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Beitrag vom 12.03.2008
Noah Sow - Deutschland Schwarz Weiß. Der alltägliche Rassismus
Britta Leudolph
Das Thema Rassismus in Deutschland wird allzu gern als Randphänomen in der Neonazi-Szene oder im Osten angesehen. Dass es dies absolut nicht ist, deckt Noah Sow in diesem Buch sehr anschaulich auf.
Die Autorin und Musikerin Noah Sow beschreibt sowohl den strukturellen als auch den individuellen Rassismus in Deutschland aus historischer, sprachlicher und medialer Perspektive und enttarnt mit vielen Beispielen Diskriminierungen durch die weiße deutsche Mehrheitsgesellschaft.
So zeigt sie auf, wie sich selbst Hilfsorganisationen wie Unicef oder die staatliche Gleichstellungsbehörde rassistischer Klischees bedienen oder wie schon Kindern rassistische Denkmuster vermittelt werden, etwa in Comics: "Ist Ihnen mal Folgendes aufgefallen: In Comics, Karikaturen und Cartoons wird immer versucht, einzelne körperliche Merkmale von Personen zu zeichnen, und wenn es nur dicke Augenbrauen sind, eine große Nase (...), die die Figuren voneinander unterscheiden. Aber sobald weiße Leute Schwarze malen, ist dies anscheinend nicht mehr nötig. Die meisten Comic-Darstellungen Schwarzer Menschen hierzulande sind so platt und überzogen, dass sie sie gar nicht erst als Personen zeigen, sondern als austauschbare Fratzen mit Wulstlippen, Glubschaugen und am besten noch Knochen im Haar. (...) Dass Schwarze Menschen natürlich genauso unterschiedlich aussehen wie weiße Menschen, diesen simplen Gedanken muss man sich als weißer Deutscher sein Leben lang nicht machen."
Die Autorin nimmt sich ausführlich den Alltagsrassismus der weißen deutschen Mehrheitsgesellschaft vor. Während dieser Lektüre geht es selbst vermeintlich aufgeklärten Gutmenschen an die Substanz: "Etwas sträubt sich im weißen Deutschen, den Schritt zu tun und alle Menschen wirklich gleichberechtigt zu betrachten. Und dieses Etwas ist unsere Erziehung mitsamt den grundsätzlichen Überzeugungen unserer ´abendländischen Kultur´. Wir können nichts dafür, dass wir so viel rassistischen Unsinn beigebracht bekommen haben. Wir können ihn jetzt aber loswerden. Das bedeutet Arbeit und ist oft unbequem. Aber ich wünsche uns und den nächsten Generationen, dass diese Arbeit jetzt getan wird."
Glücklicher Weise macht sich die Autorin gar nicht erst die Mühe, sachlich zu bleiben: mal wütend, mal humorvoll, mitunter polemisch nimmt sie rassistische Vorurteile und Prägungen ins Visier: "(...) In Deutschland darf sich der dümmste Unsympath den ganzen Tag überlegen fühlen – sofern er weiß ist. So erklären sich "N...-witze" und Hetzjagden primitiver Dorfethnien auf Schwarze, Inder und Asiaten. So erklären sich aber auch die Vorstellungen und Pauschalurteile, die Deutsche von Afrika, Afrikanern und Schwarzen ganz allgemein haben. Allen gemeinsam ist, dass sie realitätsfern und eurozentristisch sind."
Die Autorin schärft mit diesem Buch die Sinne der LeserInnen für den eigenen unbewussten Rassismus und liefert das Rüstzeug, um es in Zukunft besser zu machen.
Das Buch enthält außerdem ein ausführliches Sach- und Personenregister sowie eine Literaturauswahl zum Weiterlesen.
Zur Autorin: Noah Sow, geboren und aufgewachsen in Bayern, arbeitet seit ihrem achtzehnten Lebensjahr für verschiedene Radiosender. Bekannt wurde sie vor allem als Moderatorin in Personality-Sendungen bei WDR Einslive, HR3, Radio Fritz und YouFm sowie durch zahlreiche TV-Aktivitäten. Seit 1998 lebt Noah Sow in Hamburg. Die vielseitig talentierte Musikerin, Sprecherin, Hörspielautorin, Autorin und Produzentin ist auch als Komponistin und Sängerin aktiv. Mit ihrer Band "Noah Sow & Das Heimlich Manöver" ist sie auf internationalem Rock-Parkett unterwegs und viele ihrer Lieder behandeln ebenfalls politische Themen.
Daneben ist Noah Sow Initiatorin und Vereinsvorsitzende von "Der braune Mob", der ersten antirassistischen deutschen Media-Watch-Organisation, deren Ziel es ist, dass die Darstellung Schwarzer Menschen in deutschen Medien und der Öffentlichkeit fair und ohne Diskriminierung erfolgt. Unter www.deutschlandschwarzweiss.de finden Sie ein Interview mit der Autorin, Leser- und Pressestimmen, weitere Informationen zum Buch und eine aktualisierte Liste empfehlenswerter Literatur, Filme und Webadressen zum Thema.
AVIVA-Tipp: Noah Sow zwingt die LeserInnen, sich mit unangenehmen Wahrheiten und eingefahrenen Denkmustern zu beschäftigen. Sie zeigt schonungslos auf, welche Privilegien allein die weiße Hautfarbe mit sich bringt und wie stark dies die Lebensqualität Schwarzer Menschen einschränkt. "Deutschland Schwarz Weiß" ist eine Aufforderung, Rassismus in jeglicher Form entgegen zu treten, vor allem im eigenen Kopf.
Deutschland Schwarz Weiß – Der alltägliche Rassismus
Noah Sow
C.Bertelsmann Verlag, erschienen Februar 2008
Paperback, 320 Seiten
ISBN 978-3-570-01008-2
14,95 Euro