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Beitrag vom 22.03.2007
Strajik-Die Heldin von Danzig
Clarissa Lempp
Der Film erzählt von der Werftarbeiterin Agnieszka, die im Polen der späten 70er Jahre von der Heldin der Arbeit zur Volksheldin wurde.
Die einfache Arbeiterin Agnieszka, die kaum Schulbildung besitzt und fast Analphabetin ist, arbeitet in der Danziger Werft und schafft es dort von der Schweißerin zur Kranführerin. Für ihre Verdienste erhält sie den Titel "Heldin der Arbeit" und ein Fernsehgerät von der Partei, obwohl sie selbst keine "Genossin" ist. Die Bedingungen in der Werft sind jedoch katastrophal. Es gibt keine Kontrolle des Arbeitsschutzes und die Belange der ArbeiterInnen bleiben unbeachtet. Nachdem Agnieszka Zeugin eines verheerenden Brands auf der Werft wurde, der 21 Menschen das Leben kostete und deren Familien keine Entschädigung erhalten sollen, verliert Agnieszka jegliches Vertrauen in ihre Arbeitgeber. Ihr unerschütterlicher Glaube an die Gerechtigkeit treibt sie dazu an, gegen die Gleichgültigkeit und menschenverachtende Arbeitspolitik in der Werft zu kämpfen. Das Herz auf der Zunge und den Elektriker Lech an ihrer Seite fordert sie die Autorität der Werksleitung heraus. Als diese Agnieszka daraufhin entlässt, tritt die gesamte Arbeiterschaft aus Solidarität in den Streik. Immer mehr ArbeiterInnen aus ganz Polen schließen sich dem großen Streik und den Forderungen nach mehr Rechten, der Zulassung einer freien Gewerkschaft und einer angemessene Entlohnung an. Der "Solidarnosc" -Gedanke ergreift Polen und wird schließlich zu einer politischen Massenbewegung.
Zum Film: Der Film beruht auf der Geschichte der polnischen Werftarbeiterin Anna Walentynowicz, die eigentliche Begründerin der polnischen "Solidarnosc"-Gewerkschaft. Sie begegnete der Drehbuchautorin Sylke Rene Meyer als "Fußnote" in einem Bericht über die große polnische Demokratie-Bewegung der 70er und 80er Jahre. Nach einem Treffen mit Anna Walentynowicz, die die politische Vertretung der Gewerkschaft ihrem Mitstreiter Lech Walesa überließ, entstand das Drehbuch zu ihrer Lebensgeschichte, das schließlich 2000 den International Emmy Award für das beste Drehbuch erhielt. Strajik wurde mit dem Bayerischen Filmpreis 2006 für die beste Hauptdarstellerin (Katharina Thalbach) und Kamera (Andreas Höfer) ausgezeichnet und erhielt beim Saturno International Film Festival 2006 den Goldenen Saturn für den Besten Film.
Historischer Hintergrund: 17.000 Beschäftigte der Danziger Lenin-Werft legten am 14. August 1980 die Arbeit nieder und stellten wirtschaftliche, soziale und politische Forderungen: Das Streikrecht, das Recht zur Gründung einer unabhängigen Gewerkschaft und das Recht auf Meinungsfreiheit. Das überbetriebliche, vereinigte Streikkomitee mit Lech Walesa an der Spitze erwirkte schließlich Zugeständnisse vom stellvertretenden polnischen Ministerpräsidenten Mieczyslaw Jagielski und so wurde die Gewerkschaft "Solidarnosc" gegründet. Als sich 1981 eine neue Regierung um Ministerpräsident General Wojciech W. Jaruzelski bildete, verhängte dieser das Kriegsrecht und beendete damit den Demokratisierungsprozess. Jegliche Aktivitäten der "Solidarnosc" wurden verboten. Unterstützt durch das nicht-kommunistische Ausland und die katholische Kirche kämpften die politisch verfolgten "Solidarnosc"-GewerkschafterInnen weiter. 1983 wurde Lech Walesa schließlich mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet, aber erst 1989, mit dem Beginn der Auflösung der Sowjetunion, konnte die "Solidarnosc"-Bewegung wieder aus dem Untergrund hervortreten.
Das Buch zum Film: Im Februar 2007 ist das Filmbuch zu Strajik erschienen. Neben Auszügen aus dem Originaldrehbuch und Setfotos, sowie Interviews mit den FilmemacherInnen und SchauspielerInnen, enthält der aufwendig gestaltete Band Texte über die historischen Hintergründe der "Solidarnosc" und Zeitdokumente wie z.b. das Streik-Tagebuch und Originalfotos. Zu den Autoren gehören u.a. Bremens früherer Bürgermeister Hans Koschnick. Er schildert eindrücklich, wie die erste offizielle Städtepartnerschaft zwischen der westdeutschen Stadt Bremen und dem polnischen Danzig 1976 zustande kam und welche Folgen die Verhängung des Kriegsrechts 1981 hatte. In diesem Ausnahmezustand haben viele Hilfeleistungen aus Westdeutschland die Polen erreicht, auch das wird hier in einem Beitrag eindrucksvoll in Erinnerung gerufen. Ausführlich gehen die Texte von Winfried Lipscher (Deutsches Polen-Institut Darmstadt) und Karl-Joseph Hummel (Direktor der Kommission für Zeitgeschichte Bonn) auf das Verhältnis zwischen Solidarnosc und katholische Kirche ein.
AVIVA-Tipp: Strajik ist ein starker Film über ein bedeutendes europäisches Thema: die Demokratisierung Osteuropas. Volker Schlöndorff scheint hier der Richtige zu sein um Geschichte zu inszenieren. Die historischen Zusammenhänge werden klar benannt und die Hauptfigur Agnieszka wird durch ihre von Anfang an Persönlichkeit zum Sympathieträger. Dies mag auch an der eindringlichen Art Katharina Thalbachs liegen. Zwar verschwimmen die anderen Figuren daneben, aber die Botschaft des Films wird dadurch umso klarer: Manchmal reicht ein einziger Mensch mit mutigem Herzen um große Prozesse einzuleiten.
Strajk - Die Heldin von Danzig
Regie: Volker Schlöndorff
Mit: Katharina Thalbach (Agnieszka), Andrzej Chyra (Lech, der Elektriker), Ewa Telega (Mirka), Dominique Horwitz (Kazimierz), Krzysztof Kiersznowski (Mateusz)
Kamera: Andreas Höfer
Musik: Jean Michel Jarre
90 min., FSK: ab 12 Jahren
Deutschland 2006, Provobis-Film Jürgen Haase
Start: 8.März
www.strajk-derfilm.de
Strajik-Die Heldin von Danzig
Das Buch zum Film
Herausgegeben von Professor Jürgen Haase
168 Seiten, Paperback
Parthas-Verlag Berlin, erschienen März 2007
ISBN: 3866013019
EAN: 9783866013018
19,80 Euro90008115&artiId=6366792"