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Beitrag vom 18.08.2011
Rosa Loy - Manna
Nina Breher
Die Figuren Rosa Loys spielen mit den Elementen und verlieren sich zugleich in ihnen. Eine im Hatje Cantz Verlag erschienene, eindrucksvolle Monografie zeigt Werke der letzten fünfzehn Jahre.
Sie ist die einzige weibliche Vertreterin der sogenannten Neuen Leipziger Schule, einer Strömung aktueller Malerei, die wie so häufig von ihren VertreterInnen verleugnet, jedoch von GaleristInnen begeistert vermarktet wird. Ihre Werke, von denen viele noch bis Juni 2011 in der Kunsthalle Gießen in einer Einzelausstellung mit demselben Titel zu sehen waren, zeigen vor allem Frauen. Handelnde Frauen, die sich ganz dem Tun verschrieben haben. Spontan an Menschen auf Propagandaplakaten der DDR erinnernd, greifen, graben und drohen die Figuren Loys, deren Augen die betrachtende Person selbstsicher und dennoch gleichgültig anstarren.
Unendliche Assoziationsketten
Doch das ist längst nicht alles. Die Bilder zitieren aus Popkultur und Kunstgeschichte, aus Märchen und Erzählungen, die genaue Herkunft dieser Zitate lässt sich jedoch selten festmachen. Es ist genau diese buntgemischte Referenzhaftigkeit, die den Bildband zu einem macht, zu dem mensch immer wieder greifen möchte. Und zu einer Sammlung von Gemälden, die ihre BetrachterInnen zum Spielen einlädt: Die wiederholt auftauchenden Schlangen und der Apfel in der aktuellsten Arbeit "Manna" – Zitate aus der Bibel? An anderer Stelle finden sich Reminiszenzen an Grimms Märchen: Die goldene Kugel der Prinzessin in der Geschichte vom Froschkönig, Frau Holles Daunen, die durch eines der Bilder wehen und zahlreiche Wölfe. Ohne Großmutter oder Geißlein zwar, aber einer davon trägt zwei Kinder im Bauch – geht man dieser Spur nach, führt diese zu Romulus und Remus aus der römischen Mythologie. Vögel, Würmer und Geister hingegen scheinen sich aus Videospielen heraus in das Geschehen geschlichen zu haben. Basilisken, lebendige Bäume, unwahrscheinlich große Blumen und Phantasiewesen – fast gerät der/die BetrachterIn in Versuchung, an Lewis Carrolls Geschichte von "Alice im Wunderland" zu denken. Parallel dazu zeigen sich, inmitten dieser Traumwelt, die vom Künstler Neo Rauch treffend als eine Welt mit "eigentümlichen Selbstverständlichkeiten" beschrieben wird, Symbole der Zerstörung – Atompilze, Köpfe ohne Körper, Waffen, Feuer und Insekten, die das vom Menschen Gemachte zerfressen, sind nur einige davon.
Traum oder Alptraum?
Das Zusammenspiel von sich ergänzenden und sich gleichzeitig widersprechenden Traum- und Katastrophenelementen spiegelt die Unmöglichkeit der Fixierung der Gemälde auf eine Bedeutung wider: Nie ist etwas mehr als nur ein Indiz und die Malereien werden lediglich von den gleichgültig wirkenden AkteurInnen zusammengehalten, ihr Tun ist passives Schlafwandeln und erwächst doch aus der Dringlichkeit sich ankündigenden Unheils – eine eigentümliche Welt.
Auch die Natur spielt eine besondere Rolle. Die Figuren gehen mit ihr um, arbeiten und spielen mit ihren Elementen, beherrschen sie aber nie. In manchen Bildern haben sich die Körper gar zu Holz, Honig oder Stein transformiert. Die vielfältigen Elemente aus Natur und Kultur ergeben in Loys Bildern kein großes Ganzes, sondern korrespondieren diffus miteinander und verweigern Kohärenz. Es mag sein, dass dies zunächst abschreckend klingt, doch das Betrachten der mit feinem Pinselstrich gezeichneten Bilder entschädigt für aufkommende Verunsicherungen.
"Nahrung für Kopf und Auge"
Kommentierende Texte dreier AutorInnen runden den Band ab: Ute Riese, Kuratorin der Ausstellung in Gießen, leitet mit "Nahrung fürs Auge" ein und macht neugierig. Im Anschluss erweitert Barbara Steiner von der Galerie für Zeitgenössische Kunst in Leipzig mit ihrem Beitrag "Die Malerei als Doppelgänger" den Blick auf das Werk, indem sie kulturgeschichtliche und psychoanalytische Aspekte in den Fokus rückt und sich an einer Interpretation versucht. Abschließend verfasst Neo Rauch auf sieben Seiten einen Text – nein, ein Gedicht –, der weniger eine Liebeserklärung ist als eine Bekundung tiefsten Respekts seiner Kollegin und Ehefrau gegenüber: "Wer sich ihren Bildern wachen Sinnes ausliefert, der kann spüren, wie die in sie eingewirkten Lebenskräfte auf ihn überströmen."
AVIVA-Tipp: Welche Welt wird hier geschaffen? Darüber lässt sich wohl endlos philosophieren. Die Arbeiten von Rosa Loy, die auf den ersten Blick so wirken, als habe sich jemand aus Elementen des Impressionismus, Symbolismus und der realsozialistischen Propagandamalerei bedient, laden zum Gedankenspiel ein und entfalten ihr Potenzial erst nach längerem Betrachten, doch tun sie dies dann umso kraftvoller.
Zur Künstlerin: Rosa Loy, geboren 1958 in Zwickau, wird der Neuen Leipziger Schule zugeordnet. Sie gehört zu den Malerinnen Deutschlands, die sich mit dem Mysterium der Frau, der neuen Weiblichkeit und der neuen Romantik beschäftigen. Bevor sie als Malerin und Grafikerin tätig wurde, studierte sie Gartenbau an der Humboldt-Universität zu Berlin und arbeitete mehrere Jahre als diplomierte Gartenbauingenieurin, was sich auch in ihrer künstlerischen Arbeit widerspiegelt. Anschließend machte Sie ihren Abschluss an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst im Fachbereich Buchgestaltung. In ihrem Atelier am Leipziger Stadtrand arbeitet sie in Kasein auf Leinwand, diversen Techniken auf Papier und in verschiedenen Grafischen Techniken. (Quelle: www.rosa-loy.de)
Ausstellung in Wien:
Hinter den Gärten. Rosa Loy und Neo Rauch
02. September 2011 bis 20. November 2011
Veranstaltungsort: ESSL MUSEUM
An der Donau-Au 1
3400 Klosterneuburg bei Wien
Weitere Informationen finden Sie unter: www.essl.museum
Rosa Loy
Manna
Gestaltung von Maria Magdalena Koehn, Texte von Neo Rauch, Ute Riese, Barbara Steiner
Deutsch / Englisch
Hatje Cantz Verlag, erschienen: August 2011
Gebunden, 256 Seiten
ISBN: 978-3775727624
39,80 Euro
Weitere Informationen finden Sie unter: www.hatjecantz.de
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