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Beitrag vom 30.07.2008
Aus einer Schönen Welt - Gila Lustiger
Andrea Petzenhammer
Eine unterforderte Hausfrau kurz vor dem Zusammenbruch aus Langeweile: In Gila Lustigers "Aus einer Schönen Welt" ist der freie Nachmittag der Feind und die Shoppingmall der einzig friedliche Ort.
Anlässlich der Rezension ihres Buches "Herr Grinberg und Co" stellt AVIVA-Berlin nun auch die Neuauflage von Gila Lustiger Romans "Aus einer schönen Welt" (2006) vor. Darin beschäftigte sich die Autorin bereits vor ihrem teilweise autobiographischen Roman "So sind wir" aus 2007 mit einem innerfamiliären Problemfeld. Mit der Hausfrau und Mutter "A." erschuf Lustiger eine abstrakte und doch sehr intensive Persönlichkeit, die verzweifelt den Sinn in und den Ausgang aus ihren vier Wänden sucht. "Aus einer schönen Welt" ist im Aufbau-Verlag erschienen.
"Nur wer im Wohlstand lebt, lebt angenehm!"
Mit diesem Zitat von Bertolt Brecht nimmt Gila Lustiger ihre sarkastische Haltung zu materiell überversorgten aber völlig unterbeschäftigten Hausfrauen wie "A." vorweg. Eingeengt in der stumpfsinnigen Weite ihrer stilvoll und teuer eingerichteten 200 m² Wohnung sucht diese nach dem Inhalt ihres Lebens. A.s Tochter "Das Kind" wird großteils betreut und ihre "wenig gebildete" Haushaltshilfe nimmt ihr die lästigen Arbeiten des Alltags ab. Da "der Mann" außerdem als Kleinunternehmer mit einem reichlichen Einkommen für die Familie sorgt, kann A. ihren Tag mit dem Einkauf der notwendigen neuen Haushaltsgegenstände verbringen.
"Nein, sie ist nicht verdrießlich, sie hat es ja gewollt. Man muss ja nicht gleich zufrieden sein, nur weil man einmal einen eigenen Entschluss gefasst hat."
Auf ihrer Suche nach Bestätigung und Selbsteinschätzung versucht sich A. sowohl an Diäten als auch Shopping-Kuren sowie einem Liebhaber. Doch weder eine Neugestaltung der Wohnung noch der tägliche Unmut über die akademisch unqualifizierte Haushaltshilfe können sie aufheitern. Als dann zu allem Überfluss die matriarchalische Mutter einmal mehr darauf hinweist, dass sie noch immer nicht verstehen könne, weshalb ihr überaus sympathischer Schwiegersohn ihre reizlose Tochter geheiratet hatte, greift A. zu drastischeren Mitteln...
Zur Autorin: Gila Lustiger wurde 1963 in Frankfurt am Main geboren. Ihr Vater kam aus Oberschlesien, ihre Mutter aus Israel, wo sich ihre Eltern auch kennen lernten. Von 1982 bis 1986 studierte sie Germanistik und Komparatistik an der Hebräischen Universität in Jerusalem, und arbeitete danach als Lektorin in Tel Aviv. Seit 1987 lebt sie als Verlagslektorin, Übersetzerin und Autorin mit ihrem Mann, dem französischen Dichter Emmanuel Moses und ihren zwei Kindern in Paris. Ihr erster Roman, "Die Bestandsaufnahme", erschien 1995, "Aus einer schönen Welt" erstmals 1997. Mit "So sind wir" (Berlin Verlag 2005, BvT 2007), ein Familienroman über die Geschichte der europäischen Juden, stand sie 2005 auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis.
AVIVA-Tipp: Mit boshaftem Blick und bissigem Humor beobachtet die Autorin Gila Lustiger die Wirren einer unterforderten Hausfrau und Mutter, die sich längst in ihren eigenen Gedanken verloren hat. Der detaillierte und assoziative Schreibstil sowie die Tatsache, dass weder der Ehemann noch das Kind einen Namen erhalten, bringt die Beliebigkeit von A. im Dasein und deren Distanz zum eigenen Leben prägnant zum Ausdruck.
Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:
Gila Lustiger: "Herr Grinberg und Co" (2008), Berlin Verlag
Gila Lustiger: "So sind wir" (2005), Berlin Verlag
Gila Lustiger
Aus einer schönen Welt
Aufbau-Verlag, erschienen 2006, 3. Auflage
Broschur, 180 Seiten
ISBN 978-3-351-03078-0
Euro 14,90