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AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 18.04.2004


Pioniere in Celluloid. Juden in der frühen Filmwelt
Denise Hoffmann

Geschichte und Bedeutung der jüdischen Filmschaffenden für die Entwicklung des frühen Kinos in Deutschland. Als Begleitband zur Ausstellung um sehenswerte Dokumente ergänzt




Der Begleitband zu der aktuellen Ausstellung im Centrum Judaicum "Juden in der frühen Filmwelt 1910 bis 1925" will als erstes Projekt dieser Art die Bedeutung jüdischer Produzenten, Regisseure und Drehbuchautoren für die Entwicklung des deutschen Kinos darstellen. Die AutorInnen beschränken sich dabei auf den Stummfilm der 1910er und frühen 1920er Jahre in Berlin, die formative Phase und die Blütezeit des deutschen Films also, mit kurzen Exkursionen nach Hollywood.

Gezeigt wird die Geschichte Berlins als Filmstadt und die der Kinematographie von ihrem Beginn um 1900 bis Mitte der 20er Jahre anhand der Biographien verschiedener jüdischer Filmpioniere, wie Paul Davidson, Ernst Lubitsch, Carl Mayer und Willy Haas. Ergänzt wird die geschichtliche Darstellung durch teilweise unveröffentlichte Bild- und Textdokumente, wie zeitgenössische Rezensionen und Rezeptionen.

Nicht nur jüdische Sujets, sondern verschiedenste Stoffe "literarischer, volkstümlicher oder exotischer Vorlagen" wurden verwendet. Die ersten Filmschaffenden - oftmals osteuropäische, nach Berlin zugezogene Juden - entdecken das Kino zu Beginn des 20. Jahrhunderts als Möglichkeit, anti-jüdische, gesellschaftliche Konventionen zu überwinden und in dem neuen Medium eine Zukunft zu finden.

Die frühe Filmbranche kennt keine Konventionen, weder Religion, Geisteshaltung noch Berufsstand waren Schranken für den Eintritt in das Filmgeschäft. Auch war die gesellschaftlich-politische Stimmung des beginnenden neuen Jahrhunderts ein Spiegel der Situation, in der Juden und Jüdinnen permanent lebten:
"Aufbruch und Heimatverlust".

Die Entwicklung des Films und die Etablierung der Lichtspielhäuser hatte weltumspannende Dimensionen, frei von Sprache und Nation.
Dies kontextualisieren die AutorInnen mit Globalisierung und Medialisierung.

Nach den boomenden Gründerjahren gerät die Filmbranche mit dem Ersten Weltkrieg ins Wanken, bis die Ufa gegründet wird. Xenophobe und antisemitische Tendenzen, das Kino sei "verjudet", gibt es bereits früh. Nach dem Krieg überfluten amerikanische Filme den Markt, die Branche ist in der Krise. Bereits Anfang der 20er Jahre beginnen viele erfolgreiche Filmschaffende aus finanziellen Nöten Deutschland zu verlassen, als der Antisemitismus stärker und vernehmbarer wird. Als Reaktion darauf thematisieren zahlreiche Filme den Antisemitismus, z.B. Carl Dreyers "Die Gezeichneten" von 1921. In Amerika, in Hollywood arbeiten viele der ehemaligen Berliner Filmpioniere erfolgreich weiter.
Dieser Verlust an kreativem Potential für die Filmbranche rettet nach 1933 vielen in Deutschland lebenden Juden durch Beziehungen zu den in Amerika lebenden Kollegen das Leben.

Aviva-Tipp: Das Buch ist als Begleitband zur Ausstellung um wirklich sehenswerte Fotos und Dokumente ergänzt. Zeitgenössische Zitate sind optisch optimal hervorgehoben, was zum Schmökern anregt. Einzig eine chronologische Entwicklung der Film- und Kinogeschichte fehlt.

Die AutorInnen:
JournalistInnen, freie AutorInnen, FilmexpertInnen, Film-, Theater- und KulturwissenschaftlerInnen, die stellvertretende Direktorin des Centrum Judaicum und StudentInnen mit fachlichem Interesse.

Die HerausgeberInnen:
Irene Stratenwerth
, geboren 1954, ist freiberufliche Journalistin und Autorin für Printmedien, Hörfunk und Fernsehen. Sie realisierte 2001 in Zusammenarbeit mit der Stiftung Neue Synagoge Berlin - Centrum Judaicum die Ausstellung und das Begleitbuch " All meine Pferde rangen mit der Nacht - Jakob van Hoddis/Hans Davidsohn 1887-1942". Seit Februar ist sie Kuratorin der Ausstellung "Pioniere in Celluloid - Juden in der frühen Filmwelt" im Centrum Judaicum in Berlin.
Hermann Simon, geboren 1949, ist Historiker und Direktor der Stiftung Neue Synagoge Berlin - Centrum Judaicum. Er hat zahlreiche Bücher zur Geschichte der Juden in Deutschland veröffentlicht.



Pioniere in Celluloid Juden in der frühen Filmwelt
Hsg. Irene Stratenwerth/Hermann Simon

Henschel Verlag, Februar 2004
24,90 Euro
ISBN 3-89487-471-6200279440375"



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Beitrag vom 18.04.2004

AVIVA-Redaktion