobsdorffs: Ruhelosigkeit, Wandernde zwischen den Ländern, Kulturen und Religionen. Viele ihrer Erfahrungen mit unzähligen Männern, dem Leben aus Koffern und der Identitätssuche hat die Autorin in mehr als einem Dutzend Bücher niedergeschrieben. Sie ist Autodidaktin erster Güte, besuchte nur kurz die Schule, da sie mit ihrer Mutter und ihrer Halbschwester 1939 nach Bulgarien emigrieren musste und die Kriegswirren für Bildung keine Zeit ließen. Neben den ungewöhnlichen Lebensschilderungen, dem extrovertierten Lifestyle und der Hinwendung in späterer Zeit zum deutlich politisch motivierten Thema des Israel-Palästina-Konfliktes, beeindruckt vor allem ihre Schreibweise. Johannes Mario Simmel sagte einmal, dass Angelika Schrobsdorff ihr Leben lang "nur wahre Sätze" geschrieben hätte. Wie auch immer man Wahrheit definieren mag, so trifft Simmel mit diesem kurzen Statement in des wahren Kerns der Schrobsdorff`schen Prosa. Sie reißt die Leserin mit jedem ihrer Texte in einen wahren Sog von leichtfüßigen und gleichzeitig tiefsinnigen Aussagen. Anlässlich ihres Jubiläums stellt AVIVA-Berlin die Werkschau der Autorin vor.
Die Herren (EV 1961)
Das Debut von Angelika Schrobsdorff, das ihre Backfischjahre in Bulgarien aufzeigt, und von dort aus ihre steile Karriere in Bezug ihrer Attraktivität auf Männer wiedergibt. Sie hatte eine unglaubliche Außenwirkung und konnte sich vor Verehrern kaum retten. Die wiederum halfen ihr immer wieder aus ökonomischen Un-Verhältnissen heraus, hielten Hof und bisweilen auch um ihre Hand an. Ein Sittengemälde der Nachkriegszeit, das relativ einzigartig ist. Der Roman löste zu seiner Erstveröffentlichung derbe Proteste in der Adenauer`schen Restaurationszeit aus, weil es bis zu diesem Zeitpunkt keine Frau gewagt hatte, so intim über ihr Sexualleben zu berichten. Die beiden Schlusskapitel wurden gar erst in der Neuauflage von 1986 veröffentlicht. Neben den brisanten sexuellen Eskapaden ist es allerdings Schrobsdorffs Sprache, die von Seite zu Seite in ihrem mehr als siebenhundert Seiten langen autobiographischen Roman brillanter und zielsicherer wird, und die die Leserin in einen regelrechten Sog hineinzieht.
DTV Deutscher Taschenbuch Verlag
Taschenbuch, 716 Seiten
ISBN: 3423108940
12,50 Euro
Der Geliebte (EV 1964)
Weiter geht es mit den Männergeschichten. Leichter sind sie nicht geworden, und die Protagonistin geht – wie immer – die Gratwanderung von Anziehung und Abgestoßensein mit dem Partner ein. Von Berlin ausgehend über München bis hin nach New York dehnt sich die Liebes- und Leidensgeschichte von Judith und Paul aus. Auch wenn beide dabei etwas lernen, so bleibt am Ende nur das Lebewohl...
DTV Deutscher Taschenbuch Verlag
Taschenbuch, 408 Seiten
ISBN: 3423115467
11,50 Euro
"Diese Männer" (EV 1966, später unter dem Titel "Der schöne Mann und andere Erzählungen")
In neun kurzen Erzählungen gibt die Autorin, erneut in der Ich-Perspektive, den weiblichen Blick auf die andere Spezies der Menschheit wieder. Der schmale Band bleibt allerdings, sowohl was die sprachlichen als auch die inhaltlichen Aspekte betrifft, deutlich hinter den vorherigen Romanen zurück.
