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AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 23.08.2011


Luise F. Pusch - Deutsch auf Vorderfrau
Britta Meyer

Jahrzehnte des Binnen-Is haben es nicht ändern können: trotz gewollter, engagierter und oftmals verkrampfter Bemühungen um einen geschlechtergerechten Gebrauch der deutschen Sprache sind und...




... bleiben Frauen in der alltäglichen Ausdrucksweise unsichtbar.

Luise F. Puschs neue Sammlung feministischer Glossen zum sprachlichen Wahnwitz des Deutschen fragt nach dem linguistischen Sinn und Unsinn von Patenschaft, Niederkunft und der Staatsmännin.

Die politisch korrekte Verwendung der Sprache scheint, dank der hartnäckigen Bemühungen feministischer LinguistInnen, als allgegenwärtiges "gendern" zumindest im BeamtInnendeutsch angekommen zu sein. Aber wie knackt mensch Wörter, die schon in ihrem Ursprung sowohl sexistisch als auch völlig widersinnig sind? Am besten mit Humor. Die Linguistin Luise F. Pusch knöpft sich einmal mehr Sprache als ein veränderliches Gebilde vor und gibt Anstöße zu einer feministischen Etymologie, nach dem Motto: Frauen, werdet kreativ und bildet Eure Sprache selbst.

Meine Schwester heißt Polyester

Aber ist die besondere Betonung des Weiblichen in der Alltagssprache denn überhaupt sinnvoll und notwendig? Streicht sie nicht erst recht das Feminine als "anders" und damit auch als anders zu behandeln heraus? Die besondere Betonung der weiblichen Form, heißt es, sei ein obsoletes Überbleibsel der zweiten Welle des Feminismus` aus den achtziger Jahren. Geschlecht soll heutzutage keine Rolle mehr spielen und Menschen wollen endlich nach ihren Leistungen und nicht nach ihrem Geschlecht bewertet werden. Mensch erreicht jedoch keine Gleichheit, indem einfach ein Geschlecht ständig unter den Teppich gekehrt wird. Spätestens, seit eine Studentin der Physik mir gegenüber argumentierte, sie bestehe auf der Bezeichnung "Physiker", denn die weibliche Form der "Physikerin" sei in ihrem Studiengang mit dem Makel der Inkompetenz behaftet, habe ich da so meine Zweifel. Hier werden Frauen in einem klassischen "Männerfach" nicht nur unsichtbar, sondern, wenn sie denn auftreten, auch gleich lächerlich gemacht. Wer diesen Quatsch mitträgt, die/der bestätigt ihn schließlich auch.

"Königin Friederike, die Namenspatronin des Friederikenstifts..."

Pusch nimmt sich Begriffe wie "Namenspatronin", "Niederkunft" und die zahlreichen, im Deutschen unreflektiert maskulin besetzten Anglizismen (Teenager, Babysitter, Freak, Nerd, Coach, Fan, ...) vor und untersucht sie auf ihre sprachgeschichtlichen Wurzeln hin. Warum weiß eigentlich niemand, dass "Freude" denselben Wortstamm hat, wie "Frau"? Oder dass das verächtliche Wort "prüde" seinen Ursprung im Französischen hat und von "tüchtig" und "tapfer" kommt? Was denkt sich ein Fernsehsender wohl dabei, eine mächtige Frau als "Patriarchin" zu bezeichnen? Puschs Glossen liefern jede Menge amüsante Alternativvorschläge zur Benennung der Welt und ihrer Menschen in allen ihren Formen.

AVIVA-Tipp: Manchmal möchte frau sich beim Lesen ob all dieses Irrsinns herzhaft die Haare raufen. Schutzmatrone, Maestra-Arbeit, Fräude, schöner Göttin Funken: tut das denn wirklich Not? Leider ja. Solange mensch nicht vergisst, dass es Satire ist und darüber lachen kann. Die an allen Ecken und Enden vorherrschende (herrschende! Da ist es schon wieder!) Maskulinisierung jeder erdenklichen Bezeichnung fällt den deutschen MuttersprachlerInnen erst auf, wenn sie derartig auf die Spitze getrieben persifliert wird.
Das birgt natürlich das Risiko, dass Binnen-I-Genervte aller Geschlechter sich in ihren Vorbehalten gegenüber FeministInnen als krampfhafte SprachverdreherInnen bestätigt sehen. Aber mal ehrlich: Lebt damit. Schließlich sind die Grenzen unserer Sprache die Grenzen unserer Welt.

Zur Autorin: Luise F. Pusch, geboren 1944, ist Professorin für Sprachwissenschaft und freie Publizistin. Zu ihren Veröffentlichungen gehören unter anderem: "Sonja. Eine Melancholie für Fortgeschrittene (1981)", "Das Deutsche als Männersprache" (1984), "Alle Menschen werden Schwestern" (1990), "Die Frau ist nicht der Rede wert" (1999) und "Die Eier des Staatsoberhaupts und andere Glossen" (2008). Luise F. Pusch ist auch Betreiberin der einzigen Datenbank für Frauenbiographien im Netz, FemBio.

Weitere Informationen finden Sie unter:

Frauen-BiographieForschung FemBio

Luise F. Puschs Blog: Laut & Luise

Luise F. Pusch
Deutsch auf Vorderfrau

Wallstein Verlag, erschienen März 2011
Gebunden, broschiert, 140 Seiten
ISBN 978-3-8353-0863-3
9,90 Euro
www.wallstein-verlag.de


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Beitrag vom 23.08.2011

Britta Meyer