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Beitrag vom 13.01.2012
Brigitte Beier und Karina Schmidt - Hier spielt die Musik. Tonangebende Frauen in der Klassikszene
Anne Fröhlich
Sie spielen Schlagzeug oder Harfe, Kontrabass oder Geige, interpretieren Minimal-Musik oder Johann Sebastian Bach, stehen noch am Anfang ihrer Karriere oder sind alte Häsinnen. So unterschiedlich ...
... die Musikerinnen und deren Instrumente auch sein mögen, eins haben sie gemeinsam: Sie alle sind Frauen, die es geschafft haben, ihre Leidenschaft Musik zu ihrem Beruf zu machen.
Bis heute gilt die klassische Musikszene als Männerdomäne. Erstmals 1997 wurde mit der Harfenistin Anna Lelkes eine Frau in das Orchester der Wiener Philharmoniker aufgenommen. Um sichtbar zu machen, was es heutzutage bedeutet, hauptberufliche Musikerin in der Klassikbranche zu sein, trafen sich die Autorinnen Brigitte Beier und Karina Schmidt mit 21 Berufsmusikerinnen zu persönlichen Interviews und besuchten deren Konzerte. Darüber hinaus beschäftigten sie sich unter anderem mit der Studie "Orchestrating Impartiality: The Impact of "Blind" Auditions on Female Musicians" von Claudia Goldin und Cecilia Rouse. Die Studie beweist, dass die Wahrscheinlichkeit, als Bewerberin um einen Platz im Orchester eingestellt zu werden deutlich steigt, wenn das Vorspielen hinter einem Vorhang stattfindet.
Auch diese Tatsache diskutierten Beier und Schmidt mit den Musikerinnen. Mal fanden die Treffen bei den Autorinnen selbst statt, mal bei den Künstlerinnen zu Hause, oftmals aber auch in Cafés, Hotels oder aber im Pausenraum vor oder nach einer Probe. Aus diesen Begegnungen sowie aus den Eindrücken, die sie bei den Auftritten gewonnen hatten, entstanden schließlich 20 individuelle Porträts.
Wie sind sie zur Musik gekommen? Welche Schwierigkeiten hatten sie auf ihrem Weg zu meistern? Wie bringt man ein Leben als Musikerin, die sich eine lange Auszeit nicht leisten kann, da sie eigentlich täglich mehrere Stunden üben muss, mit dem einer Mutter unter einen Hut? Was stört sie an ihrem Beruf, was gefällt ihnen? Haben oder hatten sie jemals das Gefühl, aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert worden zu sein? All diesen Fragen geht "Hier spielt die Musik! Tonangebende Frauen in der Klassikszene" auf den Grund und fördert dabei spannende Einsichten und Geschichten zutage.
Darunter die von Rumi Ogawa, die in der Blaskapelle ihrer Schule eigentlich viel lieber Flöte gespielt hätte, aber mit dem einzig noch freien Instrument vorlieb nehmen musste: dem Schlagzeug. Zu allem Überfluss bewies sie zur Freude ihres Lehrers ein ausgesprochenes Talent an dem ungeliebten Instrument: "Er sagte: Du bist so begabt, du musst unbedingt weiter Schlagzeug spielen. Aber ich war sehr deprimiert, weil ich das einfach nicht machen wollte". Mit einigen Umwegen, unter anderem über ein Sprach- und ein VWL-Studium, landete sie schließlich wieder bei der Musik und beim Schlagzeug und spielt heute im "Ensemble Modern", wo sie "zeitgenössische Kompositionen zu Gehör bringen und für sie werben" will.
Aber "Hier spielt die Musik!" erzählt auch von "Wunderkindern" wie Anne-Sophie Mutter, die nach ihrem Bühnendebüt bei den Luzerner Festspielen im Alter von zwölf Jahren vom Dirigenten Herbert von Karajan als "die größte musikalische Frühbegabung seit dem jungen Menuhin" entdeckt wurde. Ein Jahr später machte sie als Solistin bei den Salzburger Pfingst- und Sommerfestspielen auch den Rest der internationalen Musikwelt auf sich aufmerksam.
