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Beitrag vom 02.04.2007
Die Israelis
Katharina Höftmann
Israel steht im Fokus des weltpolitischen Interesses. Dass die meisten Menschen dennoch nicht viel über seine BewohnerInnen wissen, ist eine Angelegenheit, der sich Donna Rosenthal liebevoll annimmt
"Ein befreundeter CNN-Redakteur... sagte mir einmal: ´Unsere Zuschauer sind verwirrt. Wir haben Bilder von Juden, die wie Araber aussehen, von Arabern, die wie Juden aussehen. Wir haben dunkelhäutige Juden, bärtige Juden aus dem 16. Jahrhundert und attraktive Mädchen in engen Jeans. Wer sind diese Leute eigentlich´?"
Diese einleitenden Worte von Donna Rosenthal beschreiben eine Situation, die etwas absurd ist. Alle kennen Israel, aber keiner kennt die Israelis – von SoldatInnen einmal abgesehen. Wie schade das ist, wird jeder klar, die sich "Die Israelis" einmal zu Gemüte führt. Dank Donna Rosenthals gibt es nun eine wunderbar treffende, humorvolle und ehrliche Beschreibung des kleinen aber feinen Volkes.
In 15 Kapiteln geht sie auf viele Aspekte des israelischen Daseins ein, von der Armee bis zu PartnerInnensuche israelischer Art. Rosenthal beschreibt die unterschiedlichen Stämme, von den aschkenasischen bis zu den äthiopischen Juden, und ihre jeweiligen Eigenarten. Besonders die Beiträge über die russischen und äthiopischen Juden sprühen nur so vor Witz und komischen Anekdoten:
"In der Hotellobby kämpfte eine irritierte Äthiopierin mit einer Coladose, die sie zu öffnen versuchte; sie hatte sich ein weißes Tuch im Stil einer Toga um den Körper geschlungen, nicht wissend, dass man es ihr eigentlich als Betttuch gegeben hatte."
Bei allem Witz vergisst Donna Rosenthal aber nicht auch die alltäglichen Probleme der ZuwandererInnen zu beschreiben. Sowie auch diese Probleme, die Israel zu dem Krisenherd machen, für den er bekannt ist. Sie berichtet über Terroranschläge, Straßen in Jerusalem, die unter ständigen Beschuss der militanten Palästinenser stehen und über SiedlerInnen, die extreme Theorien vertreten. Auch den nicht-jüdischen BewohnerInnen sind einige Kapitel gewidmet. Jeweils eins berichtet über die Drusen, die Beduinen, die Christen und die Muslime.
In "Die Israelis" kommen die Menschen Israels selbst zu Wort, Rosenthal lässt Israelis völlig unterschiedlicher Prägung erzählen. Dabei bewertet und verurteilt sie nicht, sondern gibt den LeserInnen die Chance, selbst zu denken. Schade nur, dass sie im Epilog dann doch noch die moralische Keule schwingt und detailliert im friedlichen Zusammenleben von Palästinensern und Israelis schwelgt. Das verblasst aber im Angesicht der überaus interessanten, gut recherchierten Geschichten, die den Rest des Buches dominieren.
Donna Rosenthal hat ein wundervolles Portrait eines Volkes geschaffen, das zerrissener kaum sein könnte. Sie zeigt die Israelis so wie sie sind, manchmal furchtbar, meist furchtbar liebenswert. Um es mit den Worten des russischen Einwanderers Boris zu sagen:
"Ich sehe, wie Leute Streit mit Verkehrspolizisten anfangen. Im Bus streiten Kinder mit dem Fahrer. Eltern ermutigen ihre Kinder, sich nichts gefallen zu lassen. Eltern streiten sogar mit Lehrern. In der Knesset fluchen die Politiker und schreien einander an. Im Kreml tun sie das zwar auch, aber sie warten wenigstens, bis ihnen das Wort erteilt wird. Hier herrscht eine Kultur der Streitlust, aber ich habe gelernt, dass es zugleich auch eine Kultur der Solidarität ist. Ein Israeli fährt dich mit seinem Auto über den Haufen, aber dann schleppt er dich auf dem Rücken ins Krankenhaus."
Rosenthal nennt die Dinge beim Namen und zeichnet mit viel Gefühl die Leben der vielen unterschiedlichen Menschen, die im gelobten Land leben.
Hier schreibt eine Frau mit Liebe. Mit Liebe für Israelis, aber in erster Linie mit Liebe für die Menschen.
AVIVA-Tipp: Für alle, die einmal Israel kennen lernen wollen, wie es ist und dabei nicht nur Kriegsberichte oder Terrorattentate vorgesetzt bekommen möchten. "Die Israelis" ist ein Buch, das Lust auf Israel und seine BewohnerInnen macht – lassen auch Sie sich von dem spannenden Völkchen verzaubern und buchen Sie am besten schon mal das Flugticket!
Zur Autorin:
Donna Rosenthal hat für die New York Times, die Washington Post, die Los Angeles Times und Newsweek geschrieben. Sie war TV-Produzentin in Israel und Reporterin für das israelische Radio sowie die Jerusalem Post. Sie lehrte an der Hebrew University und erhielt den Lowell Thomas Award für die beste investigative Berichterstattung und Reiseberichte. Sie hat aus Iran, dem Libanon, Ägypten und Jordanien berichtet.
Weitere Informationen über Donna Rosenthal und das Buch finden Sie auf:
www.donnarosenthal.com
Donna Rosenthal: Die Israelis
Leben in einem außergewöhnlichen Land
Originaltitel: The Israelis. Ordinary People in an Extraordinary Land
Ãœbersetzt von Karl-Heinz Siber
Beck C. H. Verlag, erschienen Februar 2007
Gebunden, 409 Seiten
ISBN: 3406555012
24,90 Euro