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Beitrag vom 19.03.2003
Jiddisch. Eine kleine Enzyklopädie von Leo Rosten
Jessica Cohen
Was chuzpe und koscher heißt, wissen Sie sicher. Einen bagel oder gefilte fisch haben Sie vielleicht auch schon gegessen. Aber wissen Sie, was das mit der Tora und dem jüdischen Glauben zu tun hat?
Ende der sechziger Jahre verfasste Leo Rosten eine kleine Enzyklopädie zu jiddischen Einflüssen auf die amerikanische Sprache. Jiddische Wörter, die sich in die amerikanische Umgangssprache eingeschlichen haben, sind wie in einem Wörterbuch in alphabetische Reihenfolge gebracht, sodass sie sich leicht nachschlagen lassen. Das Buch "illustriert, wie Sprache die Vielfalt des Lebens erfasst, wie die Kultur der Juden, ihr Denken und ihre Gefühle, sich im Jiddischen spiegeln, und wie das wiederum die Sprache bereichert hat, die wir heute benutzen.", so der Autor in seinem Vorwort.
Nachdem es in Amerika von Lawrence Bush aktualisiert wurde, liegt dieses originelle Wörterbuch nun in seiner deutschen Erstausgabe vor.
Es wurde von Lutz-W. Wolff übersetzt und durch viele Stichwörter angereichert, die uns aus der deutschen Alltagssprache vertraut sind. Ebenso wurden einige Hinweise auf jüdisches Leben in Deutschland und andere Einzelheiten ergänzt.
Jiddisch ist die europäische Sprache, die der deutschen am nächsten steht.
Etwa im zehnten Jahrhundert wanderte eine größere Gruppe von Juden aus dem heutigen Nordfrankreich in die Städte des Rheinlands. Sie sprachen Altfranzösich und Hebräisch, nahmen aber bald das örtliche Deutsch an. Sie erfassten die mittelhochdeutsche Sprache schriftlich - allerdings nicht in lateinischen, sondern in hebräischen Buchstaben.
Heute gibt es im amerikanischen Slang hunderte von deutsch-jiddischen Lehnwörtern. Das liegt nicht zuletzt daran, dass jüdische Auswanderer ihre Sprache nach Amerika importiert haben. Heutzutage sind jiddische Wörter und Redensarten in der amerikanischen Sprache gang und gebe.
Oder wie soll man es sonst nennen, wenn ein Offizier des Pentagon von einer "Bagel-Strategie" spricht (Newsweek, 25. Sept. 1967)? Ähnlich bezeichnend war es, als Jimmy Carter 1980 nach der verlorenen Wahl "ein altes jiddisches Sprichwort" zitierte: "Gott gibt uns Lasten, aber auch Schultern, um sie zu tragen."
Auf liebenswürdige Weise macht uns Leo Rosten mit einer Welt vertraut, die uns fast verloren gegangen wäre. Vergnüglich verbindet er jiddische Wörter, jüdische Geschichte, Folklore und Witze mit einer zwanglosen Einführung in die Grundelemente des Judaismus. Und drückt seinen Leserinnen und Lesern den Schlüssel für eine Schatzkammer lebendiger jüdischer Kultur, Religion und Geschichte in die Hand.
Isaac Bashevis Singer hat darauf hingewiesen, dass Jiddisch möglicherweise die einzige Sprache der Welt ist, die nie von den Mächtigen dieser Erde benutzt worden ist. Bei der Verleihung des Nobelpreises im Jahre 1978 sagte er:
"Jiddisch ist eine Sprache des Exils, ohne Land, ohne Grenzen, ohne Unterstützung irgendeiner Regierung, eine Sprache, die keine Wörter für Waffen, Munition, Manöver oder militärische Taktik besitzt. (...) Das Jiddische ist geprägt von einem stillen Humor und einer Dankbarkeit für jeden Tag des Lebens, jedes Stückchen Erfolg, jede Liebesbegegnung."
Leo Rosten bezeichnet das Jiddische, seine Geschichte, seine Eigenart und Atmosphäre als ununterdrückbar. Es ist äußerst anpassungsfähig und schnell da, wenn etwas Neues gebraucht wird, wie er an dem Wort
phudnik veranschaulicht: Das ist ein
nudnik, ein
Langweiler mit einem Doktorgrad der philosophischen Fakultät!
Leo Rosten
Jiddisch. Eine kleine Enzyklopädie
Aktualisiert und kommentiert von Lawrence Bush
Illustrationen von R.O. Blechmann
Ãœbersetzung aus dem amerikanischen Englisch
und deutsche Bearbeitung von Lutz-W: Wolff
dtv premium 24327, erschienen
November 2002
ISBN 3-423-24327-9
25 €
Klappenbroschur, 540 Seiten
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