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Beitrag vom 02.10.2006
Der Traum vom Sprechen
Barbara Lanz
Gail Jones neuer Roman ist voll von Geschichten über das, was FreundInnen, Familien und Stadtmenschen einander sagen und was sie einander nicht sagen können. Sehr ehrlich und schön geschrieben.
Für Alice Black ist es ein großartiges Gefühl: "Der gewölbte, endlose schwarze Himmel und weit unten ein Teppich unregelmäßiger Lichter, dicht und wunderschön. Leuchtende Formen schlossen sich zusammen und rutschten unter ihnen weg. Muster aus grellem, glühendem Leuchten" - so empfindet die junge Australierin den Landeanflug auf Frankfurt. Schon als kleines Mädchen war sie von Maschinen und Technik fasziniert. Jetzt schreibt sie in Paris über die Erfinder jener Gegenstände, die uns täglich umgeben: Zellophan, Neonreklamen, Kopiergeräte und dergleichen.
Alice Black, aufgewachsen im ländlichen Australien mit Kohlengruben und Kängurus in einer "recht netten Familie", galt schon als Kind als "die Schlaue". Als sie Mr. Sakamoto, der als Kind den Atombombenabwurf in Nagasaki überlebt hat, bei einem Studienaufenthalt in Paris kennen lernt, entwickelt sich zwischen beiden eine inspirierende Freundschaft.
Sie teilen die Begeisterung für technische Erfindungen und tauschen sich über ihre ungewöhnlichen Familien und Beziehungen aus.
Gail Jones schildert zugleich meisterhaft das enge Verhältnis von Alice und ihrer Schwester Norah. Während Norah ein allseits beliebtes, unbeschwertes Mädchen ist, das Kunst studieren und Mutter zweier Kinder werden wird, kann Alice ihren stolzen Berufswunsch, Astronautin und Windsurferin, nur bedingt verwirklichen. Aus ihr wird eine starke und eigenwillige Frau, die die Welt mit aufmerksamen Blicken betrachtet, sei es in Paris, in Nagasaki oder in ihrer australischen Heimat.
Die außergewöhnlichen Lebenswege und Freundschaften erzählen respektvoll von der Vielschichtigkeit menschlicher Beziehungen.
In eindringlichen Bildern entfaltet Gail Jones die Familien- und Lebensgeschichten zweier ganz unterschiedlicher Menschen und erzählt zugleich von Glück und Verheißung, von Schreck und Gewalt der Moderne. Wie sich dabei Mitgefühl und distanzierte Betrachtung beständig abwechseln und durchdringen, ist ebenso beeindruckend wie die eigenwillige Sprache, die die Leserin in ihren Bann zieht.
Gail Jones’ Bücher gewannen bereits zahlreiche Preise, dieser Roman ist für den Orange Prize 2006 nominiert. Eine starke literarische Stimme, die es in Deutschland zu entdecken gilt!
Zur Autorin: Gail Jones, geboren in Westaustralien, unterrichtet Englisch, Kommunikation und Kulturwissenschaft an der University of Western Australia. Ihr erster Roman, Black Mirror, wurde mit dem Nita B. Kibble Award ausgezeichnet. Er war in der engeren Auswahl für den IMPAC Award 2004 und nominiert für den Age Book of the Year Award und den Brisbane Courier Mail Book of the Year Award. Ihr zweiter Roman Sixty Lights erschien 2004 und war für den Booker Prize nominiert.
AVIVA-Tipp: Es ist eine wahre Freude, Gail Jones aufrichtigen und schlichten Roman zu lesen. Sie erzählt mit einer unglaublichen Ehrlichkeit die Beziehungen zwischen ihrer Hauptfigur und deren Familie, Beziehungen und Freundschaften., ihren inneren Ängsten, Schwierigkeiten, Konflikten und Bedürfnissen. Man entdeckt in diesem wunderbaren Buch viele tiefe Wahrheiten, die man schon so oft gedacht, doch noch nie die richtigen Worte dafür gefunden hat.
Gail Jones
Der Traum vom Sprechen
Originaltitel: Dreams of Speaking
Originalverlag: Random House, London
Deutsche Erstausgabe. Aus dem Englischen Übersetzt von Conny Lösch
Edition Nautilus, erschienen August 2006
ISBN: 3894014911
EAN: 9783894014919
Gebunden mit Schutzumschlag, 224 Seiten
Preis 22,00 Euro/ sFr 38,6090008115&artiId=5476979"