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Beitrag vom 14.08.2006
Véronique Ovaldé - Alles glitzert
Jana Muschick
Ein Roman mit zarten Worten und großem Raum für das, was zwischen den Zeilen steht. Eine Geschichte aus dem ewigen Eis in der die alltäglichen Problemen einer besonderen Frau skizziert werden.
Nikko ist die Protagonistin des Buches und erzählt aus der Ich-Perspektive.
Sie wurde in einer eisigen Mondnacht auf Koukdjuak geboren und behauptet von sich, vertauscht worden zu sein. Etwas stimmt mit ihr nicht - sie ist nicht so wie die Kinder, mit denen wir als EuropäerInnen groß geworden sind. Tatsächlich hat sie ein bedeutendes Problem: mit vielen anderen Kindern kam sie auf einer Insel zur Welt, auf der es nur eine Fabrik gab - eine Müllfabrik. Dass auf der Müllhalde mehr abgeladen wurde, als Fischreste und unverrottbare Joghurtbecher, stellen die BewohnerInnen erst fest, als viele missgebildete Kinder zur Welt kommen.
Doch Nikko macht das Defizit ihres Körpers zu ihrem persönlichen Vorteil.
Viele der Kinder, die zur selben Zeit wie das kleine Inuit-Mädchen geboren worden sind, starben schon früh. Nikko aber hält durch. Ihr brutaler alkoholsüchtiger Vater wagt nicht, sie zu berühren. Statt dessen verprügelt er Nikkos Mutter und Schwester. Wie eine Krankheit lebt das Mädchen im Haus ihrer Eltern und wird oft ignoriert. Das Verhalten der Mutter gegenüber der Tochter scheint der Versuch zu sein, etwas nicht zu sehr zu lieben, um nicht traurig zu sein, wenn es wieder geht. Der Tod lauert hinter jedem Schneeberg - Nikko ist krank - verstrahlt, mit geschädigten Organen. Dafür sind ihre Sinne um so klarer - sie sieht Geister und hört Stimmen. In der Einsamkeit hat sie nur sich selbst, lebt mit sich und atmet ihre Existenz in vollen Zügen ein - sei weiß, dass sie nicht lange leben wird - doch wie viel Zeit ihr bleibt, ahnt niemand.
"Alles Glitzert" ist ein Roman voller Klarheit und Kälte. Die kleine Nikko ist ein Sonderfall - leider der einzige, der von all den verseuchten Babys übrig geblieben ist.
Auch dieses Buch ist eine Ausnahme, denn selten wurde mit so wundervollen wenigen Worten so vieles gesagt.
Véronique Ovaldé schafft mit einem Wortschatz aus Eis und Schnee eine Welt voller Einsamkeit aber auch voller innerer Erfahrungen.
Nikko entwickelt sich anders als erwartet - trotzt ihrer Krankheit, trotzt ihrem Vater und gibt sich ihrer Sexualität hin. Sie erwacht in einem Strudel der Begierde. Doch als sie ihr Glück gefunden zu haben meint, zerspringt es wie eine gläserne Kostbarkeit.
Zur Autorin: Die erfolgreiche französische Autorin Véronique Ovaldé, 30, lebt mit ihren zwei Kindern in Le Pré- St. Gervais und arbeitet in einem Pariser Verlag. "Alles glitzert" ist ihr vierter Roman.
AVIVA-Tipp: Ein starker Roman voller Subtilität. Wer sich von der Macht der Worte verführen lassen will und ein kleines Mädchen auf ihrem inneren Weg in ein Leben aus Selbstbestimmtheit und Erwachen begleiten will, sollte sich Véronique Ovaldés "Alles glitzert" sofort hingeben.
Véronique Ovaldé
Alles Glitzert
Kunstmann Verlag, erschienen August 2006
ISBN: 3-88897-445-3
EAN: 9783888974458
Libri: 3394158
16,90 Euro
Hardcover
195 Seiten90008115&artiId=5478147"