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Beitrag vom 22.02.2006
Ein Mann eine Frau
Daniela Krebs
Vèronique Olmi’s fünfter Roman erzählt von einer Verabredung zum Sex. Doch das als belanglos geplante Lustspiel entwickelt sich zu einer intensiven körperlichen und geistigen Begegnung.
Sie hat sich mit ihm verabredet, weil sie sich schon lange nicht mehr selbst fühlen kann. Sie erhofft sich durch den Unbekannten die vermisste Geborgenheit und Zuneigung zu spüren.
Er trifft sich mit ihr, weil er sie schon früher begehrt hat und sie nicht vergessen konnte, obwohl schon viel Zeit seit der letzten Begegnung vergangen war.
Die verabredete Begegnung findet in einem Cafè statt. Draußen regnet es.
Er bemerkt ihre Blässe, ihre Magerkeit, fragt aber nicht nach. Genau das ist es, was sie will: die letzten Monate beiseite schieben und nicht mehr über die Grauen dieser Zeit nachdenken. Erst langsam erhält die Leserin einen Überblick über die näheren Umstände des Treffens.
Ohne viele Worte gehen sie in ein nahes Hotel. Sie und er: beide nicht mehr jung, nicht perfekt, ein wenig misstrauisch. Beide wissen nicht, wie weit sie gehen wollen, warten ab.
Erst unsicher, dann immer begieriger, immer überraschter loten sie ihre Grenzen aus. Und fast ungewollt entsteht, nur für diesen Moment, eine Intimität, eine Unmittelbarkeit und Nähe, die Begehren und Begehrtwerden in eine neue Lebendigkeit verwandelt.
Unbeabsichtigt gibt die Frau dabei mehr von ihrer selbst und ihrem zerbrechlichem Zustand preis, als sie das eigentlich wollte. Sie wollte stark sein gegenüber dem Fremden, keine Schwäche zeigen. Und doch spürt er ihre Zerbrechlichkeit und geht behutsam mit ihr um, ohne sie zu drängen.
Der als belanglos geplante Sex, der sie von ihren Problemen ablenken sollte, führt sie tiefer hinein in den Abgrund ihrer Seele. Sie wird überwältigt von der ganzen Situation und muss sich der Aufgabe stellen, eine Lösung zu finden, die nicht oberflächlich ist, sondern eine endgültige Antwort darstellt.
AVIVA-Tipp: Vèronique Olmi’s erotischer Roman erzählt tiefgreifend von der Begegnung zwischen Unbekannten. Für die Leserin bleiben sie das auch: Unbekannte. Weder durch Namen, noch durch eine festgelegte Vergangenheit erhalten sie klare Gesichtszüge. Die Beiden wirken dennoch vertraut, durch ihre Gefühle und Erlebnisse an diesem einen Nachmittag. Vèronique Olmi vermittelt der Leserin durch ihre spannende und eindrucksvolle Erzählweise das Gefühl der unmittelbaren Teilnahme, durch Härte und Sensibilität lotet sie selbst ihr literarisches Vorgehen aus. Eindrucksvoll und alles andere als eine plumpe Liebes- oder Sex-Geschichte.
Ãœber die Autorin:
Vèronique Olmi wurde 1962 in Nizza geboren. Sie zählt zu den bekanntesten französischen Theaterautorinnen. Mit ihren Romanen "Meeresrand" (2002) und "Nummer sechs" (2003) hat Vèronique Olmi auch in Deutschland Kritik und Publikum erobert. "Ein Mann eine Frau" ist ihr fünfter Roman.
Ein Mann eine Frau
Vèronique Olmi
Originaltitel: La pluie ne change rien au désir.
Ãœbersetzt von Claudia Steinitz
Kunstmann Antje Verlag, VÖ: 3.März 2006
ISBN: 3-8889-7426-7
14,90 Euro90008115&artiId=5203781"