DTV Deutscher Taschenbuch Verlag
Taschenbuch, 169 Seiten
ISBN: 3423116374
9,00 Euro
"Spuren" (EV 1968)
Die Liebe ist ein Vakuum. Zu dieser nüchternen Erkenntnis kommt Walter, einer der vielen Lebensgefährten von Vera. Sie, alleinerziehende Mutter eines sechsjährigen Jungen, Autorin mit Schreibblockade und frustriert vom Leben, versucht Halt an einem warmen Körper in ihrem Bett zu finden, scheitert dabei aber jedes mal aufs Neue. Schrobsdorffs trauriges Resümee über eine Frau, die in den sechziger Jahren versucht ein unabhängiges Leben zu führen und dabei über ihre eigenen Erwartungen stolpert.
DTV Deutscher Taschenbuch Verlag
Taschenbuch, 188 Seiten
ISBN: 3423119519
7,50 Euro
"Die kurze Stunde zwischen Tag und Nacht" (EV 1978)
Zehn Jahre sind seit der letzten Buchveröffentlichung vergangen, und sie sprechen wohl die deutlichen Worte einer Schreibblockade. Allerdings sind nun sichtliche Veränderungen auf Seiten des Inhalts zu erkennen. Zwar ist wieder ein Mann der Mittelpunkt des Romans, doch ist es dieses Mal ein Prominenter: Serge - im wahren Leben der französische Filmemacher Claude Lanzmann - ist der Auserwählte, der für die Protagonistin Christina, alias Angelika, die große Liebe bedeutet, der ihr aber auch "Magenkrämpfe" verursacht. Die Reisestationen sind dieses Mal Jerusalem, München und Paris. Neben dem rasend schönen Buchtitel ist dies der erste Roman der Autorin, der ihre Liebe zu Jerusalem, ihrer zeitweiligen Wahlheimat, in schillernden Farben zum Ausdruck bringt. Ihre detailverliebten Portraits von der ewigen Stadt sind atemberaubend!
DTV Deutscher Taschenbuch Verlag
Taschenbuch, 508 Seiten
ISBN: 3423116978
14,50 Euro
"Die Reise nach Sofia" (EV 1983, mit einem Vorwort von Simone de Beauvoir)
"Bei einem Erfahrungsschatz, der so reichhaltig ist wie der der Autorin, macht meiner Meinung nach gerade das die höchste literarische Qualität aus", schreibt Simone de Beauvoir über Angelika Schrobsdorff.
Auch wenn die "Reise nach Sofia" frei erfunden sein soll, so kann man darin immer wieder Parallelen zum realen Leben der Verfasserin erkennen: Angelina besucht nach 25 Jahren das erste Mal wieder ihre Jugendfreundin Ludmilla in Sofia. Sie war als Teenagerin mit ihrer Mutter nach Bulgarien emigriert und später zurück in den Westen, nach Paris, gegangen. Der Gegenbesuch Ludmillas in der Seine-Metropole führt ihr die scheinheilige Welt von Luxus, Konsum und Kommerz vor Augen, und die Freundschaft wird auf eine harte Probe gestellt. In analytisch ironischen Schilderungen beschreibt Schrobsdorff die Gegensätze von West und Ost, die deutlicher nicht sein könnten.
DTV Deutscher Taschenbuch Verlag
Taschenbuch, 289 Seiten
ISBN: 3423105399
8,50 Euro
"Das Haus im Niemandsland oder Jerusalem war immer eine schwere Adresse" (EV 1989, später unter dem Titel "Jerusalem war immer eine schwere Adresse")
Angelika Schrobsdorff lebt seit 1983 auf der grünen Grenze in Jerusalem. Somit bekommt sie einige Jahre später unmittelbar den Konflikt zwischen den Israeli und den PalästinenserInnen - die Intifada - mit. Sie hat FreundInnen auf beiden Seiten der Grenze und versucht mit ihrem Buch gegen den Konflikt zwischen AraberInnen und Juden und Jüdinnen und für Versöhnung und Toleranz anzuschreiben.
