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Beitrag vom 05.10.2005
Einmal Hans mit scharfer Soße - Leben in zwei Welten
Sharon Adler
Die Journalistin Hatice Akyün liefert mit ihrer amüsant-nachdenklichen Biographie einen gelungenen Beitrag zu einem hochbrisanten Thema - dem Spagat zwischen Berlin und dem Bosporus.
Hatice Akyün ist "Türkin mit deutschem Pass". Als Dreijährige kam sie mit ihrer Familie nach Duisburg, lebt seit 30 Jahren in Deutschland. Sie trägt kein Kopftuch und ist nicht zwangsverheiratet. Vermutlich sei sie deshalb noch immer Single, meint sie manchmal lächelnd.
"Hans und Helga heißen alle Deutschen bei uns Türken", schreibt Hatice Akyün, "und jedes Mal, wenn ich in die Türkei fahre, heißt es: ´Hast du jetzt endlich einen Hans gefunden?´ Natürlich habe ich ihn noch nicht gefunden. Ein Hans, der galant genug wäre, mir beim ersten Date - wie in der Türkei üblich - die Autotür aufzuhalten, ist mir noch nicht begegnet. Und türkische Männer trauen sich nicht mehr in meine Nähe. Seither bin ich das Sorgenkind meiner Familie. Sie kennen meine Familie noch nicht? Dann kommen Sie her, und setzen Sie sich, und vergessen Sie nicht, etwas zu essen mitzubringen, denn das macht man so bei uns. Ich entführe Sie in ein Deutschland, das Sie unter Garantie noch nicht kennen. Geschichten aus 1001 Nächten im Ruhrpott, nachdem mein Vater nach Deutschland gekommen ist, um hier zu arbeiten. Stellen Sie sich auf eine längere Reise ein, denn es geht um so etwas wie den Eintritt in ein anderes Universum."
Die kluge Beobachterin der Parallelwelten zeichnet ein äußerst kurzweiliges Bild der Eigenarten von TürkInnen und Deutschen. Hatice Akyün verschweigt bei allem Humor auch nicht die Hürden, die sie selber innerhalb ihrer Familie hatte, Akzeptanz für ihren "untürkischen" Lebensweg zu finden. Eindrücklich portraitiert sie eine ganze Generation von "Gastarbeiterkindern" und die Klischeebilder, die Deutsche und TürkInnen voneinander zeichnen. Diskriminierung in seiner unmenschlichsten Form beschrieb Hatice Akyün am 20.05.03 gemeinsam mit Christian Esser und Ulrich Stoll in ihrem Beitrag "Die Trauer wird nie aufhören" für die Sendung Frontal21. Am 29. Mai 1993 zündeten vier junge Männer aus der rechtsextremen Szene das Haus einer türkischen Familie in Solingen an. Fünf Frauen starben in den Flammen. Zehn Jahre nach der Brandnacht ist eines der schwersten rassistischen Verbrechen der Nachkriegszeit in Solingen kein Grund mehr zur Solidarität, doch für die Familien der Opfer gilt "Die Trauer wird nie aufhören".
Zur Autorin:
Hatice Akyün wurde 1969 in Akpinar Köyü in Zentralanatolien geboren. 1972 kam sie mit ihrer Familie nach Deutschland, wo sie seither lebt. Hatice Akyün schreibt als freie Journalistin u.a. für den "Spiegel", "Emma" und den "Tagesspiegel". Sie lebt in Berlin.
Mehr Infos unter: www.einmalhansmitscharfersosse.de
AVIVA-Tipp: "Einmal Hans mit scharfer Soße" zeigt die positiven Bereicherungen, aber auch die Konflikte von: Herz deutsch - Seele türkisch. Wie schön wäre es, wenn die köstlichen Gerichte und Kochorgien von Hatice Akyüns Mutter mit dem Buch gleich mitgeliefert werden könnten. Schon ein türkisches Sprichwort sagt: "Der Weg ins Herz führt über die Kehle."
Mehr davon! AVIVA wartet auf die Fortsetzung und auf das Kochbuch der Mutter...
Hatice Akyün
Einmal Hans mit scharfer Soße
Leben in zwei Welten
ISBN: 3-442-31094-6
Goldmann Verlag, erschienen September 2005
Gebundenes Buch, 192 Seiten
18,00 Euro90008115&artiId=3563487&nav=5081"