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Beitrag vom 26.02.2005
Arnon Grünberg. Der Vogel ist krank
Silke Buttgereit
Nach "Phantomschmerz" und "Blauer Montag" wurde der 1971 geborene Autor Arnon Grünberg als der Shooting-Star der niederländischen Literatur gefeiert. Jetzt ist sein neuer Roman erschienen
Von Nihilismus, Nabelschau und Nachthemden
Ein Schriftsteller findet desillusionierte Erfüllung in der Übersetzung von Gebrauchsanweisungen - die Hauptfigur in Grünbergs neuem Roman "Der Vogel ist krank" pflegt einen eigenwilligen Nihilismus, unauffällig, unter allen Umständen freundlich und in jedem Fall fern aller intensiven Gefühlregungen.
Nur unter diesen Voraussetzungen lässt es sich wohl ertragen, wenn die langjährige Lebensgefährtin an einer tödlichen Krankheit leidet und auf halbem Wege ihres langsamen Sterbens einen Algerier heiratet, die drei fortan eine WG bilden und eine letzte Reise nach Frankreich unternehmen, um in die Kunst des Herstellens von Ziegenkäse eingeweiht zu werden.
Arnon Grünberg hat einen hervorragenden, unerträglichen Roman geschrieben, voller Weisheiten über das Leben und das Glück und durchwirkt von dem pomadigen Nihilismus der Hauptfigur Christian Beck. Aus der Perspektive des Schriftstellers a.D., inzwischen Teilzeit-Jobber als Übersetzer von Gebrauchsanweisungen, werden die letzten Wochen im Leben der Lebensgefährtin Becks, die keinen Namen hat, sondern nur "Vogel" heißt, erzählt. Beck könnte ohne weiteres Platz Eins auf der Liste der charakterlosesten Romanfiguren des Jahres belegen, Beck ist unauffällig, zuvorkommend, freundlich, bei Bedarf unterhaltsam, Beck ist leidenschaftslos und daher mit allen Menschen und der Welt kompatibel.
Was nach außen aussieht wie ein biederer Zeitgenosse, dem an wenig jenseits der eigenen Behaglichkeit gelegen ist, ist in seinem Inneren ununterbrochen mit sich selbst, seiner kruden Philosophie der Illusionslosigkeit und dem Versuch, das Glück zu verweigern, um es am Ende nicht zu verlieren, beschäftigt. Glücksverweigerung ist für LeserInnen nicht unanstrengend. Tatsächlich hat der Roman wahnsinnig witzige Passagen und absurd komische Situationen, aber der nivellierende Emotionsverweigerungs-Nihilismus Becks springt wohl über - frei heraus lachen lässt sich darüber nicht, genau so wenig, wie sich über den Tod der Lebensgefährtin weinen lässt. Beck zieht unerbittlich in seinen Bann und Grünberg ist erzählerisch und sprachlich meisterhaft konsequent.
Kann Nihilismus scheitern? Oder besser - ist ein Nihilist gescheitert, wenn er in Nachthemd und Hauspantoffeln seiner verstorbenen Lebensgefährtin im Göttinger Nieselregen von der Ambulanz aufgelesen wird? Oder hat einer, der nichts zu verlieren haben wollte und schließlich merkt, wie viel er verloren hat, am Ende gewonnen?
Wie auch immer, müsste man nach einem gelungenen Psychogramm dessen suchen, was als Generation Golf zum Schlagwort wurde - Grünberg hat es mit "Der Vogel ist krank" geschrieben.
Arnon Grünberg
Der Vogel ist krank
Roman
Aus dem Niederländischen von Rainer Kersten
Originaltitel: De Asielzoeker
Leinen, 496 S.
ISBN 3-257-06470-5
Euro 22.90 / sFr 39.90
Diogenes Verlag, erschienen am 22. Februar 2005
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