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AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 10.12.2004


Elke Steiner. Die anderen Mendelssohns - Dorothea Schlegel, Arnold Mendelssohn
Gerlinde Behrendt

Der erste Teil einer neuen Comic-Serie über die jüdisch-deutsche Dynastie einer Familie von Bankiers, KünstlerInnen und Gelehrten




Elke Steiner erzählt in ihrem neuen Comic "Die anderen Mendelssohns" die Geschichte zweier "schwarzer Schafe" der Familie, Dorothea Schlegel und Arnold Mendelssohn. Beide haben sich mit ihren Lebensentwürfen gegen die Erwartungen der Familie und der "guten Gesellschaft" entschieden. Die Familiengeschichte der Mendelssohns spiegelt in vorbildlicher Weise die deutsch-jüdische Kulturgeschichte und auch einen Teil großbürgerlichen Lebens in der Stadt Berlin wider. Der Comic entstand in Zusammenarbeit mit den jüdischen Kulturtagen und der jüdischen Volkshochschule in Berlin.

Dorothea Schlegel, eine Enkelin Moses Mendelssohns, wechselte ihren Namen mehrmals: Unter ihrem Mädchennamen Brendel Mendelssohn wurde sie nach jüdischem Brauch mit Simon Veit verheiratet. Als "Dorothea" nahm sie an den literarischen Salons der preußischen Hauptstadt teil. Sie entschied sich für den gelebten "Romantizismus", für eine selbsbestimmte Beziehung zu dem acht Jahre jüngeren Dichter Friedrich Schlegel, auch wenn es bedeutete, mit ihrer Herkunftsfamilie zu brechen. Dazu gehörte ebenso, dass sie zunächst zum Protestantismus konvertierte, später zum Katholizismus. Schließlich ließ sie sich scheiden und heiratete ihren geliebten Dichter. Sie schrieb Romane und arbeitete für den Lebensunterhalt als Übersetzerin. ZeitgenossInnen beschrieben sie als sehr überzeugende und entschlossene Persönlichkeit.
Ihr Neffe, der Berliner Armenarzt Arnold Mendelssohn wohnte in Berlin zusammen mit dem Sozialisten und späteren Begründer der Sozialdemokratie, Ferdinand Lasalle. Arnold wurde beschuldigt, für die Scheidung einer Freundin Dokumente entwendet zu haben und bekam dafür eine Gefängnisstrafe. Aus dem Kerker schrieb er Artikel für Lasalles Zeitung "Spartakus", in denen er sich für eine Besserstellung der Arbeiterklasse einsetzte. Er wurde vorzeitig freigelassen, musste aber ins Exil gehen. Über Österreich wanderte er nach Jerusalem aus. Er schrieb in seinen "Levantinischen Briefen" Beiträge für deutsche Zeitungen über das Zusammenleben von Juden, Christen und Moslems.

Wie lässt sich ein kulturgeschichtliches Thema als Comic darstellen, ohne "pädagogisch" zu wirken? Elke Steiner hat das emotionale Medium dazu genutzt, um entscheidende Konfliktsituationen im Leben der ProtagonistInnen zu illustrieren. Bei Dorothea Schlegel zeigt sie die seelische Verfassung, die dazu geführt hat, erst die Haube jüdischer Frauen und ihren Mädchennamen abzulegen, an Diskussionrunden mit Männern teilzunehmen und später - nach einem Spaziergang mit ihrem Freund und Ratgeber Friedrich Schleiermacher im Tiergarten - sich zur Scheidung durchzuringen. Arnold wird gezeigt, wie er die Papiere für die Gräfin Hatzfeld stiehlt, später dann nach einigen enttäuschenden Intrigen auswandern muss und schließlich doch noch zu seiner Berufung als Arzt findet.
Die geschilderten Szenen sind mit wunderbar kräftigen Strichen in Sepiatönen gezeichnet, erklärende Rückblenden sind schwarz-weiß dargestellt. Neben den markanten und selbstbewusst wirkenden Figuren gibt es auch einige nostalgisch anmutende, aber trotzdem moderne Architekturzeichnungen, die einen guten Eindruck der jeweiligen historischen Umgebung vermitteln.

Die Geschichten von Dorothea und Arnold sind Teil einer zweibändigen Serie: Im November 2004 erschien der erste Band "Die anderen Mendelssohns - Dorothea Schlegel, Arnold Mendelssohn" nach einer Idee von Thomas Lackmann (Recherche: Dr. Ernst Siebel). Der zweite Band mit den Schicksalen von Carl Mendelssohn-Bartholdy und Eleonora und Francesco von Mendelssohn soll im Sommer 2005 erscheinen.



Elke Steiner
Die anderen Mendelssohns - Dorothea Schlegel, Arnold Mendelssohn

Reprodukt Verlag, November 2004
ISBN 3-931377-96-2
64 Seiten, einfarbig, 23 x 16,5 cm, Klappenbroschur
12,00 Euro

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Beitrag vom 10.12.2004

Gerlinde Behrendt