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Beitrag vom 15.05.2011
Pascale Gautier - Wo die alten Damen wohnen
Marie-Luise Wache
Ein Städtchen in Südfrankreich, fast nur von alten Damen bevölkert und 365 Tage Sonne im Jahr. Das ist der Schauplatz für Pascale Gautiers humorvolle und skurrile Geschichte über die ...
... kleinen und großen Probleme im Alter.
In Sonnenloch, der idyllischen Kleinstadt im Süden Frankreichs ist der Name Programm. Hier, wo beinahe alle die Siebzig schon längst überschritten haben, verläuft der Alltag in beruhigend-monotonen Bahnen. Kein Wölkchen am Himmel vermag die letzten Jahre der SeniorInnen zu trüben. Das Leben ist geprägt von Friseurterminen, Klatsch und Tratsch bei einem Tee mit Schuss, Gottesdiensten, Geburtstagen und den natürlich unvermeidbaren Beerdigungen.
Die Leserin trifft im Laufe der Erzählung auf die zugleich sonderlichsten wie einfachsten Gestalten. So zum Beispiel auf Pierre, der mit seinen neunzig Jahren einer der wenigen verbliebenen Männer in Sonnenloch ist und sich den Malesten des Alters nicht ergeben will. Um gegen den geistigen und körperlichen Verfall anzukämpfen, verführt er reihenweise die Damen der Seniorenresidenz und trainiert für den Londoner Marathon.
Madame Rouby, die es sich gerne mit einem oder mehreren Gläsern Portwein vor dem brüllendlauten Fernseher gemütlich macht, lädt ihre Freundinnen wöchentlich zum Kaffeekränzchen ein. Zusammen wird sich dann, eher halbherzig denn leidenschaftlich, über die kleinen und großen neuesten Nachrichten aus Politik und Gesellschaft ausgetauscht. Was nützt es den Damen schließlich noch, sich über die Welt von morgen den Kopf zu zerbrechen, wenn das Leben in Sonnenloch für die meisten Endstation bedeutet?
Madame Chiffe, die gottesfürchtige Rentnerin, ist eine weitere Bewohnerin Sonnenlochs. Um sich aufs Jenseits vorzubereiten beschäftigt sie sich lieber mit christlichen Versen aus ihren unzähligen Gedichtbänden als sich am Schnack der rosagefärbten Dauerwellen-Clique um Madame Rouby zu beteiligen.
Alle BewohnerInnen des französischen Städtchens verbindet die Erinnerung an frühere, goldenere Tage und das Unverständnis gegenüber der Politik, Technik und dem Lebensstil des 21. Jahrhunderts. Doch trotz der zunehmenden Lücken im Gedächtnis lassen sich die Damen und Herren in Sonnenloch nicht unterkriegen – bis eine nahende Naturkatastrophe ihren gewohnten Alltag aus den Bahnen wirft und die selbstgewählte und paradiesische Vision eines ruhigen Lebensabends gefährdet ist.
Pascale Gautier ist eine zugleich traurige und komische Geschichte gelungen, in der sie sich durch verschiedene Stilmittel jedem Charakter auf individuelle Art nähert. So wird der Leserin, trotz eines Gesamtbildes der tatterigen RentnerInnen, die Entwicklung und Geschichte jeder ProtagonistIn bewusst.
Dabei liegt der Fokus weniger auf der Vergangenheit der Charaktere, als vielmehr auf deren Gegenwart und dem beruhigend-gleichförmigen und dennoch individuellen Umgang mit den letzten verbleibenden Jahren.
AVIVA-Tipp: Der Unterhaltungsroman "Wo die alten Damen wohnen" spricht das Thema "Alter" auf unverkrampfte Weise an und beschert so ein paar entspannte Lesestunden, ohne die Leserin in einer tiefen Sinnkrise zurückzulassen.
Zur Autorin: Pascale Gautier ist Cheflektorin des Verlags Buchet-Chastel und lebt in Paris. Ihr Debüt "Moribondes" erschien 1988. "Wo die alten Damen wohnen" ist ihr erstes Buch, das auch auf Deutsch erhältlich ist. 2005 erhielt die Autorin für ihren Roman "Trois grains de beauté" den Grand prix SGDL du roman.
Weitere Informationen zur Autorin finden Sie in dem Interview mit web-tv-culture
Pascale Gautier
Wo die alten Damen wohnen
Originaltitel: Les Vieilles
Aus dem Französischen von Claudia Steinitz
Taschenbuch, 224 Seiten
Ullstein Verlag, erschienen März 2011
ISBN: 978-3-550-08845-2
18 Euro