Auch Karen Kamensek entschied sich schon früh für eine musikalische Laufbahn und schaffte es schließlich als eine von sehr wenigen Frauen, sich als Dirigentin durchzusetzen.
Doch der Weg dahin war alles andere als einfach. Neben musikalischen Fähigkeiten sind Durchsetzungskraft, Führungsqualitäten und eine gewisse Hartnäckigkeit unabdingbar: "Manche sind sehr schnell frustriert, wenn sie als Dirigenten in ihrem Job nicht vorankommen und auf Widerstand stoßen. Aber so ist das Leben! Wenn es nicht weitergeht, versuche ich immer, einen anderen Weg zu finden, oder ich buddel einen Tunnel, um weiterzukommen", erklärt die in Chicago geborene Berufsmusikerin ihr Erfolgskonzept.
Auch die in der ehemaligen Sowjetunion geborene Sofia Gubaidulina, eine der berühmtesten Komponistinnen unserer Zeit, hatte es auf ihrem Weg nicht immer leicht. Ihre Eltern waren weder wohlhabend, noch hatten sie selbst eine musikalische Erziehung genossen. Dennoch unterstützten sie ihre beiden Töchter soweit es ihnen möglich war, bezahlten den Unterricht an der Musikschule und schafften einen Flügel an. Als Gubaidulina zwölf war, begann sie ihre ersten Kompositionen niederzuschreiben, mit zwanzig wurde ihr bewusst, dass sie sich würde entscheiden müssen zwischen ihren beiden Leidenschaften Klavier und Komposition. "Irgendwann spürte ich, dass ich nicht beides bewältigen konnte, und so verzichtete ich auf eine Bühnenlaufbahn als Pianistin. Das war für mich ein inneres Drama, fast eine Tragödie".
Mittlerweile hat sie über 100 Werke komponiert, unter anderem auch "In tempus praesens" für Anne-Sophie Mutter. Nur vom Unterrichten nimmt Gubaidulina Abstand: "Die Vorstellung, für jemanden Mentorin zu sein, ist mir zuwider", um unterrichten zu können müsse man Antworten haben, sie jedoch wolle weiter in der Welt der Fragen bleiben und experimentieren. Sie hoffe auf eine weitere Zusammenarbeit mit all den Musikerinnen und Musikern, denen sie "so viel Inspiration und Glück" zu verdanken habe, erklärt die Komponistin mit Blick in die Zukunft.
AVIVA-Tipp: "Hier spielt die Musik!" von Brigitte Beier und Karina Schmidt blickt in 20 Porträts hinter die Kulissen der großen Konzerthallen und auf den Werdegang von besonderen Frauen in der Klassikszene. Es wirft einen Blick auf deren Lebensentwürfe, ihre Wünsche, ihre Gefühle und ihr Verständnis von Musik, und bringt sie der Leserin ganz nah. Dabei werden interessante Unterschiede als auch überraschende Gemeinsamkeiten aufgedeckt.
Zu den Autorinnen:
Brigitte Beier studierte Germanistik und Philosophie und arbeitet freiberuflich als Sachbuchautorin, Lektorin und Ãœbersetzerin aus dem Englischen in Hamburg.
Karina Schmidt studierte Germanistik und Soziologie in Frankfurt am Main und Hamburg. Sie lebt als freie Lektorin und Autorin in Hamburg.
(Quelle: AvivA Verlag)
Brigitte Beier & Karina Schmidt
Hier spielt die Musik! Tonangebende Frauen in der Klassikszene
AvivA Verlag, erschienen September 2011
Gebunden, 255 Seiten mit Register der Orchester und Ensembles und Personenregister
ISBN 978-3-932338-49-6
23,80 Euro
www.aviva-verlag.de
www.facebook.com/aviva.verlag
Mehr zum Thema Frauen in der Musik finden Sie unter:
www.archiv-frau-musik.de
Die Studie "Orchestrating Impartiality: The Impact of "Blind" Auditions on Female Musicians" von Claudia Goldin und Cecilia Rouse
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Interview mit der Komponistin Ursula Mamlock