DTV Deutscher Taschenbuch Verlag
Taschenbuch, 407 Seiten
ISBN: 3423114428
11,00 Euro
"Du bist nicht so wie andre Mütter" (EV 1992)
Das kommerziell erfolgreichste Buch von Angelika Schrobsdorff, das allein als Taschenbuch fast 500 000 Mal verkauft und mit Katja Riemann in der Hauptrolle verfilmt wurde. Es ist eine Liebeserklärung an ihre Mutter, die eine außergewöhnliche und lebenshungrige Frau war. Als Jüdin muss sie 1939 mit ihren beiden Töchtern nach Bulgarien emigrieren und kehrt erst 1947 – schwer krank – nach Deutschland zurück.
DTV Deutscher Taschenbuch Verlag
Taschenbuch, 556 Seiten
ISBN: 3423119160
10,00 Euro
"Jericho: eine Liebesgeschichte" (EV 1995)
Dieses Mal ist es eine Liebeserklärung an eine Stadt, an "ihr" Jericho, der ältesten Stadt der Welt, "die man sozusagen auf einem fliegenden Teppich erreicht". Im Mittelpunkt des für Schrobsdorff sehr kurz geratenen Buches, stehen viele Menschen, die vor allem eines miteinander verbindet: die Liebe zu Jericho.
DTV Deutscher Taschenbuch Verlag
Taschenbuch, 157 Seiten
ISBN: 3423123176
7,50 Euro
"Grandhotel Bulgaria: Heimkehr in die Vergangenheit" (EV 1997)
1996 bekommt Angelika Schrobsdorff einen Hilferuf von ihrer Nichte Evelina aus Bulgarien, und sie bricht spontan in Richtung Vergangenheit auf. Das Elend ist groß in dem Ostblockland, auch wenn es oftmals unsichtbar ist. Die Autorin schildert ihre Eindrücke des gegenwärtigen Zustandes und portraitiert Land und Leute, die um ihr tägliches Überleben kämpfen aber dennoch die Hoffnung auf eine bessere Zukunft nicht aufgeben.
Zehn Jahre später hat der bulgarische Filmemacher Christo Bakalski in Anlehnung an dieses Buch den Dokumentarfilm "Ausgerechnet Bulgarien" gedreht, der Angelika und ihre Familie portraitiert.
DTV Deutscher Taschenbuch Verlag
Taschenbuch, 277 Seiten
ISBN: 3423128526
9,50 Euro
"Von der Erinnerung geweckt" (1999)
Was tun, wenn man bestimmte Emotionen nicht zulassen, nicht ausleben kann? Wenn trotzdem immer wieder der Schmerz der Vergangenheit aufsteigt? Dann setzt man sich, heißt man Angelika Schrobsdorff, an die elektrische Schreibmaschine und schreibt – besessen - gegen diese Missstände an. In fünfzehn Erzählungen, von denen die meisten eigentlich nicht zur Veröffentlichung vorgesehen waren, geht sie unter anderem den W-Fragen ihres Lebens nach. Ihre größte Lebensfrage allerdings lautet: "Schreibe ich, um leben, oder lebe ich, um schreiben zu können?"
DTV Deutscher Taschenbuch Verlag
Broschiert, 238 Seiten
ISBN: 3423241535
13,50 Euro
"Wenn ich dich je vergesse, oh Jerusalem" (EV 2004)
Sie wusste immer schon, dass es schwierig ist, in Jerusalem zu leben. Der Konflikt zwischen den Israeli und den PalästinenserInnen scheint hoffnungslos und unlösbar zu sein. Die Autorin verarbeitet ihre Trauer und Betroffenheit über die Ungerechtigkeiten im Land, aber auch ihre Liebe zum israelischen Volk und vor allem zu Jerusalem.
DTV Deutscher Taschenbuch Verlag
Taschenbuch, 381 Seiten
ISBN: 3423132396
9,50 Euro