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Beitrag vom 13.07.2004
George Sand feierte am 1. Juli 2004 ihren 200. Geburtstag
Sabine Grunwald
Die frühe Ikone der Emanzipation der Frau schrieb ihren letzten Roman über das Schicksal eines Bauernmädchens in den Zeiten der Französischen Revolution
Heldin dieses historischen Romans, der in den Wirren der Französischen Revolution spielt, ist Nanon. Als einfaches Bauernmädchen lebt sie in Valcreux, einem einsamen Flecken in jenem engen Tal, das von Mönchen regiert wird. Unwissend, aber von klein an wissbegierig, weiß sie nichts von der Welt. Bis eines Tages Emilien de Franqueville in das Kloster eintritt. Die beiden jungen Menschen sehen sich und haben sich gefunden.
Emilien lehrt Nanon das Lesen und Nanon bringt ihren Freund durch ihre klare, zielgerichtete Natur dazu, sich ernsthaft mit seinem Leben und Zielen zu beschäftigen.
Als Emilien aufgrund seiner adligen Herkunft eingekerkert wird, befreit ihn die mutige Nanon und rettet ihn vor der Guillotine. Die beiden Liebenden können flüchten und leben eine Zeitlang versteckt in einem abseits gelegenen Weiler in paradiesischer Einfachheit. Crevant, die Insel der Freiheit, steht außerhalb von gesetzlicher Ordnung und Rechtsprechung. Im Einklang mit der Natur können sich die Liebenden bewähren, hier finden die Schutzsuchenden alles, was sie zum Leben benötigen.
Am Ende überwindet die Liebe alle sozialen Schranken. Das Bauernmädchen Nanon und der adlige Émilien werden ein Paar. Die große, sich selbst erschaffende Frauengestalt darf ihre Freundschaftsliebe in der Ehe leben. Nanon ist eine erfolgreiche Heldin, sowohl in der Liebe als auch im Geschäftsleben. Schön, tugendhaft, bereit zu dienen, eine ausgezeichnete Hausfrau, mutig und arbeitsam verbindet sie die besten Eigenschaften beider Geschlechter.
Die bewahrende und erneuernde Kraft des bäuerlichen Standes wird im Roman ebenso beschrieben wie die Natur als lebensspendende und erotische Urmutter. Wie auch in anderen Werken George Sand´s tauchen auch hier zahlreiche Elemente der eigenen Biographie auf.
Nanon gehört neben Balzacs Die Chouans und Victor Hugos 1793 zu den drei großen Romanen über die Revolution, die das 19. Jahrhundert hervorgebracht hat. Doch ist hier die Hauptfigur eine Frau, eine kleine Bäuerin. Die glorreiche Revolution war im Bewusstsein des 19. Jahrhunderts eine männliche. Daneben fungierte meist die Stadt, als Schauplatz der Ereignisse, von Balzacs berühmten Aufstand in der Vendée einmal abgesehen. Die Autorin engagierte sich für die Bevölkerung auf dem Land, kritisierte das System des Terrors und plädierte für das legitime Eigentum. Sie misstraute nicht nur den städtischen Massen, sondern warf auch der Bourgeoisie willkürliche Bereicherung, Ausbeutung und Spekulation vor.
Mit ihrem Werk setzte sich George Sand, eine überzeugte pazifistische Revolutionärin, für die Überwindung sozialer Gegensätze und die Gleichberechtigung der Geschlechter ein. Ihre Theorie, mörderische Konzepte der Gewalt erzeugten wieder Gewalt, und das zerstörerische Prinzip des Zweckes, der alle Mittel heilige, wird eindrucksvoll von ihren ProtagonistInnen Nanon, Èmilien und dem Prior des Klosters vertreten.
George Sand, eigentlich Amantine-Aurore-Lucile Dupin, 1804 in Paris geboren starb 1876 auf Schloss Nohant im Berry. Sie war die Tochter von Maurice Dupin, einem kaiserlichen Offizier und dessen Frau Sophie-Victoire Delaborde, einer Pariser Vogelhändlerstochter und Modistin. Urenkelin von Moritz von Sachsen, verheiratete Baronin Dudevant und Mutter zweier Kinder. Als Geliebte von Alfred de Musset und Frédéric Chopin sowie Freundin und Ratgeberin fast aller bedeutenden ZeitgenossInnen aus Kultur und Politik war sie weit über die Grenzen ihres Landes hinaus bekannt und geachtet. Durch ihre zahlreichen Romane ökonomisch unabhängig, erschrieb sie sich einen unvergänglichen Platz in der Weltliteratur. Der Nachwelt, einschließlich der männlich dominierten Literaturwissenschaft, blieb George Sand als Frau in Männerhosen, Zylinder tragend und Zigarre rauchend in Erinnerung. Hinter diesem Bild als Exzentrikerin und Geliebten eins bekannten Musikers geriet ihr Werk zu Unrecht ins Vergessen.
George Sand
Nanon
Deutscher Taschenbuch Verlag, 4. Auflage Juni 2004
ISBN 3-423-13211-6
9,00 Euro200263692175"