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Beitrag vom 08.03.2005
Jüdische Zwangsarbeiter bei Ehrich & Graetz
Sarah Ross
Aubrey Pomerance erinnert in seinem Buch an die Berliner Juden und Jüdinnen, die am 27. Februar 1943 bei der sogenannten "Fabrikation" in Berlin verhaftet und in Sammellagern interniert wurden.
Im Werk der Metall- und Elektrofirma Ehrich & Graetz im Berliner Bezirk Treptow waren zwischen Herbst 1940 und Februar 1943 mehr als 500 Berliner Jüdinnen und Juden zur Zwangsarbeit verpflichtet. Die letzten verbleibenden jüdischen ZwangsarbeiterInnen wurden bei der sogenannten "Fabrik-Aktion" am 27. Februar 1943 festgenommen, interniert und größtenteils deportiert. Der Herausgeber Aubrey Pomerance legt in seinem Band die Entstehung und Bedingungen der Zwangsarbeit sowie den Alltag der ZwangsarbeiterInnen dar, und beschreibt die Geschichte der Firma in der Zeit des Nationalsozialismus. Im Mittelpunkt des Buches stehen allerdings die Biographien der Menschen selbst, die Zwangsarbeit bei Ehrich & Graetz leisten mußten.
Das Buch basiert auf der Darstellung und Auswertung eines einzigartigen Fundes: Marta Wartmann, ehemalige Mitarbeiterin bei Ehrich & Graetz, kehrte kurz vor Ende des Krieges, als die Produktion in der Firma bereits eingestellt war, ins Werk zurück. Dort traf sie eine Kollegin an, die mehr als 500 Passbilder der ehemaligen jüdischen ZwangsarbeiterInnen gefunden hatte - sorgsam abgetrennt von den Werksausweisen.
Die beiden Kolleginnen teilten den Fund auf und retteten ihn über die Kriegsjahre hinweg. Erst in den 1960er Jahren erhielt Marta Wartmann den zweiten Teil der Fotografien von ihrer Kollegin zurück - aufbewahrt in vergilbten Lohntüten aus Pergamentpapier in einer "Chocolate Peanut Chews"-Schachtel. Der gesamte Fund wurde an die Familie Herz übergeben, in deren Besitz er bis zur Übergabe an die Jüdische Abteilung des Berlin Museums blieb. Heute sind die Bilder in der Dauerausstellung des Jüdischen Museums Berlin zu sehen.
Auf der Rückseite der Fotos wurden die Namen der ZwangsarbeiterInnen, und oft auch die Personalnummer, handschriftlich vermerkt. Der Fund stellt einen seltenen Beleg für die Existenz von Werksausweisen jüdischer ZwangsarbeiterInnen dar, die kaum aktenkundig sind. In den meisten Fällen wurden die Ausweise nach der Beschäftigung, bzw. vor der Deportation, vernichtet. Die Quelle und der Nutzen der Fotos, Tüten und Werksausweise können klar zugeordnet werden, jedoch sind die Umstände ihrer Entdeckung und Aufbewahrung nur lückenhaft zu rekonstruieren.
Von den 537 namentlich bekannte ZwangsarbeiterInnen ließ sich von 434 Personen etwas über ihr Schicksal in Erfahrung bringen. Nur 65 von ihnen haben den Zweiten Weltkrieg überlebt, wovon 39 zunächst in Berlin wohnen blieben.
23 der jüdischen ArbeiterInnen wanderten aus. Bei der Veröffentlichung des Bandes 2003 waren nur noch 5 Menschen am Leben.
Für sein Buch hatte Aubrey Pomerance 10 Biographien von Opfern ausgewählt, bei denen es möglich war, Leben und Schicksal ausführlicher zu schildern. Fünfzehn Jahre nach der Übergabe des Materials ist es ihm gelungen, den Bestand umfassend zu dokumentieren und als Buch vorzulegen. Mit seiner Arbeit leistet der Herausgeber nicht nur einen Beitrag zur Zwangsarbeiterforschung, sondern er verfaßte gleichzeitig auch ein Gedenkbuch, in dem die Namen und Bilder der Opfer veröffentlicht wurden.
AVIVA-Tipp: Zum 60. Jahrestag der "Fabrikaktion" erschien 2003 Aubrey Pomerance Buch "Jüdische Zwangsarbeiter bei Ehrich & Graetz, Berlin Treptow". Es beschreibt die Arbeits- und Alltagsbedingungen der jüdischen ZwangsarbeiterInnen und dokumentiert die Politik des Einsatzes von Zwangsarbeit im Nationalsozialismus. Neben einer vollständigen Dokumentation der gesammelten Fotografien und Namen, erzählt es das Leben und Schicksal von zehn Frauen und Männern.
Zum Herausgeber: Aubrey Pomerance ist Judaist und Archivleiter des Jüdischen Museum Berlin und der dortigen Dependance des Archivs des Leo Baeck Instituts New York.
Aubrey Pomerance (Hrsg.):
Jüdische Zwangsarbeiter bei Ehrich & Graetz, Berlin Treptow
Zeugnisse aus dem Jüdischen Museum Berlin
Dumont Literatur u. Kunst, September 2003
ISBN 3-8321-7839-2
16,90 Euro
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