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Beitrag vom 08.02.2005
Libuna. A Gypsy´s Life in Prague
Danielle Daum
Iren Stehli dokumentiert in unbeschreiblich schönen Schwarz-Weiß Fotos über 27 Jahre lang das Leben einer Zigeunerin in Prag. Ein Bildband über Liebe, Zärtlichkeit, Schmerz und unbeugsame Stärke.
Dieses Buch ist eine bewegende Langzeitstudie, ein Roman in Bildern, über ein Frau, die niemals aufgibt. Die Schweizer Fotografin Iren Stehli hat das Leben der in Prag lebenden Zigeunerin Libuna und ihrer Großfamilie mit ihrer Kleinbildkamera begleitet. Man erlebt, wie Libuna mit der Frage des materiellen Überlebens, der Familienplanung, Wohnungsnot und Arbeitslosigkeit konfrontiert wird und ist beeindruckt von ihrer unglaublichen Kraft, die Familie allen Widerständen zum Trotz zusammen zu halten. Darüber hinaus geben die detailreichen Bilder Einblick in die politische Geschichte des Landes, den Alltag und die Populärkultur im ehemaligen Ostblock.
"Ich begegnete Libuna Siváková 1975 erstmals im Studentenwohnheim in Prag, wo ich zu dieser Zeit wohnte. Sie und ihre Mutter arbeiteten dort als Putzfrauen. Gelegentlich unterhielt ich mich mit ihnen, bis mich die Mutter eines Tages zu sich nach Hause einlud. Ich gelangte durch einen Hof in ihre Wohnung und befand mich in einer gänzlich unerwarteten Welt."
Der Fotobildband "Libuna" ist ein Beweis dafür, dass das Geheimnis der Fotografie mitunter auch in der geduldigen und bescheidenen Suche nach Bildern liegen kann, die nicht inszeniert sind, sondern eher zufällig, wie nebenbei entstehen. Und dabei überraschen und berühren.
Das wirklich interessante an diesem Fotoband ist nicht so sehr die Lebensgeschichte von Libuna oder der wechselvolle Alltag ihrer Familie. Auch ist es nicht die Situation der Roma im sozialistischen Zwangsstaat oder dessen absehbarer Zerfall. In erster Linie beschäftigt die Frage, was die Fotografin zu ihrer hartnäckigen Arbeit antrieb, wie sie sich bewegte, Intimität und Distanz miteinander verband.
Es ist vielmehr Iren Stehlis Geschick der teilnehmenden Beobachtung, welches dieses Foto-Projekt so außerordentlich spannend macht. Denn auch die Beobachterin wird ständig beobachtet, sie ist Teil der Welt, die sie dokumentiert.
Äußerlich hat sich über die Jahre nur wenig verändert, Stehlis Blick und Stil sind weitgehend gleichgeblieben. Vor den Bildern vergisst man fast all die Zeit, die das Leben von Libuna in Wirklichkeit unerbittlich vorangetrieben hat. Beinahe hat man den Eindruck als seien die Fotos Standbilder eines lebensnahen, über wenige Wochen hinweg gedrehten Films. Dennoch ist man keinen Moment im Zweifel, man weiß, das hier Leben spielt und man spürt auch, wie mühsam und unberechenbar dieses Leben ist. In den Menschen vergeht die Zeit, Namen verlieren ihre Bedeutung, Gesichter werden austauschbar. Aus der Geschichte Libunas wird eine Geschichte über das Leben selbst.
AVIVA-Tipp:
Auf ungewohnte, sensible Art und Weise hält Iren Stehli die Hochs und Tiefs eines Frauenlebens fest. Eine spannende Reise in Bildern, begleitet von der ansteckenden Lebenslust, Sinnlichkeit und Beständigkeit Libunas. Eine Dokumentation über Liebe, Zärtlichkeit, Schmerz und unbeugsame Stärke.
Libuna - A Gypsy´s Life in Prague
Buchkonzept von Iren Stehli und Franca Comalini
Texte von Anna Fárová, Milena Hübschmanová, Martin Heller
Einführung und Interview von Franca Comalini
Scalo Verlag AG, Zürich
Gebunden, 252 Seiten, engl./dt., 167 Duoton-Abbildungen. 30 x 28,5 cm
ISBN 3-908247-63-2