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Beitrag vom 01.12.2005
Leben nach den Nazis
Sarah Ross
Brigitte Jäger berichtet über Entschädigungsfälle im Nachkriegsdeutschland. Die berührenden Schicksale der NS-Verfolgten ergänzt sie durch Zitate aus den Originalakten.
Mit ihrem Buch "Leben nach den Nazis. Entschädigungsfälle im Nachkriegsdeutschland" zeichnet die Autorin Brigitte Jäger ein bisher weitgehend unbekanntes Bild deutscher Zeitgeschichte. Sie erzählt die wahren Lebensgeschichten von achtzehn NS-Verfolgten, die zwischen den 1950er und 1960er Jahren von der Bundesrepublik Deutschland Entschädigung forderten.
Vor Ausbruch des Krieges geflohene Juden und politische Verfolgte, WiderstandskämpferInnen, ZwangsarbeiterInnen, in Lagern Inhaftierte – ihr aller Leben wurde durch den Nationalsozialismus und dessen Folgen für immer zerstört. Doch während sich Erzählungen und Diskussionen rund um das Thema Holocaust drehen, macht die Autorin an einzelnen Personen und deren subjektivem Erlebten deutlich, dass die Opfer nicht nur mit psychischen und physischen Störungen zu kämpfen hatten, sondern auch mit großer wirtschaftlicher Not. Die meisten von ihnen konnten den Lebens- und Arbeitsstandard der Zeit vor dem NS-Regime nicht einmal annähernd wieder erreichen.
Obwohl das Bundesentschädigungsgesetz (BEG) Wiedergutmachungsleistungen in verschiedenen Schadensbereichen vorsieht, wie Schaden an Leben, Gesundheit, Freiheit oder beruflichem Fortkommen, mussten viele der Betroffene nach all dem Erlebten auch noch die bittere Erfahrung machen, dass nicht alle Anträge gewährt wurden. "In vielen Fällen vergingen Jahre und Jahrzehnte, bis tatsächlich Zahlungen erfolgten. Ihnen voran ging oft der Kampf mit der weit verzweigten Bürokratie und zeitraubenden Gutachten". So kam es nicht selten vor, dass viele der AntragstellerInnen starben, ohne jemals eine Entschädigung für das Erlittene bekommen zu haben. Entweder starben die betroffenen Personen während des laufenden Prozesses, oder sie schreckten davor zurück, das Erlebte in der Aufarbeitung der Anträge noch einmal erleben zu müssen.
Brigitte Jägers Buch und die darin beschriebenen Einzelschicksale basieren auf Akten aus dem Archiv eines deutschen Rechtsanwalts, der sich fast vier Jahrzehnte lang mit Entschädigungsfällen beschäftigt hat. So war es der Autorin möglich, von den realen Lebensumständen, den verschiedensten familiären und wirtschaftlichen Verhältnissen der Opfer, sowie von den unterschiedlichsten Gründen zu berichten, aus denen Menschen vom Terror des NS-Regimes verfolgt wurden. Gleichzeitig ergänzen Zitate aus diesen Originalakten die literarische Aufarbeitung der Erlebnisse der Opfer.
AVIVA-Tipp:
Die Autorin Brigitte Jäger geht in ihrem Buch "Leben nach den Nazis" mit achtzehn NS-Verfolgten noch einmal den langen Weg bis zur Entschädigung. Es entstanden authentische und zugleich rührende Lebensgeschichten von Verfolgten des NS-Regimes, die in den 1950er und 1960er Jahren in der Bundesrepublik Entschädigungszahlungen beantragten. Dabei berichtet die Autorin nicht nur über deren Leben vor, während und besonders nach dem Zweiten Weltkrieg, sondern auch darüber, wie diese Opfer neben dem kaum nachvollziehbaren psychischen und physischen Leid, oft auch wegen eingeschränkter Erwerbsfähigkeit schwere wirtschaftliche Not erlitten.
Zur Autorin:
Brigitte Jäger wurde in der Nähe von Wien geboren. Sie war über mehrere Jahre in einem internationalen Konzern im Management tätig und lebt mittlerweile als Autorin und Verlegerin in Berlin.
Brigitte Jäger
Leben nach den Nazis
Entschädigungsfälle im Nachkriegsdeutschland
Edition Grüntal, 2005
ISBN 3-938491-04-3
304 Seiten, gebundene Ausgabe
18,90 Euro
www.editiongruental.com